Nun wollen Sie nicht mehr nur politisch mitreden, sondern auch Verwaltung spielen. Die bunt zusammengewürfelten Regenbogenkoalitionäre wollen ab sofort dem dafür gewählten Oberbürgermeister die Kompetenzen rund um den Neumarkt abnehmen.
Meuterei auf einem Schiff, das nüchtern betrachtet seinem eigenen Untergang entgegen fährt. Ein Kommentar von Heiko Pohlmann.
Die Begründung für die erste entsprechende Maßnahme der Meuterer (unten auf dieser Seite) ist geradezu schon niedlich: Die Mitarbeiter des Rechtsamtes (allesamt gestandene Juristen) sollen vor innerlichen Konflikten „bewahrt“ werden.
Es gehört zu den besonderen und nur schwer vermittelbaren Spielregeln der niedersächsischen Kommunalverfassung, dass der Oberbürgermeister der Stadt Osnabrück – anders als in Landesparlamenten oder im Bundestag – nicht von der stärksten Partei oder Koalition gestellt und zur Wahl vorgeschlagen wird, sondern in einem eigenen Wahlgang direkt gewählt wird, der zudem zeitlich auch noch abgekoppelt ist von der Wahl des Stadtrates.
Meuterei der Wahlverlierer und Kleinstparteien
So kam es in den vergangenen Jahren dazu, dass die CDU, die in zwei aufeinanderfolgenden Perioden die Partei mit der weitaus stärksten Zustimmung in der Stadtbevölkerung war und ist, durch eine Koalition der kleineren und kleinsten Parteien regelmäßig überstimmt wird.
Angesichts der Disziplinlosigkeit, die manch eine Debatte seither prägt, nennt sich diese Gruppierung nicht etwa „Waldorf-Kindergarten“ (die, die ihren Namen tanzen können), sondern so herrlich bunt „Regenbogenkoalition“.
Erst noch unter dem der „Regenbogenkoalition“ zugeneigten OB Boris Pistorius (SPD), und nach dem deutlichen Sieg des CDU-Mannes Wolfgang Griesert, unter einem OB, der zwar Rückhalt in der zahlenmäßig stärksten Fraktion genießt, aber keine Mehrheiten findet, ist die Stadt Osnabrück seit Jahren faktisch zum Stillstand verdammt.
Alle wichtigen Projekte: Gescheitert
So manch eine Entscheidung der Regenbogenkoalition läßt sich nur mit einer kindlichen Trotzhaltung erklären. Egal ob es die finanziell vollkommen aus dem Ruder gelaufene Renovierung der Stadthalle war, der jahrelange Streit zwischen dem Stadtbaurat und den Eigentümern des Güterbahnhofs oder das blinde Festhalten an den Plänen für ein Shoppingcenter, an dem ganz offensichtlich nicht einmal der Investor erinnert werden will: In dieser Stadt wird seit Jahren kein Projekt zu einem ordentlichen Ende gebracht. Es wird entweder zum Millionengrab oder findet gar kein Ende. Am Neumarkt oder am Güterbahnhof stehen die Denkmäler der Regenbogenkoalition, die in der langsam zu Ende gehenden Niedrigzinsphase eigentlich zum Wohlergehen der Stadt hätten entwickelt werden sollen. Aber das ging ja nicht, weil sich der Grüne Stadtbaurat einerseits ein Scharmützel nach dem anderen mit den Eignern des Güterbahnhofs lieferte, andererseits der Stadtrat jede neue Terminverschiebung des Shoppingcenters kritiklos abnickte, denn es war ja „ihr Projekt“, und der Investor hatte ja auch mehrmals zu Kaffee und Kuchen eingeladen und den Regenbogenpolitikern erklärt, was für fähige Köpfe sie doch allesamt seien.
Wie ein Hohn muss das den Osnabrückern vorkommen, wenn nun SPD, Grüne und die Kleinstparteien gemeinsam auch Oberbürgermeister „spielen“ wollen.
Zur Erinnerung: Wolfgang Griesert wurde 2013 mit 55% in sein Amt gewählt und die CDU 2016 erreichte mit 37,59% in der Hasestadt ein Ergebnis, das selbst aktuell auf Bundesebene nicht als erreichbar gilt.
Doch was nützt all das, wenn an der Hase die kleinen Parteien alles tun um an der Macht zu bleiben und die wohl kurioseste große Koalition der Bundesrepublik zimmern?
Ein kurioses Kompetenzteam will OB spielen
Am Mittwochabend beschloss der nicht-öffentlich tagende Verwaltungsausschuss einen Antrag, mit dem sie nicht weniger erreicht werden soll, als das Votum der Oberbürgermeisterwahl von 2013 in Teilbereichen – wenn es um den Neumarkt geht – in die Hände einer pensionierten Gewerkschaftssekretärin (Giesela Brandes-Steggewentz, Linke), eines Finanzbeamten (Frank Henning, SPD), eines Hautarztes (Dr. Thomas Thiele), eines Verwaltungsmitarbeiters (Wulf-Siegmar Mierke, UWG) und eines Rentenberaters (Michael Hagedorn, Grüne) zu legen.
Diese „Glorreichen Fünf“ haben den Antrag für die „Übertragung von Zuständigkeiten“ unterzeichnet und wollen nun mit geballter Kompetenz den Oberbürgermeister vertreten. Wie bezeichnend, dass sie sich nichtmal getraut haben diese Meuterei in einer öffentlichen Sitzung zu wagen!
Worum es eigentlich geht? Die Neumarktsperrung!
Und einen weiteren Antrag schoben die Hobbypolitiker gleich hinterher. Nicht mehr die aus dem Steueraufkommen und dem städtischen Haushalt bezahlten Experten aus dem Rechtsamt sollen zukünftig die möglichen Klagen gegen die so sehnlichst erwartete Neumarktsperrung abschmettern. Dafür wünschen sich die Vertreter der teilweise nur mit ein oder zwei Sitzen im Rat der Stadt vertretenen Parteien einen „qualifiziertes Rechtsanwaltsbüro“. Begründet wird dieser Antrag mit einer erstaunlichen Fürsorgeabsicht, man wolle die Angehörigen des Rechtsamtes „davor bewahren, Rechtspositionen zu vertreten, die sie für falsch halten“. Ob die Osnabrückerinnen und Osnabrücker das alles noch so für richtig halten, darf bezweifelt werden.
Schon ist zu vernehmen, dass das Schauspiel, das da am Dienstagabend nicht-öffentlich aufgeführt wurde, rechtlich gar nicht haltbar ist. Und der Bund Osnabrücker Bürger will am Freitag zusätzlich den Beweis führen, dass das ganze Konstrukt der Neumarktsperrung juristisch zum Scheitern verurteilt ist – eine Pressekonferenz dazu ist bereits angekündigt.
Es bleibt spannend, und Zukunftsprojekte sind so auch weiterhin nicht zu erwarten; Neuwahlen allerdings auch nicht. Dazu kennen die Regenbogenkoalitionäre den Bundestrend wohl nur zu gut und werden auch sehr genau den Unmut der Bürger registrieren, der das alles nur noch mit Unverständnis verfolgt. Soweit wollen sie dann doch nicht gehen, oder?