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Jetzt Mieterhöhungen? Kalkulation der Osnabrücker Wohnungsgesellschaft “WiO” geht nicht auf

Olaf Lies, Wirtschaftsminister der SPD in Hannover, hatte sicher ein „Heimspiel“ in Osnabrück erwartet. Tatsächlich verlief die öffentliche Fraktionssitzung der SPD am Montagabend kritik- und auch diskussionsfrei. Eine Veranstaltung, bei der wesentliche Rückfragen an die Landesregierung ausblieben. Die vermutete Erwartung des Ministers wurde also erfüllt.

Notizen von HASEPOST-Herausgeber Heiko Pohlmann am Rande einer SPD-Veranstaltung

Lediglich Christian Averdiek, Prokurist der Osnabrücker Wohnungsgesellschaft WiO und als CDU-Mitglied ein wenig ein ‚Fremdkörper‘ bei der Veranstaltung, brachte einen Aspekt zur Wohnungsbauförderung ein, der den Minister auf der Heimfahrt vielleicht noch beschäftigt haben dürfte: Die Kalkulation der Osnabrücker Wohnungsgesellschaft, die oft als Vorbild und Kooperationspartner für die geplante landeseigene Wohnungsbaugesellschaft genannt wird, geht bereits vier Jahre nach ihrer Gründung nicht auf.

Trotz zahlreicher Zuschüsse kann die WiO den Mietpreis nicht halten

Dabei waren die Zahlen, die Averdiek per Video aus seinem Urlaub zugeschaltet präsentierte, an sich schon bemerkenswert. So erhält die Wohnungsgesellschaft von der landeseigenen NBank nicht nur zinslose und Niedrigzins-Kredite, sondern auch umgehend nach Fertigstellung von Wohnbauprojekten 20 % der Schulden erlassen sowie nach 20 Jahren nochmals 10 % „Tilgungszuschuss“. Konditionen, von denen privatwirtschaftliche Bauherren nur träumen könnten. Immerhin schafft es die WiO so, den Quadratmeterpreis für berechtigte Zielgruppen auf unter 7 Euro zu halten – aber wohl nicht mehr lange.

Neben einem weiteren „Tilgungszuschuss“ (aka Geld aus der Steuerkasse) oder einer Verlängerung der bislang auf 40 Jahre berechneten Darlehensphase brachte Averdiek auch eine „Änderung der Mietstufe“ als mögliche Lösung der Finanzmisere ins Spiel – mit anderen Worten: Mieterhöhungen.

Chef des Mietervereins fordert qualifizierten Mietspiegel für Osnabrück

Dass Mieterhöhungen in seinem Weltbild nur dann schlecht seien, wenn sie nicht von der Politik beschlossen werden, machte in seinem Redebeitrag Carsten Wanzelius, Geschäftsführer des Mietervereins Osnabrück, klar. Allerdings nicht ohne vorher seine enge Verflechtung mit der SPD zu betonen, indem er in einem Nebensatz selbst auf seine sicherlich schon lange zurückliegende Mitgliedschaft bei den Jusos verwies.

Ausgerechnet die ‚Neue Heimat‘ als Vorbild für neue Wohnungsgesellschaften?

Der Mieter-Lobbyist verstieg sich sogar zu der Behauptung, dass es für die Mieter gut gewesen sei, als die Neue Heimat völlig losgelöst von wirtschaftlichem Sachverstand nicht nur für heutige Problemviertel wie die Neue Vahr in Bremen oder die verfehlte Altstadt-Sanierung in Osnabrück (insbesondere die Dielingerstraße) gesorgt hatte. [Anmerkung des Redakteurs: Am Ende legte die gewerkschaftseigene und von SPD-Politikern geführte ‚Neue Heimat‘ einen Rekord-Absturz hin, der die Kassen der DGB-Gewerkschaften mit mehr als einer Milliarde DM belastete und zahlreiche soziale Brennpunkte hinterließ. Aber immerhin: Die Mieten waren niedrig.]

Für privatwirtschaftlich agierende Vermieter hingegen forderte Mieterverein-Chef Wanzelius für Osnabrück einen „qualifizierten Mietspiegel“, um diejenigen, die keine Null- oder Niedrigzinsangebote und Tilgungszuschüsse erhalten, wegen „Mietwucher“ vor Gericht zerren zu können.

Minister Lies will „ordentlich“ mit ihm anvertrauten Geld umgehen

Beruhigend wirkten zuvor die Aussagen von SPD-Minister Olaf Lies, der bekräftigte, „mit öffentlichen Mitteln muss man ordentlich umgehen“. Lies ging jedoch nicht so weit, darauf hinzuweisen, dass es keine „öffentlichen Mittel“ gibt, sondern diese zuvor von den Bürgern als Steuern und Abgaben eingesammelt werden und diese von der öffentlichen Hand nur verwaltet werden.

Neubau der WiO im Landwehrviertel. / Foto: Rykov
Neubau der Wohnungsgesellschaft WiO im Landwehrviertel. / Foto: Rykov

Für Lies war es bereits der zweite Besuch auf Einladung der Osnabrücker SPD-Ratsfraktion. Vor rund zwei Jahren stand die Osnabrücker Wohnungsgesellschaft WiO noch am Anfang. Inzwischen beschäftigt sich auch die Landesregierung mit dem Aufbau einer eigenen Wohnungsgesellschaft.

Wohnungen ohne Stellplätze um Kosten zu senken?

In seiner Rede zur Einleitung der Fraktionssitzung kritisierte der Minister, dass in den vergangenen Jahrzehnten die Standards und Normen das Bauen „immer unbezahlbarer“ gemacht hätten. Man müsse jetzt „ein bisschen wieder runterkommen auf ein Niveau, das das Wohnen wieder bezahlbar macht.“ Wenn nicht öffentlich geförderte Mieten derzeit bei 17 oder 18 Euro liegen, sollte das Ziel sein, die Kosten so weit zu senken, dass der Quadratmeter wieder für 12 oder 13 Euro angeboten werden kann.

Um Wohnraum günstiger zu machen, könne der Verzicht auf PKW-Stellplätze eine Lösung sein, so Lies – ausgerechnet in dem Ratssitzungssaal, in dem die Osnabrücker SPD Seite an Seite mit den Grünen stetig bemüht ist, öffentlichen Parkraum weiter zu reduzieren.
„Wenn es heißt ‚bauen ohne Stellplatz‘ oder gar nicht bauen“, sei die Antwort klar, so Lies. Dies sei zwar für die Kommunen schwierig, aber nur so könne mit den vorhandenen Mitteln der Quadratmeterpreis gesenkt und ausreichend Wohnraum geschaffen werden. Neben dem ÖPNV [Anmerkung des Redakteurs: der in Osnabrück auf Betreiben der Politik auch immer weiter gekürzt wird] und dem Ärztemangel sei fehlender Wohnraum eine der größten Herausforderungen für die Gesellschaft.

Minister Lies und MdL Henning: Billige Mieten im Kampf gegen die AfD?

Und warum das Ganze? „Wenn man die AfD wirksam bekämpfen will, muss man auch hier liefern“, so der SPD-Minister.

Ganz ähnlich äußerte sich auch der Osnabrücker Landtagsabgeordnete und wohnungsbaupolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Frank Henning: „Die Leute laufen der AfD hinterher und die SPD liefert nicht.“ [Kleiner Faktencheck des Redakteurs: Ausgerechnet „Mieten“ werden allerdings in keiner aktuellen Studie oder journalistischen Betrachtung als Motivation für eine AfD-Wahlentscheidung genannt, vgl. NDR 06/2023 oder Infratest dimap 02/2024.]

Henning skizzierte kurz, wie die landeseigene Wohnungsgesellschaft, die mit 100 Millionen Euro vom Land an den Start gebracht werden soll, vor allem durch Übernahme von bereits von privaten Unternehmen begonnenen, aber wegen der aktuellen Kostenentwicklung gestoppten Projekten schnell Wohnraum schaffen soll. In einer zweiten Phase könnte die landeseigene Gesellschaft dann auch mit der städtischen Wohnungsgesellschaft WiO oder nicht profitorientierten Wohnungsgenossenschaften wie dem Stephanswerk oder dem Osnabrücker Heimstättenwerk zusammenarbeiten.

Fragen mussten vorher schriftlich eingereicht werden

Nach so viel Input von Politik, WiO und Mieterverein durften sich auch die rund 50 Gäste, darunter Osnabrücks Ex-Stadtbaurat Frank Otte, an der als „Podiumsdiskussion“ bezeichneten Veranstaltung beteiligen. Die SPD-Fraktionsvorsitzende Susanne Hambürger dos Reis, die auch den Vorsitz im Aufsichtsrat der WiO hat, las einige Fragen von Papierkärtchen ab, die zuvor von den Teilnehmenden ausgefüllt werden konnten. Dabei kamen weder die Fragesteller selbst zu Wort, noch wurde – mit Ausnahme von Frank Otte – verraten, wer die Frage gestellt hatte oder ob diese vielleicht sogar vorbereitet war, um das passende Stichwort zu geben. Etwas, dass als „Diskussion“ hätte bezeichnet werden können, fand nicht statt.

Keine kritische Fragen oder eine wirkliche Diskussion mit Bürgern

Alles in allem bleibt beim Betrachter und Verfasser dieser Zeilen der Eindruck, dass es der Osnabrücker SPD vor allem darum ging, das Geld der Steuerzahler möglichst umfangreich umzuverteilen. Kritische Fragen, etwa nach den Folgen des demografischen Wandels für den Wohnungsmarkt und ob es für eine Gemeinde überhaupt sinnvoll ist, mit gefördertem Wohnraum falsche Anreize und negative Marktimpulse zu setzen, blieben ungestellt. Da ohnehin alle Teilnehmer einer Meinung zu sein schienen, blieb eine Diskussion – weder auf dem Podium noch mit den Bürgern – aus.


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Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann gründete die HASEPOST 2014, basierend auf dem unter dem Titel "I-love-OS" seit 2011 erschienenen Tumbler-Blog. Die Ursprungsidee reicht auf das bereits 1996 gestartete Projekt "Loewenpudel.de" zurück. Direkte Durchwahl per Telefon: 0541/385984-11

  

   

 

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