Osnabrücks Studierende sind wütend: Gestiegene Kosten und sinkende Finanzierung vom Land Niedersachsen sorgen für stetig steigende Semesterbeiträge. Hinzu kommen Wohnungsnot und Geldsorgen. In dieser Woche protestieren sie daher gegen prekäre Studienbedingungen.
Die Mensa am Campus Westerberg servierte am Dienstagmittag (29. Oktober) nur Erbseneintopf, der “Allgemeinen Studierendenausschuss” (AstA) der Hochschule Osnabrück verteilte dazu trockene Brötchen. Mit der Protestaktion machten AstA und Studentenwerk gemeinsam auf die oft prekären Studienbedingungen in Osnabrück aufmerksam und starteten gleichzeitig eine Unterschriftenaktion, die Björn Thümler, niedersächsischen Minister für Wissenschaft und Kultur, zum Handeln auffordert. Das Osnabrücker Studentenwerk fordert eine Erhöhung der Finanzhilfen an das Studentenwerk um 25 Prozent, eine automatische jährliche Erhöhung der Finanzhilfen um drei Prozent, sowie ein substantielles Sonderprogramm zur Sanierung der Studentenwohnheime. Die Finanzhilfen für Studentenwerke wurden in Niedersachsen seit 2014 nicht erhöht und sollen noch für drei weitere Jahre stagnieren. Gleichzeitig stiegen die Personalkosten seit 2014 um bis zu 20 Prozent und die Zahl der Studierenden um 19 Prozent. Um ihren gesetzlichen Auftrag, beispielsweise das Betreiben von Wohnheimen und Mensen, weiterhin erfüllen zu können, müssen die Kosten von den Studierenden über stetig steigende Semesterbeiträge getragen werden. Gleichzeitig hat sich deren ökonomische Situation kaum verbessert.
Rückzug der Politik belastet Studierende finanziell
Stefan Kobilke, Geschäftsführer des Studentenwerks Osnabrück, beklagt: „Der Rückzug der Politik hat höhere Kosten für die Studierenden zur Folge, der Hochschulstandort Niedersachsen verliert dadurch seine Attraktivität. Unser Protest setzt sich nachhaltig für die Studierenden ein.“ Lydia Beckschäfer vom AstA schließt sich dem an: „Wir möchten eine erhebliche Entlastung der Studierenden. In immer mehr Fällen macht soziale Armut ein Studium unmöglich, dabei sollte jeder, unabhängig vom Einkommen der Eltern, studieren können. Andernfalls droht unserem Land ein Rückgang der Bildung.“ In der Mensa stießen die Proteste auf Unterstützung, wenngleich einige Hungrige über das karge Mittagsmahl murrten. „Das ist eine interessante Aktion, sowas gab es in meinen drei Jahren an der Uni noch nicht, den Protest in der Mensa bekommt jeder mit“ sagt die Studentin Jessica. Ihr Kommilitone Marcel äußert sich skeptischer: „Ich bin nicht sicher, ob es sinnvoll ist, den Protest auf alle in der Mensa zu übertragen. Aber grundsätzlich unterstütze ich die Aktion, es muss sich etwas ändern.“
Campen in der Kälte
Im Schlossinnenhof bauten Studierende am Dienstagabend das „Bildungsprotest-Camp“ auf, bei dem sie gegen das „Lernen am Limit“ protestierten. Zusätzlich gab es Workshops, Vorträge und einen Austausch über eigene Erfahrungen. Das Zelten in der herbstlichen Kälte ist dabei auch ein Symbol für den Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Auf einem Flugblatt beklagen die Studierenden neben der Wohnungsnot auch marode Räumlichkeiten, überfüllte Seminare, überlastete Dozenten und persönliche Geldprobleme. Die Aufnahme eines Studiums sei für viele nicht mehr der Start in einen spannenden und bereichernden Lebensabschnitt, sondern der Beginn einer Phase von Ungewissheit, Geldsorgen und existenziellen Ängsten. Um ihre Situation zu verbessern, haben die Demonstranten folgende Forderungen ausgearbeitet:
- BAföG als Vollzuschuss für alle
- Studium ohne Bildungs- und Studiengebühren
- Alter, Studiendauer, Herkunft und familiärer Hintergrund dürfen keine Rolle mehr spielen
- eine funktionierende Mietpreisbremse
- Ausbau und Sanierung von Wohnheimplätzen
- Unterstützung von alternativen Wohnkonzepten
- Enteignung von Leerstand und Spekulationsobjekten sowie mehr sozialen Wohnungsbau
- Gute Finanzierung von Forschung und Lehre
- Ausreichend Studienplätze für alle statt Elitenförderung für wenige
- Flächendeckend unbefristete Beschäftigungsverhältnisse an allen Hochschulen
“Schluss mit Lernen am Limit!”
Die zentrale Forderung des Camps lauten: „Schluss mit Lernen am Limit: Her mit Wohnraum, BAföG für alle und Geld für Bildung!“ Birte studiert Cognitive Science an der Universität Osnabrück und hebt die Notwendigkeit des Protestes hervor: „Wir wollen die anderen Studierenden und die Politik auf unsere Unzufriedenheit aufmerksam machen. Wir kritisieren Wohnungsnot und prekäre Studienbedingungen. Das BAföG übt erheblichen ökonomischen Druck auf die Studierenden aus, da es die Regelstudienzeit voraussetzt, die aber in vielen Fällen nicht realistisch ist, auch weil man überfüllte Seminare oft nicht belegen kann. Studentische Wohnungsnot ist ebenfalls ein großes Problem. Vergangenes Jahr haben nur die Hälfte der Bewerber einen Platz im Studentenwohnheim bekommen.“