Fridays for Future, die „Letzte Generation“ oder Extinction Rebellion (XR): Der Klimaprotest hat viele Gesichter. Einige Aktionen spalten die Gemüter weltweit. Zuletzt sorgte auch in Osnabrück ein gewaltfreier Protest von XR für Aufregung. Doch nach Ansicht von Redakteurin Tatjana Rykov sind sie damit noch lange keine „Extremisten“.
Ein Kommentar von Tatjana Rykov
Vor der vergangenen Ratssitzung am Dienstag (23. Mai) demonstrierten Unterstützerinnen und Unterstützer von Extinction Rebellion, Fridays for Future, Grüne Finger, Grüne Jugend, Solid sowie Rhythms of Resistance vor dem Rathaus und forderten eine schnellere Verkehrswende. Während der Sitzung stellte sich heraus, dass sich Mitglieder von Extinction Rebellion mit in die Zuschauerreihen gesetzt hatten – mittendrin standen sie auf, stellten sich vor den Stadtrat und trugen ihre Forderungen vor. Dass die beiden in einem HASEPOST-Artikel als „Extremisten“ bezeichnet wurden, stieß nicht nur in unserer Facebook und Instagram-Kommentarspalte auf Widerspruch, sondern regte auch redaktionsintern Diskussionen an.
Was ist ein „Extremist“?
Der Begriff „Extremismus“ ist nicht legal definiert. Das bedeutet, dass er nicht in einem Gesetz durch den Gesetzgeber beschrieben wird. Dennoch gibt es wissenschaftliche wie politische Definitionen des Begriffs, die im Kern übereinstimmen. Die Bundeszentrale für politische Bildung kennzeichnet Extremismus dadurch, „dass er den demokratischen Verfassungsstaat ablehnt oder ihn einschränken will.“ Das Bundesamt für Verfassungsschutz sieht im Extremismus eine extreme politische Gesinnung, in der „der demokratische Verfassungsstaat [und] die damit verbundenen Grundprinzipien unserer Verfassungsordnung beseitigt“ werden sollen. Der Begriff „Extremist“ ist hart – und in unserem Demokratieverständnis auch als abwertend zu verstehen.
Inwiefern lehnen die beiden Menschen, die während einer Ratssitzung ein Plakat hochhalten und ihre Forderungen vortragen, eine demokratische Verfassung ab? Inwiefern wollen sie die Verfassungsordnung beseitigt sehen? Natürlich kann bei der Aktion auch Kritik geäußert werden – ein Rederecht während der Ratssitzung hat nicht jeder und jede, sondern nur die Personen, die demokratisch in den Stadtrat gewählt wurden. Besucherinnen und Besucher dürfen nicht das Wort ergreifen.
Eingriff in das Rederecht ist keine Bedrohung für die Verfassung
Die verschiedenen Organisationen der Stadt haben schon unzählige Male demonstriert, protestiert und ihre Forderungen verdeutlicht. Häufig werden sie überhört und in die „links-grün-versiffte“ Ecke gedrängt. Haben die beiden Extionction Rebellion-Mitglieder gegen das Rederecht während der Ratssitzung verstoßen? Ja. Wurden sie dafür gehört? Auch ja. Und dass ein Eingriff in das Rederecht als schwerwiegender Eingriff in die demokratische Verfassung gelte, also als „extremistisch“, ist meiner Meinung nach schlichtweg übertrieben und rückt einen ganzen Verband in einen vermeintlich verfassungsschutzrelevanten Bereich. Die gewählte Protestform mag nicht jedem gefallen. Sie als „Extremismus“ oder ihre Motivationen als „Ideologie“ zu bezeichnen, ist dennoch zu hart. Nennt man umweltbewusstes Denken „Ideologie“, ist auch der fleischessende SUV-Fahrer nicht von ihr befreit. Wer nicht gehört wird, verschafft sich Gehör. Ob es in Facebook-Kommentaren stattfindet oder während einer Ratssitzung.
Die Klimakrise ist und bleibt real. Seit Jahren versuchen große Verbände wie Fridays for Future und in letzter Zeit vermehrt auch die „Letzte Generation“ darauf aufmerksam zu machen, dass die Zeit abläuft. Seit 50 Jahren warnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler davor, dass der Planet Erde an seine Grenzen kommt. Nur in der Politik scheint das bisher noch nicht angekommen zu sein. Und das ist auch der Grund dafür, warum die Proteste zunehmen und die Aktivistinnen und Aktivisten zu überspitzteren Methoden greifen.
Heiko Pohlmann, Herausgeber der HASEPOST und Verfasser des Artikels über die Störaktion im Rathaus, in dem der Begriff „Extremisten“ zu finden ist, hält in seinem Kommentar dagegen.
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