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Morgen-Kommentar: Mein dekadentes Leben im zügellosen Luxus …

In Zeiten des Corona

Seit ich es mit 13 Jahren zum ersten Mal gewagt hatte, meinen Lehrern entschieden zu widersprechen, wenn sie von alten Zeiten schwärmten, gelte ich als Angehöriger von Risikogruppen. Damals in den sechziger Jahren flog ich nach und nach von sämtlichen Osnabrücker Schulen, meine Lehrer nicht. Das wäre heute genau anders herum, und das ist gut so.
Es hat sich nämlich viel getan in den letzten Jahrzehnten. Vor allem viel Gutes. Wenn man weiß, wie es damals war, sogar unfassbar viel Gutes: Dieses Land ist durch und durch demokratisch und liebenswert geworden und ich bin heilfroh, das Glück zu haben, deutscher Staatsbürger zu sein, erst recht in Zeiten des Corona.

Stresstest für alle

Und nun steht nicht diese Demokratie, aber die Bevölkerung vor einem Stresstest. In den nächsten Tagen, Wochen und Monaten wird sich zeigen, wie wehrhaft die Bevölkerung ist. Die Menschen werden zwar eine physische Distanz zueinander entwickeln müssen, doch gleichzeitig werden sie immer mehr zusammenrücken, und zwar alle bis auf ein paar Ewiggestrige.
Zur Zeit haben sich nämlich insbesondere in den sozialen Medien die Klimaleugner der letzten Jahre auf Schnellkursen zu Virologen umschulen lassen, um ihre schwachsinnigen Verschwörungstheorien „von denen da oben“ zu verbreiten, Covid-19 mit einem Schnupfen gleichzusetzen und über das besonnene Handeln offizieller Regierungsstellen zu hetzen. Diese Hohlbirnen wissen in ihrem geistigen Mikrokosmos alles, wirklich alles besser. Sie scheitern damit zwar grandios und machen sich immer lächerlicher, doch Lügner und Populisten haben sich noch nie um die Wahrheit und das wirklich Machbare geschert.

TV-Glotzen rettet Leben

55 Jahre nach einer Prügelei mit meinem Lateinlehrer Balfanz – danach traute sich nie wieder ein Lehrer handgreiflich mir gegenüber zu werden – gehöre ich noch immer einer Risikogruppe an. Dieses Mal bin ich als 68-jähriger coronagefährdet und kann dennoch dabei behilflich sein, die Menschheit zu retten, indem ich den ganzen Tag zu Hause vor der Glotze abhänge.
TV-Gucken rettet Leben! Zumindest mein eigenes. Fürwahr eine merkwürdige Erkenntnis.

Hamstern aus Gründen der Vernunft

Nun wird immer wieder und überall gefordert, ich solle meine sozialen Kontakte auf das absolute Minimum reduzieren und bloß nicht Hamstern.
Diesen logischen Schiss muss mir mal jemand erklären.
Ich habe mich letzte Woche aus Gründen der Vernunft fürs Hamstern entschieden und muss zumindest die nächsten zwei Monate das Haus nicht mehr verlassen.
Was ist nun im Sinne der Gesundheit vernünftiger: Dreimal die Woche in den Supermarkt oder sonstwohin zu rennen oder acht Wochen lang gemütlich vor der Glotze abzuhängen und die sozialen Kontakte in Richtung Gefriertruhe herunterzufahren?
Nun gut, ich werde die Zeit nutzen, um die Wohnung auf Vordermann zu bringen, zwei Buchprojekte zu beenden, für die HASEPOST zu kolumnieren und mit meiner Tochter in Hamburg per Skype Gitarre zu spielen. Dinge, die ich ohne Corona wohl kaum so stringent durchziehen könnte.

Living on the Edge

Um auf die Zeit danach und auf die dann von mir herbeigesehnten Besucherströme vorbereitet zu sein, habe ich zudem eine alte Idee perfektioniert: In meinem unnachgiebigen Kampf gegen die Diskriminierung von Risiko- und Randgruppen wurde in meinem Badezimmer ein weiterer Meilenstein auf dem Weg in eine friedliche Koexistenz mit Rechtshänderinnen und Rechtshändern gesetzt.
Die Rolle im Vordergrund ist eindeutig für die Risikogruppe der Beidhänder oder Unentschlossenen.
Ich wünsche allen in diesen beschissenen Zeiten des Corona, mit etwas Humor und viel Vernunft zu agieren und vor allem niemals aufzugeben.

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Kalla Wefel
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