“Eigentlich” waren sich alle im Stadtrat vertretenen Fraktionen darüber einig, dass das ehemalige Finanzamt Osnabrücker Land an der Hannoverschen Straße ideal wäre um nicht nur als kommunales Proberaumzentrum zu dienen, sondern auch um den Bürobedarf der Stadtverwaltung zu lindern.
Doch dann präsentierte der umstrittene Stadtbaurat Frank Otte eine Untersuchung, nach der das im Besitz des Landes Niedersachsen befindliche Gebäude massiv mit Schadstoffen, darunter Asbest, belastet sein soll. So sollten sich allein Schadstoffsanierungskosten in einer Größenordnung von mehr als 2,5 Millionen Euro belaufen, die auch bei einem Abriss anfallen würden.
Aber Frank Otte hatte auch gleich einen alternativen Standort parat, den der Verwaltungsvorstand im September zusammen mit den angeblich so hohen Kosten für die Altlasten im Fledder gleich mit präsentierte: Der alte Klostergarten am Wall könne gerodet werden und dort solle ein “Stadthaus 3” entstehen.
Grüne und CDU stellten Kosten für Sanierung nicht in Frage
Mit den Stimmen seiner Parteifreunde, den Osnabrücker Grünen, sowie der CDU Ratsfraktion, entschieden sich die Kommunalpolitiker im Rathaus nicht etwa die erstaunlich hohen Kosten für die Altlastensanierung in Frage zu stellen und durch einen neutralen Gutachter prüfen zu lassen, sondern eine Bebauung des von zahlreichen großen Bäumen umstandenen Platzes ins Auge zu fassen – so wie von Otte gewünscht.
Allerdings konnte der Stadtbaurat einen “Grundsatzbeschluss” zur Bebauung des Klostergartens bislang ebenso wenig durchsetzen wie einen bereits von seiner Fachabteilung vorbereiteten Architektenwettbewerb, stattdessen regt sich Widerstand gegen die Bebauung der auch für das Stadtklima wichtigen Freifläche.
Investor zahlt mehr als vom Land erwartet für angebliches Asbest-Haus
In einer am Donnerstag veröffentlichen Presseerklärung zeigt sich die SPD–Fraktion enttäuscht über die Entwicklung an der Hannoverschen Straße: „Jetzt zeigt sich, dass das 4.000 m² große Grundstück mit einem viergeschossigen Verwaltungsbau gar nicht so unattraktiv ist, wie schwarz-grün mit Unterstützung der Verwaltung immer behauptete: wie aus einer Beratungsvorlage des Haushaltsausschusses des Niedersächsischen Landtags hervorgeht, hat ein privater Investor nun den Zuschlag zum Kauf dieser Liegenschaft für 1,2 Millionen Euro erhalten“, wissen Frank Henning (MdL), Vorsitzender der SPD-Ratsfraktion und Mitglied des Haushaltsausschusses des Landtags, sowie Heiko Panzer, stadtentwicklungspolitischer Sprecher, zu berichten.
SPD bezeichnet andere Parteien als “kurzsichtig”
„Die SPD-Fraktion hat sich immer für eine von der Stadt Osnabrück federführende Entwicklung dieses attraktiven Standorts eingesetzt, um vor Ort die städtische Verwaltung, Unterkünfte für Geflüchtete und kulturelle Projekte, wie z.B. eine neue Ansiedlung von Proberäumen für die Osnabrücker Musikszene, zu ermöglichen. Diese einzigartige Chance wurde verpasst und wir ärgern uns sehr über die Kurzsichtigkeit der anderen Parteien“, so Henning und Panzer weiter.
„Es ist dabei interessanterweise festzustellen, dass der Privatinvestor sogar bereit ist, trotz des unbestrittenen Sanierungsbedarfs des Gebäudes, 350.000 € mehr zu bezahlen, als der Bodenrichtwert beträgt. Hintergrund: die Stadt Osnabrück hätte das Gebäude mitsamt Grundstück zum Bodenrichtwert für 850.000 € vom Land Niedersachsen erwerben können. Der Privatinvestor erwirbt das Areal nun für 1,2 Mio. Euro. CDU und Grüne haben damit der Stadt Osnabrück einen Vermögensschaden von 350.000 Euro zugefügt. Wenn die CDU und Grüne weiterhin so leichtfertig mit Grundstücken auf dem Stadtgebiet umgehen, geben wir immer mehr die Stadtentwicklung aus den Händen und verlieren Einfluss und Gestaltungsmöglichkeiten in einem Bereich, der die Zukunft Osnabrücks bestimmt“, so Henning und Panzer abschließend.
Kommentar des Autors
Sorry Heiko Panzer, sorry Frank Henning. Die Kritik an den Grünen und der Union greift zu kurz bzw. trifft die Falschen. Auf den Fluren vor den Ausschuss- und Ratssitzungen war es mehr als deutlich zu hören, dass es ein Wunschprojekt der Verwaltung war “nicht” in den Fledder zu ziehen; ganz leise hörte man auch schon den Unterton, dass dies der Grund sei, weswegen plötzlich der Alternativstandort auf der Fläche des alten Klostergartens “entdeckt” wurde.
Ist die Annahme da so abwegig, dass bei der Berechnung der angeblichen Sanierungskosten für das alte Finanzamt “getrickst” wurde? CDU und Grüne mögen vielleicht blauäugig und vielleicht auch ein wenig dumm gewesen sein, wenn sie der entsprechenden Verwaltungsvorlage gefolgt sind. Den Schuldigen für dieses Debakel findet Ihr aber an dem Schreibtisch, an dem die Geschichte von dem angeblichen Asbest-Haus zusammengedichtet wurde und man zumindest ein “Worst Case Szenario” angenommen hat – bzw. annehmen wollte. Wer sich in der jüngeren Geschichte dieser Stadt auskennt, der weiß, dass es nicht jeder leitende Verwaltungsbeamte mit der Wahrheit so genau nimmt.
Wie lange soll der Bürger dafür noch die Zeche zahlen?