„Hätte, hätte…“ oder „was wäre wenn“… „Hätte“ der Landkreis Osnabrück eine seit Januar 2008 von der zuständigen EU-Kommission in Brüssel erlassenen bürokratischen Arbeitsauftrag zeitnah abgearbeitet, dann „wären“ die Hürden für das in direkter Nachbarschaft zum Ufer der Düte geplante Baugebiet in Hellern deutlich höher, das geht aus der Beantwortung einer Anfrage durch die Stadtverwaltung hervor.
So allerdings kommen die Mitglieder des Stadtrats darum herum unter den Augen der Öffentlichkeit förmlich darüber abzustimmen, ob ihnen die Belange eines ausgewiesenen Natur- und Landschaftsschutzgebietes weniger wichtig sind als der Neubau von Wohnungen.
Aus der schriftlichen Beantwortung einer Frage aus einem umfangreichen Fragenkatalog der Anliegergemeinschaft, den Stadtbaurat Frank Otte im Vorfeld der Informationsveranstaltung am Mittwoch erhielt, gehen interessante Einblicke in das zähe Wirken der Verwaltung hervor und wie die Bummelei des Landkreises den Osnabrücker Stadtrat vor einer unangenehmen Debatte bewahrt.
Die Antwort der Verwaltung, auf die sich unsere Redaktion bezieht, lag bei der Bürgerinformation in der Grundschule in Hellern an diesem Mittwoch aus und liegt unserer Redaktion vor.
Schutzwürdigkeit des Düteufers bereits 2005 offiziell festgestellt
Zu den zahlreichen Ungereimtheiten rund um das potentielle Baugebiet in Hellern gehört, dass das Flüsschen Düte seit mehr als 10 Jahren als Natur- oder Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen werden soll. Nach Angaben der Anlieger wurde dieser Prozess sogar bereits vor 15 Jahren angestoßen.
Von Seiten der Osnabrücker Stadtverwaltung wird bestätigt, dass die Düte mit ihren Nebenflüssen bereits im Januar 2005 von der Bundesrepublik als FFH-Gebiet an die zuständige Kommission in Brüssel gemeldet wurde.
FFH-Gebiete sind spezielle europäische Schutzgebiete in Natur- und Landschaftsschutz, die dem Schutz von Pflanzen (Flora), Tieren (Fauna) und Lebensraumtypen (Habitaten) dienen, die in mehreren Anhängen zur FFH-Richtlinie aufgelistet sind und ein Teil des länderübergreifenden Natura-2000-Netzwerkes sind.
EU bearbeitete Meldung zum FFH-Schutzgebiet relativ fix
Nach der Meldung nach Brüssel vor 13 Jahren ging es in der EU-Bürokratie verhältnismäßig schnell, doch vor Ort in Osnabrück passierte danach offenbar erstmal nichts – bis heute.
„Bei dem Gebiet „Düte (mit Nebenbächen) blieb die Schutzerklärung bisher aus“, so die Antwort der Stadtverwaltung an die Helleraner Bürger. Allerdings ist es nicht so, dass das Versäumnis bei der Osnabrücker Stadtverwaltung zu suchen ist – obwohl die Düte zu weiten Teilen im Stadtgebiet fließt.
Zuständig für die Bearbeitung der im November 2007 von der EU-Kommission bestätigten und im Januar 2008 im Amtsblatt der Europäischen Union unter dem Aktenzeichen „L12/461“ veröffentlichten „Bestätigung der gemeinschaftlichen Bedeutung“ der Düte als FF-Schutzgebiet ist der Landkreis Osnabrück.
Mehr als 10 Jahre gingen ins Land, Verwaltungsmitarbeiter wurden versetzt, gingen in den Ruhestand, der Landrat wechselte… nichts passierte! Und dann wurden in Osnabrück die Wohnungen knapp und ein Acker am Düteufer geriet ins Visier der Planer.
Landkreis Osnabrück nach 10 Jahren immer noch in Bearbeitung der EU-Vorgabe
Nach den am Mittwoch veröffentlichten Angaben der Stadtverwaltung Osnabrück wird im Kreishaus in Nahne derzeit nun aber doch eine entsprechende Verordnung ausgearbeitet – während bei der Stadtverwaltung Osnabrück im Dominikanerkloster bereits daran getüftelt wird, wie denn die Gestaltung der Neubauten aussehen könnte (bis zu dreigeschossig und mit Flachdächern).
Ein kurioses Kopf-an-Kopf Rennen der Bürokratie : Die einen Verwaltungsmitarbeiter mit dem von der EU vor mehr als 10 Jahren deutlich formulierten Auftrag die Natur zu schützen – die anderen Verwaltungsmitarbeiter mit der vom Stadtrat formulierten Vorgabe neuen Wohnraum zu schaffen, auch um den Preis zusätzlicher Versiegelung von Flächen, ausgerechnet in einem Überschwemmungsgebiet.
Doch selbst wenn die Landkreismitarbeiter wider erwarten doch noch zu einem Arbeitsergebnis gelangen sollten, oder es (rein hypothetisch) in den mehr als 10 Jahren, die sie dafür Zeit hatten, schon geschafft hätten, wäre dies noch nicht das Aus für die unter Verantwortung des grünen Stadtbaurats vorangetriebenen Neubaupläne am Kampweg.
Die Stadtverwaltung erläutert, dass das Planungsgebiet Kampweg selbst nicht im FFH-Gebiet liegt und auch nicht unmittelbar daran grenzt. „Der kleinste Abstand zum Gebiet beträgt ca. 180m“. Unabhängig wie schnell die Kollegen aus dem Kreishaus die seit 2008 vorliegenden Arbeitsauftrag doch noch erledigen, ist auch schon heute eine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchzuführen. Diese Verträglichkeitsprüfung, auch das wird von den Gegnern des Neubaugebiets immer wieder kritisiert, wird zu zusätzlichen Gutachterkosten führen, obwohl vieles – wie das Hochwasserereignis von 2010 und eben hier die Nähe zu einem (wenn auch noch nicht offiziell ausgewiesenen) FFH-Schutzgebiet – auf der Hand liegt.
Wenn aber der Landkreis doch ein klein wenig schneller die Ausweisung des Düteufers zum Natur- oder Landschaftsschutzgebiet vorgenommen hätte, auch das erklärt die Stadtverwaltung den Anliegern, sähe die Lage doch anders aus: „Würde zum heutigen Zeitpunkt ein entsprechendes Schutzgebiet Bestand haben, würde eine Bauflächenentwicklung hier dem Schutzzweck entgegenstehen. Im Vergleich zu Ist-Situation käme dem Landschaftsschutz rechtlich gesehen somit ein höheres Gewicht im Rahmen der Abwägung mit dem öffentlichen Belang der Bauflächenentwicklung zu“, so die Formulierung der Stadtverwaltung.
Bürokraten-Bummelei erspart Ratsmitgliedern peinliche Abstimmung
Allerdings wäre auch eine erfolgreiche Ausweisung als Landschafts- oder Naturschutzgebiet noch kein absoluter Hinderungsgrund für die Neubaupläne.
Dann allerdings hätte der Rat der Stadt nach öffentlicher Debatte und unter öffentlicher Kontrolle einen Beschluss zu treffen, dass er „unter Abwägung aller Belange“ (Formulierung der Stadtverwaltung) der Bauflächenentwicklung gegenüber dem Schutz von Natur und Landschaft den Vorrang gibt. So allerdings bewahrt das Schneckentempo des Landkreises die im Osnabrücker Rathaus regierende „Regenbogenkoalition“, an der auch die Grünen beteiligt sind, davor sich offen gegen die Belange des Naturschutzes zu stellen – auch wenn außer Frage steht, dass die Kreisverwaltung doch noch irgendwann der bereits 2005 als FFH-Gebiet gemeldeten Düte einen Schutzstatus zuerkennen wird – spätestens seit Januar 2008 liegt dem Landkreis Osnabrück der dazu nötige Arbeitsauftrag aus Brüssel vor.
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