(mit Material von dts Nachrichtenagentur) Ministerpräsident Kretschmann beklagt zunehmenden Kulturkampf in der Politik.
Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) äußerte in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ seine Besorgnis über den wachsenden Kulturkampf in der politischen Auseinandersetzung. Er bezeichnete dies als eines der größten Probleme in der Politik. Kretschmann betonte, dass Fragen zur Gestaltung einer CO2-freien Wirtschaft und Lebensweise vor allem technischer Natur seien und nicht kulturell aufgeladen werden sollten. Er wies darauf hin, dass Elektroautos eine disruptive Entwicklung seien, auf die man reagieren müsse. Kretschmann kritisierte, dass viele Grüne weiterhin an ihrem „alten Feindbild“ festhalten würden und betonte, dass Fahrrad fahren und Schienen bauen allein nicht ausreichen würden, um das Klimaproblem des Individualverkehrs zu lösen. Er warnte davor, einen Kulturkampf gegen das Auto zu führen, da dies schädlich sei.
Kulturelle Aneignung und Cancel Culture
In Bezug auf die Diskussion über kulturelle Aneignung und Cancel Culture äußerte sich Kretschmann dahingehend, dass die Geschichte der Menschheit ein fortlaufender Prozess der kulturellen Aneignung sei. Er verwies auf Beispiele wie die Übernahme der Skulpturenkultur durch die Römer von den Griechen und seine eigene Prägung durch den Jazz, den afrikanischstämmige Amerikaner in den USA für Trauerfeiern erfunden hätten. Kretschmann betonte, dass es völlig in Ordnung sei, dass Menschen aus verschiedenen Kulturen sich gegenseitig beeinflussen und neue Dinge schaffen. Er verwies auf den französischen Jazzpianisten Jacques Loussier, der Bach verjazzt habe, was ebenfalls als kulturelle Aneignung betrachtet werden könne. Kretschmann betonte, dass Kultur sich zwischen den Kulturen verflüssige und es daher abwegig sei, darin etwas Unerlaubtes zu sehen.