Mehr als drei Jahre benötigte die Stadt Osnabrück um sich mit einem Architekturbüro aus Berlin darüber zu einigen, wie die Oberfläche des Neumarkts gestaltet werden soll.
Inzwischen hat sich die Welt ordentlich gedreht. Der Neumarkt ist noch weiter verfallen und das Geld ist inzwischen knapper als je zuvor.
Droht Osnabrück an der scheinbar unlösbaren Aufgabe, den Problemplatz im Herzen der Stadt neu zu gestalten, zu zerbrechen?
Fast schon hatte ich vergessen, dass es einen schwebenden Konflikt mit einem Berliner Architekten und der Stadt Osnabrück gab. Der Planer hatte einen Gestaltungswettbewerb gewonnen, bei dem ihm nicht viel mehr einfiel, als den zentralen Platz der Innenstadt mit Beton vollzukübeln. Und die Stadt hatte sprichwörtlich in der letzten Minute festgestellt, dass ein ähnlicher Materialeinsatz am Rosenplatz gezeigt hatte, dass Beton vielleicht nicht das geeignete Material ist – zumindest, wenn es halten soll.
Ein Kommentar von Heiko Pohlmann
Osnabrücks Oberbürgermeisterin Katharina Pötter ist nicht zu beneiden, um die zahlreichen Baustellen, die sie von ihrem Amtsvorgänger „geerbt“ hat. Ganz weit oben auf der Liste: der Neumarkt.
Hier wurde unter Führung von SPD und Grünen fast ein Jahrzehnt lang versucht ein Shoppingcenter zu installieren, wo einst erst Hertie, dann Wöhrl und später ein Unternehmen mit dem seltsamen Namen „Ypso“ versucht hatten auf der „falschen Seite der Stadt“ und des Neumarkts erfolgreichen Einzelhandel zu betreiben.
Irgendwann sprang der Investor, dessen deutsche Niederlassung zwischenzeitlich verkauft worden war, ab und es wurde offenbar, dass die Osnabrücker Politik einer Seifenblase hinterher gejagt hatte. Es wäre Deutschlands letzter Shoppingcenter-Neubau gewesen, in einer Zeit, als allen Handelsexperten bereits klar war, dass die Zeiten des ungezügelten Verkaufsflächen-Wachstums längst vorbei waren.
Aus dieser Zeit stammen auch die Pläne den Neumarkt zu einem innerstädtischen Platz mit „Aufenthaltsqualität“ zu machen; möglichst ohne Individualverkehr aber mit mehr als 1.000 kreuzenden Stadtbussen täglich.
Viele „Randbedingungen“ dieser Pläne sind inzwischen Geschichte. Das zentrale Kaufhaus der Stadt, Galeria Kaufhof: Leerstand – wenn auch mit ambitionierten Plänen es irgendwie und irgendwann und möglichst hip wieder neu zu nutzen.
Vom Umbau der ehemaligen „Sportarena“ zu einem Hotel hört man derzeit nicht mehr viel, die seit Jahren leerstehende Ruine soll nun erstmal ein „Pop-Up-Quartier“ werden. Und der einst als Kaufhaus geplante und inzwischen zum Hotel umgeplante „Zauberwürfel“ zeigt leider auch nur zaghafte Baufortschritte – aber immerhin geht es dort voran. Anders als bei den „Johannishöfen„, die irgendwann einmal statt Shoppingcenter auf der Neustadt-Seite des Neumarkts entstehen sollen; hier gibt es bislang nur Entwürfe und Ankündigungen.
Wie teuer kommt uns der Neumarkt-Umbau?
Ursprünglich – das war vor drei Jahren – sollte die Umgestaltung des Neumarkts 13 Millionen Euro kosten. Das war aus heutiger Sicht zu einer völlig anderen Zeit. Inzwischen hat die Einrichtung der in letzter Minute wieder gestoppten Baustelle bereits einen ordentlichen Teil dieses Budgets gekostet.
Die Preise auf dem Bau sind in diesen drei Jahren massiv gestiegen – vermutlich weitaus mehr als die inzwischen angenommenen fast 10% Inflationsrate.
Es ist schon erstaunlich, wenn die Oberbürgermeisterin beim Pressetermin – anders als ihr Vorgänger – keine Angaben darüber macht, was denn der Spaß (also die Neumarkt-Umgestaltung) mittlerweile kosten soll.
Inzwischen, also in den vergangenen drei Jahren, hat der Stadtkämmerer rund 14 Millionen bei einer Bank, die einem australischen Schafzüchter gehörte, regelrecht verzockt.
Inzwischen hat ein Vorstand der Stadtwerke den Hut nehmen müssen, weil er sich ebenfalls mit einem zweistelligen Millionenbetrag verspekuliert hatte.
Und inzwischen – Corona und Ukraine-Folgen sei es geschuldet -, haben die privaten Haushalte der Stadt, die den Beton auf dem Neumarkt schließlich (auch noch) bezahlen sollen, mehr als 80 Millionen Euro an Kaufkraft verloren – und man braucht keine Glaskugel: Es wird nicht besser werden; zumindest auf Sicht.
Ein gewisser Jupp Schmitz, den diesseits des Rheins niemand zu kennen braucht, dichtete einst:
Wer soll das bezahlen?
Wer hat das bestellt? Wer hat so viel Pinkepinke? Wer hat so viel Geld?Diese Zeilen stammen allerdings aus dem Jahr 1949, in dem bekanntlich gerade erst die NS-Diktatur überwunden war und das Wirtschaftswunder vor der Tür stand.
Was derzeit vor unserer Tür steht, macht mir allerdings angst und bange. Und zu dem, was mir Angst macht, gehören auch die zwar mit schönen Zeichnungen und noch schöneren Worten angekündigten Baumaßnahmen rund um den nun bald für teures Geld zur Betonierung anstehenden Neumarkt.
Ich hoffe mal, dass die noch überhaupt nicht begonnenen Bauprojekte Johannishöfe, Sportarena und Kaufhof-Umbau nicht von ihren Bauherren auf unbestimmte Zeit verschoben werden.
Falls die privaten Investoren am Neumarkt jetzt kneifen sollten – was ich nur zu gut verstehen könnte –, dürfte eine ordentliche und einfache Neu-Asphaltierung des Neumarkts völlig ausreichen und wir können uns in irgendwann hoffentlich besseren Zeiten darüber Gedanken machen, was mit Osnabrücks Problemplatz passieren soll.
Ob Beton als Straßenbelag wirklich so toll ist, vor allem wenn die Angelegenheit mehr als 13 Millionen Euro aus der Steuerkasse kostet, da habe ich auch so meine Zweifel. Der völlig misslungene Rosenplatz – ob mit oder ohne Zerfallserscheinungen des Materials – sollte eigentlich Warnung und Mahnung genug sein; selbst wenn die Stadtkasse gut gefüllt wäre (was sie nicht ist).
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„Denken ist schwer, darum urteilen die meisten.“ (C. G Jung)
Bitte denken Sie mehr, Ihr Heiko Pohlmann.
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