Sinnbildhafte Situation an der Hansastraße in Osnabrück / Foto: Schulte
Mit Schrecken habe ich die Wahlergebnisse der Landtagswahl in Niedersachsen verfolgt. 10,9 Prozent und damit rund 4,7 Prozentpunkte mehr als noch als vor fünf Jahren für die AfD. Aus der einstigen Randpartei ist mittlerweile eine feste politische Größe geworden, die FDP und Linke überholt, sich langsam an die Grünen heranpirscht. Diese Entwicklungen und Radikalisierungen machen mir Angst. Wo soll das noch hinführen?
Ein Kommentar von Jasmin Schulte
Eigentlich war die AfD in Niedersachsen fast schon zu vernachlässigen. 2017 schaffte sie zwar die 5 Prozent-Hürde, lag stimmtechnisch aber immer noch einige Prozentpunkte hinter FDP und Grüne. Doch wenn Beatrix von Storch nach der Wahl bereits twittert, dass sie das für ihre Partei „schwierige Pflaster“, den Nordwesten, quasi bezwungen haben, sollte das ein Weckruf sein. Mit den Worten „wenn wir hier gewinnen, gewinnen wir überall“ macht sie nicht nur klar, dass die AfD selbst noch viel Potenzial sieht, sondern auch dass sie in anderen Bundesländern bereits deutlich mehr Prozentpunkte einsammeln konnte. Das erschreckendste Beispiel: Sachsen. Hier holte die AfD 2019 als zweitstärkste Kraft 27,5 Prozent.
Fast das dreifache Ergebnis von dem in Niedersachsen. Steht uns das jetzt auch bevor? Wenn wir einem Bericht des NDR glauben schenken, dürfte die AfD zwar noch stärker werden, aber in überschaubarem Rahmen. Demokratieforscher Alexander Hensel spricht dort von einer Magnetwirkung. Die Sorge um Energiesicherheit, die Pandemie, steigende Preise: Die Menschen machen sich Sorgen. Und weil sie mit der aktuellen Politik nicht zufrieden sind, wandern sie ins Extreme. Doch sind wir so alternativlos?
Die AfD als Auffangbecken für Unzufriedene
Wir dürfen uns beschweren, ja. Wir dürfen auch kritisieren, denn es ist offensichtlich, dass die Regierung derzeit in weiten Teilen nicht gut regiert. Aber müssen wir dann – wie es Hensel darstellt – aus Protest eine undemokratische Partei wählen? Eindeutig nein.
Für mich persönlich wäre es ein viel größerer Protest, seine Stimme ungültig zu machen, wenn man derzeit nicht zufrieden ist. Denn stellen wir uns einmal vor, die 40 Prozent – eine unfassbar traurige Wahlbeteiligung übrigens – würden statt gar nicht wählen zu gehen, ihre Stimme ungültig machen. Was wäre das für ein Protest!
Kann Diskussion und Austausch helfen?
In den vergangenen Jahren und Monaten ist der Ton rauer geworden. Auf der Straße, aber vor allem im anonymen Internet, auf Social Media. Die Leute radikalisieren sich in ihren Echo-Kammern, tauschen sich ausschließlich mit Gleichgesinnten bei Telegram aus. Kein Wunder, dass sie dadurch bestärkt werden und gemeinsam „den richtigen Weg gehen“. Deshalb ist es auch der falsche Ansatz, diese Leute auszusperren. Denn das fehlt ihnen ja gerade: Gehör. Daher habe ich die leise Hoffnung, dass Menschen in Kommentarspalten sich mit anderen konstruktiv austauschen und so über ihr Scheuklappendenken hinauswachsen. Vielleicht ist das illusorisch, aber bevor wir Menschen einfach ausgrenzen, sollten wir ins Gespräch kommen. Denn wir wachsen durch Diskussionen, öffnen unseren Horizont und erhalten neue Impulse. Also kann Diskussion und Austausch helfen? Ich glaube ganz klar ja.
Ich würde mir wünschen, dass wir wieder mehr miteinander sprechen. Denn letztlich wollen wir doch alle eines: friedlich und erfüllt leben. Und das klappt nicht mit den Ideen und Perspektiven der AfD.
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