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Kommentar: Eine Parole entlarvt einen zentralen Denkfehler der AfD-Gegner

„Ganz Osna hasst die AfD“ war bei der Demonstration gegen einen Infostand der AfD am Samstagvormittag eine der am häufigsten skandierten Parolen. Doch statt damit den völlig legitimen Gegenprotest gegen die AfD zu stärken, zeigt diese Parole die Widersprüchlichkeit und Ignoranz auf, die viele Gegner der AfD eint.

Ein Kommentar von Heiko Pohlmann

So eindrucksvoll diese Worte im Chor klingen mögen, ihre Widersprüchlichkeit kann man nicht ignorieren – auch, weil sie ein Beispiel dafür ist, warum sich so viele Wählerinnen und Wähler inzwischen für eine Stimme für die AfD entscheiden.

Es ist völlig ignorant und offensichtlich falsch, eine derart absolute Aussage zu formulieren. Sie unterstreicht nicht nur eine krankhafte Ich-Bezogenheit vieler – „weil ich zusammen mit den Mitgliedern meiner Bubble etwas denke, muss der Rest es mir gleich tun“. Es ist auch eine typisch linke Überheblichkeit gegenüber der Meinung anderer: „Wir wissen besser, was gut für Dich ist, denn wir sind links – und wer rechts von uns steht [was aus der linken Perspektive auf ziemlich viele Menschen zutrifft], ist dumm, und dessen Meinung zählt nicht.“

Nun ist es wohl so, dass vielen Menschen die Politik herzlich egal ist. Die niedrigen Wahlbeteiligungen der vergangenen Jahrzehnte legen davon Zeugnis ab. Aber diese Menschen sind deswegen nicht dumm (und auch nicht „rechts“). Sie bekommen sehr wohl mit, dass sich einige Schreihälse mit gereckten Mittelfingern – oft hinter Masken und Bannern versteckt – anmaßen, für sie zu sprechen. Wen wundert es, dass die Reaktion darauf nicht etwa eine sachliche Auseinandersetzung mit den Zielen und Vertretern der AfD ist, sondern ein reflexartiges: „Wenn ich schon wähle, dann AfD.“ Die bei den letzten Landtagswahlen deutlich gestiegene Wahlbeteiligung – bei gleichzeitigem Wahlerfolg der AfD – legt Zeugnis von dieser Reaktion ab.

Auf Osnabrück bezogen ist die Aussage „Ganz Osna hasst die AfD“ aber auch schlichtweg falsch. Spätestens seit der Europawahl, bei der die AfD in gleich mehreren Wahlbezirken stärkste Kraft wurde, zeigt sich, wie sehr die AfD inzwischen als wählbare Alternative bei vielen Wählerinnen und Wählern angekommen ist.
„Der ganze Westerberg hasst die AfD“ mag angesichts der Wahlergebnisse zur Europawahl vielleicht noch stimmen; für Teile des Schinkels, Haste und Eversburg – ehemalige SPD-Hochburgen – stimmt das jedoch längst nicht mehr. Bittere Wahrheit: Auch in Osnabrück erzielt die AfD inzwischen zweistellige Wahlergebnisse, in einigen Stadtteilen wählte im vergangenen Sommer jeder Vierte die AfD. Ganz offensichtlich hassen nicht alle Osnabrückerinnen und Osnabrücker die AfD – ein bedeutender Teil wählt sie sogar.

Hinzu kommt die Frage nach der moralischen Konsistenz. Der AfD wird vorgeworfen, ihre Politik auf Hass und Spaltung aufzubauen. Doch wie glaubwürdig ist es, diesen vermeintlichen Hass mit einem pauschalen „Wir hassen euch zurück!“ zu begegnen? Hass, egal aus welcher Richtung, trägt selten zu einer sachlichen Auseinandersetzung bei. Stattdessen wird die ohnehin aufgeheizte Stimmung weiter polarisiert. Die Parole läuft Gefahr, genau das zu reproduzieren, was man der AfD vorwirft: eine Politik der emotionalen Eskalation.

Die Vertreter der AfD sind sich sehr bewusst, dass diese Form des Gegenprotests die beste Form der Wahlhilfe ist. Das Lächeln des AfD-Vertreters über den ausgestreckten Mittelfinger im Titelbild zu diesem Kommentar zeigt dies deutlich. Wie wäre es mal mit einer sachlichen Diskussion und Argumenten?

 


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„Denken ist schwer, darum urteilen die meisten.“ (C. G. Jung)
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Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann gründete die HASEPOST 2014, basierend auf dem unter dem Titel "I-love-OS" seit 2011 erschienenen Tumbler-Blog. Die Ursprungsidee reicht auf das bereits 1996 gestartete Projekt "Loewenpudel.de" zurück. Direkte Durchwahl per Telefon: 0541/385984-11

  

   

 

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