Ein Gastbeitrag von Katharina Leuck, die mit ihrem eigenen Blog LEISE/laut seit 2007(!) regelmäßig über Musik, nicht nur in Osnabrück, schreibt. Lesenswert!
Danke Katharina, dass wir diesen Beitrag übernehmen durften. LEISE/laut gibt es auch bei Facebook, Twitter und Google+.
Wie ich vorhin bei Facebook lesen durfte, steht es nun fest: Auf der Maiwoche Osnabrück 2016 wird es keine Timezone-Bühne mehr geben. Damit verliert das Stadtfest auch noch den letzten Rest musikalischer Individualität. Hallo noch mehr Coverbands, hallo noch mehr Ballermann! Holla die Waldfee, ist mir schlecht!
Eigentlich bin ich kein Fan von „Früher war alles besser“-Tiraden, aber im Fall der Osnabrücker Maiwoche entspricht das leider der Wahrheit. Früher konnte man sich sicher sein, bei dem Marathonstadtfest mindestens drei Band-Highlights aus unterschiedlichsten Genres umsonst und draußen kredenzt zu bekommen; erst auf der Bühne am Kamp, später am Herrenteichswall.
Casper, Kraftklub, Jupiter Jones, The Boxer Rebellion, Pohlmann, Johannes Oerding, Felix Meyer, The Baseballs, Wise Guys, Monsters of Liedermaching, Lotto King Karl, Christian Steiffen, Tomte, Kettcar, Liquido, Such a Surge, Wirtz, Tonbandgerät, Die Happy, Madsen, Schrottgrenze, Boozed, Tito & Tarantula, Muff Potter, Die Sterne und Rantanplan sind nur ein paar der Bands, die ich in den vergangenen Jahren dort gesehen habe (die Sachen aus den 90ern lasse ich aus Platzgründen weg).
Seit 2013 gibt es aus verschiedenen Gründen die Goldrush-Bühne am Herrenteichswall nicht mehr. Seither fehlt der Maiwoche das Aufgebot bekannter Bands, das das Stadtfest gerade für musikinteressierte junge Leute aus der Gegend fast immer zu einem Highlight machte. Für mich war die Maiwoche immer eine perfekte Einstimmung auf die Festivalsaison und eine gute Möglichkeit, neue Bands zu entdecken, die man dort noch einmal sehen konnte.
Dem war später meist nicht mehr so.
Zum Glück gab es daraufhin noch die kleine Bühne des Osnabrücker Labels Timezone, welches sich redlich bemühte, mit einem qualitativ hochwertigen Alternativprogramm aus kleineren Bands dem Ballermann-Schlager-Schützenfest-Einheitskack aus dem Alando Maidorf und den zigtausend Top40-Coverbands der anderen Bühnen die Stirn zu bieten. Gerade im vergangenen Jahr verbrachte ich dort so manchen Abend auf der Terrasse hinter L&T und sah viele gute und ein paar weniger gute Auftritte.
Jetzt kam vorhin bei Facebook also die Nachricht, dass Timezone in diesem Jahr keine Bühne auf der Maiwoche stellen kann. Die Fläche hinter L&T steht aufgrund erneuter Umbauten des Modehauses nicht mehr zur Verfügung. Als Ausweichfläche wurde dem Label der Ledenhof angeboten. Jedoch sind die Kosten aufgrund der wesentlich größere Fläche und einer bestehenden Quadratmeter-Pauschale um ein Vielfaches höher und für das kleine Label so nicht stemmbar.
Hier der Facebook-Post von der Timezone-Bühne:
Maiwoche nur noch Retortenquatsch?
Mit dem Aus der Timezone-Bühne gibt es für mich kaum noch einen Grund, überhaupt auf die Maiwoche zu gehen. Als Musikliebhaberin macht mich diese Entwicklung zutiefst traurig. Da das neue Programm noch nicht vorliegt, kann ich gerade nur vermuten, wie es in diesem Jahr aussehen wird. Aber dank der letzten Jahre weiß man schon, worauf man sich einstellen kann. Helene Fischer-Cover, ein Haufen Top 40, Aprés Ski, Schlager-Pop, zweifelhafte Comedy und irgendeine Blaskapelle aus Hintertupfingen ist sicher auch noch dabei. Damit rangiert die Maiwoche aus musikalischer Sicht nun endgültig auf dem untersten Level des provinziellen Mittelmaßes und ganz oben in der kleinbürgerlichen Austauschbarkeit. Ob man jetzt den Abend auf der Landjugendfete am hintersten Fleck des Landkreises oder in einem der Mai“Dörfer“ verbringt, macht nun wohl keinen Unterschied mehr – mal abgesehen von den Getränkepreisen.
Vielleicht mache ich einfach auf meinem Balkon zur gleichen Zeit ein akustisches Alternativprogramm und poste die Videos davon bei Youtube. Alle Bands, die bei so einer verrückten Sache dabei wären, dürfen sich gerne melden.
EDIT, 5.2.16: Ich wurde gestern im Laufe des Tages gefragt, was ich denn von der Bühne auf dem Marktplatz halten würde. Die sei doch gar nicht so schlimm. Da gebe ich den Fragenden auf jeden Fall Recht. Dort bekommt man jedes Jahr musikalisch hochwertige Unterhaltung geboten, allerdings ist diese einfach auf eine andere Zielgruppe ausgerichtet, zu der ich mich einfach größtenteils (noch) nicht zähle und die meisten Besucher der Timezone-Bühne genauso wenig.