Ein Kommentar von Heiko Pohlmann
Nach dem tragischen Unfalltod einer Fahrradfahrerin, die Mittwochnachmittag am Berliner Platz unter den Anhänger eines Viehtransporters geriet und danach im Krankenhaus verstarb, müssen endlich die richtigen Fragen gestellt werden.
Um Antwort wird gebeten – nein besser noch: Es muss endlich gehandelt werden!
Guten Morgen Heiko Panzer! Gerne erinnere ich mich, wie Sie als verkehrspolitischer Sprecher der SPD vor der Kommunalwahl Autofahrern aus Belm oder Hellern, oder auch nur aus der Wüste oder dem Schinkel, die Autobahn empfahlen, statt wie gewohnt den direkten Weg über den Neumarkt.
Das dabei tausende Verkehrsteilnehmer täglich mehr als 5 Kilometer Umweg in Kauf nehmen müssen und sich der Schadstoffausstoß selbst bei modernen PKW nahezu verdoppelt (hier nachgerechnet), war nie ein Thema für Sie. Auch für die tausenden Anwohner entlang des Walls, habe ich kein Verständnis wahrgenommen, denn neben der Autobahn empfehlen Sie ja auch den Wallring als Ausweichstrecke.
Und an unseren grünen Stadtbaurat Frank Otte erinnere ich mich gerne, der im vergangenen Dezember kein Problem damit hatte, auf dem Neumarkt eine Baustelle zu erfinden und auch noch Chuzpe besaß, gegenüber dem Rechtsamt und dem Oberbürgermeister die Lüge Unwahrheit so lange aufrecht zu halten, bis sich der Handwerker Klute vor Gericht die Durchfahrt erfolgreich erstreiten konnte.
Wann empfehlen Sie dem Schwerlastverkehr alternative Routen?
Gegen die Autofahrer und für den gesperrten Neumarkt sind Sie alle sehr aktiv, Herr Panzer, Herr Otte und die vielen(?) anderen Anhänger der Neumarktsperrung.
Doch seien wir mal ehrlich, der “Kampf” gegen das Automobil in der Innenstadt hat viel mit den Interessen des zögerlichen Kaufhaus-Investors zu tun, wie SPD-Fraktionschef Frank Henning beim Heimatabend vor der Kommunalwahl unumwunden zugegeben hat – auch wenn er es kurz danach zu relativieren versuchte, was auf dem hier zu findenden Videoausschnitt nicht zu sehen ist.
Doch nun zu meiner eigentlichen Frage: “Was hat ein Viehtransporter in der Osnabrücker Innenstadt zu suchen?”
Diese Frage lässt sich ganz ähnlich zu den zahlreichen anderen tödlichen(!) Unfällen, bei denen in Osnabrück ein Radfahrer unter einen LKW geriet, stellen.
Mal war es ein Schüttgutkipper eines Bauunternehmens, mal ein im internationalen Fernverkehr fahrender Sattelzug – und immer lag ein Fahrradfahrer unter den Reifen und verstarb entweder am Unfallort oder kurz darauf im Krankenhaus.
Das lokale Radfahrer-Blog “It started with a fight” hat eine Karte erstellt, auf der alle im Verkehr getöteten Radfahrer seit 2000 aufgelistet sind.
Immer wieder lautet die Unfallbeschreibung: Radfahrer geriet unter abbiegenden LKW.
Aber schauen wir uns doch die Unfallorte und die Unfallfahrzeuge an:
- Ein Viehtransporter auf dem Berliner Platz – wo ist der Schlachthof, die Viehauktion oder der Bauernhof?
- Ein Bauschutt-LKW auf dem Johannistorwall – wo war da die Großbaustelle?
- Ein südeuropäischer Speditionslaster auf dem Rosenplatz – weit und breit kein Speditionshof in der Nähe! Pakete hat der sicher nicht ausgeliefert…
Vielleicht sind die oben genannten Unfallverursacher nur durch die Stadt gefahren um Mautgebühren oder ein paar Minuten Zeit zu sparen? Vielleicht hatten Sie auch tatsächlich ein Ziel oder einen Fahrtbeginn in Osnabrück? Auf direktem Weg zur Autobahn waren sie aber mit Sicherheit nicht!
Selbstverständlich gibt es gute Gründe auch mal mit einem schweren LKW in die Innenstadt zu fahren. Die Osnabrücker Viehauktionshalle ist zum Beispiel an der Bremer Straße und nicht in einem Gewerbegebiet. Und es gibt auch Baustellen in der Innenstadt und der Einzelhandel will mit Ware versorgt werden.
Warum sollen PKW-Fahrer Umwege machen, doch Sattelzüge kurven durch die Innenstadt?
Wenn ein Viehlaster zum Beispiel aus Ostwestfalen in die Osnabrücker Schlachthofstraße muss, dann kann er sein Ziel quer durch die Innenstadt, über den Wallring und den Berliner Platz erreichen. Fahrspurwechsel und Abbiegevorgänge zwischen Radfahrern und dichtem Autoverkehr inklusive. Oder er kann ein paar (mautpflichtige) Extrakilometer über die A33 fahren und nahezu auf direktem Weg die Bremer Straße nehmen – blöd nur, dass die inzwischen auch nicht mehr so gut ausgebaut ist wie noch vor wenigen Jahren.
Ein fast 20 Meter langer Lastzug, der dazu noch bis zu 40 Tonnen auf die Waage bringt, ist nicht für die Innenstadt gebaut worden, sondern für die Autobahn! Da helfen auch keine extra Spiegel und gut gemeinte Schilder, die den ohnehin schon unter Stress stehenden Fahrer an den Blick in diese zusätzlichen Spiegel erinnern sollen.Andernorts sind schwere LKW in der Innenstadt tabu
Supermärkte lassen sich auch mit kleineren 7,5 Tonnen LKW beliefern. In vielen italienischen Städten gibt es sogar Vorschriften, dass für den lokalen Lieferverkehr grundsätzlich am Stadtrand auf kleine Elektro-LKW (umweltfreundlich!) umgeladen werden muss.
Es ist nicht bekannt, dass die Warenversorgung der Italiener durch derartige Vorschriften nachhaltig gelitten hat.
In chinesischen Großstädten werden bei jeder Baugenehmigung harte Auflagen gemacht, wann und in welcher Quantität die notwendigen LKW-Fahrten zu erfolgen haben – auf keinem Fall innerhalb der Rush Hour.
Wenn unsere Lokalpolitiker schon gerne auf Beispiele im Ausland zurückgreifen – dann bitteschön: Erstmal Beispiele suchen, die helfen die tödlichen Gefahren des LKW-Verkehrs einzudämmen!
Und wenn wir schon bei kreativen Lösungen sind – wie wäre es einfach mal die Tragkraft gewisser Straßenabschnitte zu überprüfen lieber Herr Stadtbaurat? Ich bin mir sicher, wenn Sie wirklich wollen, können Sie was erfinden, um auswärtigen LKWs die Durchfahrt der Innenstadt unmöglich oder zumindest unattraktiv zu machen.
Auch wenn es zu Anfang schwerfallen sollte, dann geht es mal nicht gegen Ihre direkten Mitbürger. Tun Sie was für ihren eigentlichen Arbeitgeber: Die Menschen dieser Stadt!
Die Energie, die Sie bislang an den Tag gelegt haben um tausenden Osnabrückern und Landkreisbewohnern den Weg zur Arbeit oder zum Shopping zu erschweren, könnten Sie wirklich besser und sinnvoller dazu verwenden, um Mautprellern und Kostenoptimierern in den Speditionen einen Riegel vorzuschieben.
2017, das Jahr, in dem kein Radfahrer unter einem LKW stirbt, wäre das nicht ein Ziel?
Hier geht es um Menschenleben – nicht um den Kulturkampf Fahrrad gegen Automobil.
Wenn Sie es geschafft haben den potentiell tödlichen Schwerlastverkehr aus der Innenstadt zu verbannen – oder zumindest auf direkte Wege von der Autobahn zum innerstädtischen Zielort zu schicken – können Sie sich gerne wieder dem Kampf gegen den automobilen Normalbürger verschreiben.
Foto: Salim Virji, CC BY-SA 2.0