Offen ausgesprochen wurde es nicht, aber ein Verdacht steht im Raum: Wurde der Luftreinhalte- und Aktionsplan für die Stadt Osnabrück, der den Lokalpolitikern seit ein paar Wochen vorliegt, nicht mit der dafür notwendigen Sorgfalt erstellt?

AFP

Immerhin sind rund 77.000 Pendler davon betroffen, wenn auf Basis des mehr als 100 Seiten umfassenden Dokuments zukünftig Maßnahmen ergriffen werden, die weite Teile der Bevölkerung massiv in ihrer individuellen Mobilität beschränkt werden.

Sollte am 27. Februar (ursprünglich für heute geplant) das Bundesverwaltungsgericht für Dieselfahrverbote urteilen, bekommt das vorliegende Dokument einen hohen politischen Stellenwert.

Präsentation suggerierte Schadstoffüberschreitungen

Am Augenfälligsten – inzwischen vom beauftragten Institut „LK Argus“ jedoch korrigiert – waren Fehler in einer begleitenden Präsentation, die den Lokalpolitikern zusammen mit dem umfangreichen Dokument vorgestellt wurde.

Mit einem warnenden „rot“ wurden auf der Folie 12 alle die Schadstoffwerte optisch hervorgehoben, die nach Meinung des Instituts kritisch sind, „grün“ die innerhalb der Grenzwerte liegenden Werte und „orange“, was im Grenzbereich lag.
Gleich auf den ersten Blick fiel dabei auf: Ein für den Individualverkehr geöffneter Neumarkt sorgt für deutlich mehr rote, also gefährliche Messwerte. Dass dabei der Wert „39“ mal orange (Szenario: gesperrter Neumarkt) und mal rot (offener Neumarkt) hervorgehoben war, wurde erst nach der letzten Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses mit einer nachgeschobenen Korrektur aus der Welt geschafft. Da hatten die ehrenamtlichen Politiker sich aber schon ein Bild gemacht. „Das viele rot auf den Folien hat schon einige Regenbogenpolitiker beeindruckt“, so Dr. Steffen Grüner vom Bund Osnabrücker Bürger (BOB) bei einem Pressetermin am Donnerstagnachmittag.

Fast alle Schadstoffwerte basieren auf Rechenmodellen

Aber auch so sehen die Vertreter von BOB viele Gründe, das vorliegende Dokument kritisch zu hinterfragen.
Die meisten im Lufteinhalteplan angeführten Werte sind auch überhaupt keine „Messwerte“, betont BOB-Mitglied Reimer Thiessen, der selbst lange Jahre Verkehrsplaner in der Verwaltung war. Tatsächliche und reale Messwerte liegen nur von drei Messstationen (Schlosswall, Bomblatstraße und Neuer Graben) vor, alles andere sind Annahmen, basierend auf Verkehrszählungen und Hochrechnungen.

Auch würden wichtige neue Zahlen und Entwicklungen in dem aktuellen Dokument fehlen. So wird weder auf die Bemühungen eingegangen, die Bundesstraße B68 nach einem erfolgten Lückenschluss der A1 zur A33 aus der Innenstadt zu verlegen, noch sind die Zahlen zur Elektromobilität aktuell. Die Stadtwerke-Busse, von denen inzwischen 29 auf modernste Abgastechnik umgerüstet werden, werden immer noch mit lediglich 8 umgerüsteten Bussen einberechnet.
Und auch die Herkunft der Nox-Emissionen weicht mit angenommen 68% für den Straßenverkehr deutlich von den Zahlen des Umweltbundesamtes ab, dass nach Angaben von BOB lediglich 35,9% dem Straßenverkehr zurechnet. So ist auch ein weiterer Kritikpunkt der BOB-Fraktion, dass Maßnahmen, die bei der Industrie oder den Haushalten zu niedrigen Schadstoffwerten führen könnten, gar nicht oder nur am Rande betrachtet werden.