Gute 24 Stunden nach dem offiziellen „Aus“ für das Shoppingcenter am Neumarkt habe ich mir nochmals die Reaktionen der Parteien durchgelesen, und ich bin zu der Erkenntnis gekommen: „Liebe Lokalpolitiker, Ihr habt es echt nicht verstanden“!
Auch wenn ich es nicht anders erwartet habe, ich bin dennoch enttäuscht – und ich bin mir sicher: Ich bin damit nicht alleine!
Ein Kommentar von HASEPOST-Herausgeber Heiko Pohlmann.
Nein! Am Freitagvormittag wurde der Stadt keine „große Chance“ gegeben (Grüne), auch keine „neue Chance“ (CDU) eröffnet, und es ist nur schwer einzusehen, warum alles besser werden soll, wenn die Stadtverwaltung nun „zukünftig die Fäden in der Hand“ hat (SPD).
Der Ausblick in die Zukunft ist nicht positiv!
Nun kommen zu den bereits mehr als acht Jahren, in denen das Kachelgebäude „entmietet“ wurde (es gab ja zuvor durchaus noch ein paar Läden an der Ecke zur Johannisstraße) nochmals mindestens zwei bis drei Jahre – vermutlich sogar deutlich mehr – bis ein neuer Bebauungsplan steht und geklärt ist, was dort wie und vor allem von wem gebaut wird.
Der Blick in die Zukunft ist alles andere als positiv! Realistisch betrachtet kann es also durchaus noch mindestens fünf Jahre dauern, bis an Stelle der beiden Schrottimmobilien endlich eine sinnvolle Nutzung möglich ist. Am Ende blicken wir dann auf knapp zwei Jahrzehnte Stillstand am Neumarkt zurück – na bravo!
Betrachtet man die aktuellen Konjunkturschätzungen, wird die mögliche Fertigstellung in eine auch zyklisch erwartete Rezessionsphase fallen, in der Baugeld womöglich plötzlich sogar wieder richtig teuer sein wird – jedenfalls gemessen an den vergangenen und bereits verlorenen Jahren.
Wo soll das Geld herkommen?
Und wo bitte soll das Geld herkommen, wenn die SPD nun fordert „wir müssen die Grundstücke von Unibail Rodamco Westfield zurückkaufen“? Und die Grünen wollen ebenfalls das Füllhorn ausschütten und sehen es als „Riesenchance“ an, wenn die klamme Stadtverwaltung nun „selber die Initiative“ ergreift um „auf der Fläche Projekte zu entwickeln, die sich positiver auf die Innenstadtentwicklung auswirken, als es ein Einkaufscenter getan hätte“.
Wie bitte? Liebe Grüne? Projekte, „die sich positiver auf die Innenstadtentwicklung auswirken, als es ein Einkaufscenter getan hätte“.
Ja aber warum habt Ihr dann zwei Kommunalwahlkämpfe lang ausgerechnet dieses Shoppingcenter in den Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung gestellt und die fragile Zustimmung und äußerst knappe Mehrheit zu der kuriosen „Regenbogenkoalition“ ausgerechnet damit begründet, dass die Osnabrücker offensichtlich ein Shoppingcenter am Neumarkt wünschen und bräuchten?
Tatsächlich haben die Osnabrücker – wie alle Bundesbürger – Jahr um Jahr alles getan, was ein Shoppingcenter ad absurdum geführt hätte – was auch schon vor zehn Jahren absehbar war: Amazon & Zalando haben derartige Kaufhäuser längst obsolet gemacht.
Das OSKAR genannte Projekt am Neumarkt war Deutschlands letztes Shoppingcenter-Neubauprojekt überhaupt. Ihr habt Euch schlicht und einfach verzockt!
Theater, Güterbahnhof, Mobilitätswende… das Geld ist jetzt schon knapp!
Und nochmals zurück zum Geld: Mindestens 80 Millionen Euro soll die Renovierung des Theaters kosten. Zwar wird eine 2/3 Förderung durch Land, Bund und vielleicht sogar die EU angestrebt, doch dafür gibt es in der gesamten Bundesrepublik kein Präzedenzfall, dass jemals ein kommunales Theater so derartig umfangreich gefördert wurde. Hinter dem Hauptbahnhof wartet das Gelände des alten Güterbahnhofs darauf aus dem Dornröschenschlaf geweckt zu werden. Nachdem unter Federführung des Stadtbaurats ein Bebauungsplan erstellt wurde, der jegliche wirtschaftliche Nutzung der Fläche unmöglich macht, wird das Gelände irgendwann zurück auf den Markt kommen und die Verwaltung wird innerhalb 4 Wochen entscheiden müssen, ob sie von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch macht. Im Raum steht dafür ein hoher zweistelliger Millionenbetrag. Die Mobilitätswende will geschafft werden, am Rosenplatz und womöglich auch an anderen Stellen im Stadtgebiet sollen neue Nahverkehrsbahnhöfe entstehen. Es gibt Stimmen, die fordern den Neubau eines VfL-Stadions… und wie bereits gesagt: Die Konjunktur kann sich wieder eintrüben und die Zinsen könnten wieder steigen. Da wollt Ihr tatsächlich um die 30 Millionen in die Hand nehmen und zwei Schrottimmobilien am Neumarkt kaufen?
Erinnert sich eigentlich noch jemand an den Ringlokschuppen, den die Stadt vor ungefähr sechs Jahren für zwei Millionen Euro gekauft hat, ohne eine Idee zu haben, was sie damit machen könnte. Der Ringlokschuppen gammelt seither weiter vor sich hin – so ein Schicksal hat der Neumarkt nicht verdient!
Wo bleibt die Demut, wo bleiben die Entschuldigungen?
Was ich gestern von der Lokalpolitik erwartet hätte? Etwas Demut gegenüber dem Bürger, den Ihr zu vertreten vorgebt. Eine Entschuldigung wäre angebracht gewesen. Das Eingestehen des persönlichen Scheiterns und vielleicht sogar das Anerkennen, dass Ihr den Bürger über Jahre „hinter die Fichte geführt“ habt – eine Formulierung die Dr. Thomas Thiele von der FDP gerne im Stadtrat benutzt, wenn es mit der Ehrlichkeit einiger Ratsmitglieder mal nicht so bestellt war, wie man es eigentlich erwarten sollte.
Nicht die Verwaltung verhandelte einen schlechten Vertrag, sondern der „Regenbogen“
Und wo wir schon bei den Liberalen angekommen sind. Da wird Robert Seidler, Ratsherr der FDP, in einer Pressemitteilung mit den Worten zitiert: „Ursache der Misere ist, dass seinerzeit ein Vertrag zu Ungunsten der Stadt Osnabrück aufgesetzt worden ist, bei dem die Verantwortlichen der Stadt Osnabrück ihre Handlungsfähigkeit aufgegeben hatten. Personen, die sich für solche Aufgaben zur Wahl stellen, sollten vorher prüfen, ob sie dafür geeignet sind“.
Oberbürgermeister Wolfgang Griesert nutzte die Kommentarfunktion hier bei Facebook um daran zu erinnern, dass es die Politik war, und eben nicht die Verwaltung, die seinerzeit den Durchführungsvertrag mit dem Investor verhandelt hatte. Wenn hier jemand zurücktreten sollte, nach der Logik von Robert Seidler, wären es also die Lokalpolitiker, die damals den Vertrag unterzeichnet haben – in Unkenntnis, wie es damals abgelaufen ist, meinte Seidler aber wohl den OB.
Unten auf dieser Seite ist ein Ausschnitt aus dem seinerzeitigen Protokoll eingebunden, auf dem eindeutig belegt ist, dass es die Vertreter der „Regenbogenkoalition“ aus SPD, Grünen, FDP, Linkspartei und UWG/Piraten selbst waren, die den schlechten Vertrag mit dem Investor verhandelt hatten.
Ist es wirklich wichtig, wer zuerst eine Pressemitteilung verschickt hat?
Statt die Chance zu nutzen und offen und selbstkritisch eigenes Fehlverhalten einzugestehen, lamentieren die kleinen Parteien wie Linke, UWG und Piraten zusätzlich, dass sie nicht rechtzeitig von der Verwaltung vom Ende des Shoppingcenter-Projekt informiert wurden. Und die Grünen finden es wichtig auf ihrer Facebook-Präsenz herauszustreichen, dass sie als Erste eine Pressemitteilung in Umlauf gebracht hatten. Ja meint Ihr denn wirklich, dass solche Eitelkeiten hier irgendwen außerhalb der Parallelgesellschaft und Filterblase der Lokalpolitik interessieren?
In gut einer Woche, am 25. Juni, gibt es bei der letzten Ratssitzung vor der Sommerpause eine Chance die richtigen Worte zu finden, das eigene Scheitern in Worte zu fassen und den Bürger um Entschuldigung für dieses epische Versagen am Neumarkt zu bitten!
Last not least: Es ehrt die CDU, die zusammen mit dem Oberbürgermeister immer gegen das Shoppingcenter-Projekt gestimmt hat, dass sie sich versöhnlich gibt und in ihrem ersten Statement betont, die „Grabenkämpfe der Vergangenheit“ vergessen zu wollen; aber so leicht solltet Ihr diejenigen, die für den Verfall und den Stillstand am Neumarkt verantwortlich sind, nicht davonkommen lassen.