Der Klimaprotest hat viele Gesichter. Einige Aktionen spalten die Gemüter weltweit. In ihrem aktuellen Kommentar argumentiert Redakteurin Tatjana Rykov, warum Fridays for Future, die “Letzte Generation” oder Extinction Rebellion (XR) für sie keine “Extremisten” sind.
Heiko Pohlmann, der in einem Artikel über eine Stör-Aktion während einer Ratssitzung die Bezeichnung “Extremisten” verwendete, hält dagegen.
Ein Kommentar von Heiko Pohlmann
Es gibt viele gute Gründe für seine Ansichten und Ziele auf die Straße zu gehen, zum Beispiel um auf Missstände aufmerksam zu machen oder für einen Wandel zu demonstrieren. Deutschland hat ein sehr umfangreiches Demonstrationsrecht, das von angemeldeten Demonstrationen bis zu spontanen Zusammentreffen und Kundgebungen das Recht auf freie Meinungsäußerung auch im Rahmen von Versammlungen schützt. In Deutschland hat das Demonstrationsrecht mit Artikel 8 des Grundgesetzes sogar Verfassungsrang: „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“
Aber auch dieses Recht hat seine Grenzen, und die sind – ohne dass ich Jurist bin und das wohl abschließend auch nicht zu beurteilen vermag – in meinen Augen da gegeben, wo die Rechte anderer gestört werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese Rechte ebenfalls durch die Verfassung geschützt werden, wie zum Beispiel bei der kommunalen Selbstverwaltung. Demokratie an der lokalen Basis, die in Osnabrück regelmäßig in den Ratssitzungen im Ratssitzungssaal öffentlich (be)greif- und erlebbar ist.
Jede Bürgerin und jeder Bürger ist nicht nur eingeladen an den Ratssitzungen teilzunehmen, sondern darf sich auch in den Rat der Stadt wählen lassen um dort selbst Verantwortung zu übernehmen.
Wenn aber, wie bei der Ratssitzung am Dienstagabend geschehen, zwei junge Menschen in eine Ratssitzung stürmen, diese mit Lautsprecher stören und Pamphlete verlesen über Klimaschutz, globalen Süden und einen Stadtrat, der angeblich nicht genügend für die Verkehrswende unternehmen würde, dann ist das in meinen Augen ganz klar politischer Extremismus.
Und schaut man sich Extinction Rebellion einmal genauer an, dann findet man auch “extreme”Aussagen ihres Gründers Roger Hallam, der ganz offen erklärte Genozide wie der Holocaust seien “fast ein normales Ereignis“, hier zitierte durch die „Zeit”, oder “nur ein weiterer Scheiß in der Menschheitsgeschichte”. Und im „Spiegel“ findet sich die Aussage Hallams: “Der Klimawandel ist nur das Rohr, durch das das Gas in die Gaskammer fließt.” Wie kann man diesem Mann eigentlich folgen? Einfach nur distanzieren, wie es die deutsche Sektion von XR inzwischen getan hat, ist mir zu billig.
Unter dem Signet und Namen einer Bewegung, gegründet von einem Mann der offen und mehrfach den Holocaust verharmlost, spazieren also zwei junge Menschen in eine Versammlung demokratisch gewählter Volksvertreter und stören diese massiv.
Noch dazu stellen unsere beiden Osnabrücker “Extremisten” eine absurde Forderung nach mehr Engagement für die Verkehrswende in Osnabrück. Just fünf Minuten zuvor wurde dieses noch zu verbessernde Engagement als Tagesordnungspunkt ausführlich debattiert und einstimmig verabschiedet.
Statt den Saal zu stürmen, hätten die beiden jungen Menschen auch einfach im Vorfeld mal die Tagesordnung lesen und sich in den Ratssitzungssaal setzen können, dort gab es “Demokratie zum Miterleben” … bis die Sitzung mutwillig gestört und unterbrochen wurde.
Ja, so ein Verhalten halte ich für extrem und die Vertreter von Extinction Rebellion waren in diesem Augenblick für mich Extremisten – ein besseres Wort viel mir nicht ein und es fällt mir immer noch nicht ein.
Allerdings respektiere ich auch andere Ansichten innerhalb unserer Redaktion, wie sie Tatjana Rykov in ihrem aktuellen Kommentar Wer sich Gehör verschafft, ist noch lange kein “Extremist” sehr lesenswert und gut argumentiert begründet.
Es gibt daher in der HASEPOST auch keine Anweisungen jetzt nicht mehr Aktivist zu schreiben, nur weil der “Chef” das anders sieht. Jeder Redakteur hat seine eigene “Handschrift”, die durchaus auch mal außerhalb eines (wie hier) gekennzeichneten Kommentars durchscheinen kann. Ich freue mich als Herausgeber sehr, dass wir in unserer Redaktion eine Pluralität unterschiedlicher Ansichten pflegen!
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Vielleicht kann ein Kommentar in der Hasepost dabei helfen, neue Gedanken zu denken oder bestehende An- und Einsichten nochmals zu überdenken, dann haben wir und unsere Autoren etwas richtig gemacht und ganz generell zum Denken angeregt.
„Denken ist schwer, darum urteilen die meisten.“ (C. G Jung)
Bitte denken Sie mehr, Ihr Heiko Pohlmann.
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