Bevor sich jemand wegen dieser Überschrift aufregt oder sie aus dem Kontext reißt: Der Titel hätte genauso gut lauten können: „Bill Gates empfiehlt die SPD …“ oder „Jeff Bezos empfiehlt die FDP …“. Und auch das wäre „gut so“. Denn Meinungen äußern zu dürfen, noch dazu in der Presse, ist eine Grundfeste unserer Demokratie – auch und gerade, wenn einem die eine oder andere Meinung nicht gefällt, denn Demokratie lebt vom Widerstreit der Meinungen.
Wer erwartet, dass ich mich hier und jetzt auf die Seite von Elon Musk oder seiner Kritiker stelle oder gar meine Meinung zur AfD äußere, kann das Lesen an dieser Stelle enttäuscht abbrechen. Darum geht es mir hier nicht.
Ein Kommentar von Heiko Pohlmann
Der Chef u.a. von Tesla, einer der größten Arbeitgeber Deutschlands mit rund 12.000 Beschäftigten im Werk Brandenburg, wird von der Welt am Sonntag eingeladen, seine Meinung zu äußern. Elon Musk, enger Berater des zukünftigen US-Präsidenten, nutzt dafür schmale drei halbe Spalten einer Zeitung, um seine Einschätzung zu einer Partei zu geben, die nach aktuellen Umfragen bei den Wählerinnen und Wählern die zweithöchsten Zustimmungswerte hat. Ihre Spitzenkandidatin, Alice Weidel, führt zudem in einer aktuellen Umfrage zur Kanzlerpräferenz. Man kann sicher nicht behaupten, dass die AfD in der kommenden Bundestagswahl irrelevant ist.
Die letzte Bundestagswahl hat gezeigt, dass man aus so einer Ausgangsposition heraus auch eine Wahl deutlich gewinnen kann. Friedrich Merz sollte seine Gesichtszüge unter Kontrolle haben, falls ihm am Rande einer ernsten Veranstaltung mal jemand einen schlechten Witz erzählt.
Musk selbst kann in Deutschland nicht wählen, aber seine Meinung sei ihm gegönnt. Wir, das deutsche Wahlvolk, haben hingegen bis zum vorgezogenen Wahltermin am 23. Februar die Möglichkeit, uns eine eigene Meinung zu bilden – eine demokratische Pflicht, die wir ernst nehmen sollten.
Die letzte Bundestagswahl hat übrigens deutlich gezeigt, dass eine unreflektierte Wahlentscheidung, nur wegen eines an falscher Stelle gezeigten Lächelns, nicht unbedingt zu guten Ergebnissen führt und unser Land massiv schädigen kann. Deswegen bekommen wir ja nun vorgezogene Neuwahlen, denn die Ampel hat Deutschland faktisch an den Rand des Abgrunds geführt, egal ob es um die Wirtschaft, Energiepolitik, die Schuldenpolitik der Ampel oder die innere Sicherheit geht.
Wir dürfen am 23. Februar darüber entscheiden, ob wir ein „weiter so“ oder Reformen und ein Zurück zu den Werten und Tugenden der alten Bundesrepublik wollen. Wie weit dieses „zurück“ dann geht, also wie viel ‚Habeck‘, ‚Scholz‘ oder auch ‚Merkel‘ (jetzt in der Geschmacksrichtung ‚Merz‘) darin stecken wird – oder auch ‚Weidel‘ –, kann allein der Wähler oder die Wählerin bestimmen – nicht Elon Musk.
Direkt neben Musks viel kritisiertem Kommentar fand sich in der Welt am Sonntag übrigens eine Replik von Jan Philipp Burghard, dem neuen Chefredakteur der WELT-Gruppe. Interessant, dass dies bei all der Kritk an Musks Kommentar immer gerne verschwiegen wird. Mit dem Schlusswort „Auch ein Genie kann sich irren“ warnt der zukünftige Welt-Chef ausdrücklich vor einer Wahl der AfD. Diese übrigens sehr gut fundierte und lesbare Gegenstimme verdeutlicht, wie Meinungsvielfalt in der Praxis aussehen kann.
Ich wünsche mir, dass auch andere Tages- und Wochenzeitungen einen ähnlich offenen Meinungsaustausch fördern würden – zum Beispiel die Titel der Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft mbH (ddvg), der Medienholding der SPD. Viel zu wenig bekannt ist, dass diese sozialdemokratische Holding u.a. zu 100 Prozent Eigentümer des Zeitungsverlags Neue Westfälische in Bielefeld ist. Über verschachtelte Beteiligungen hält sie u.a. eine Sperrminorität an den Zeitungen NP und HAZ in Hannover sowie Anteile an Radiosendern wie ffn und Antenne Niedersachsen. Vielleicht in Zukunft einmal daran denken, wenn man Radio hört oder Nachrichten, die sich auf das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) beziehen – da ist überall auch SPD mit drin!
Und wie war das beim Spiegel? Der Spiegel-Gründer Rudolf Augstein nannte das Magazin einst das „Sturmgeschütz der Demokratie“. Er selbst war zeitweise FDP-Abgeordneter im Bundestag und sah darin keinen Widerspruch. Jüngst hat der Spiegel über die Stiftung von Bill Gates, einem Unterstützer der US-Demokraten, mehr als 5,4 Millionen Euro erhalten. Jeff Bezos, Gründer von Amazon, besitzt mit der Washington Post gleich eine ganze Zeitung. Und wussten Sie schon? Einer der größten Einzelaktionäre der New York Times ist das Finanzunternehmen BlackRock. Und Luisa Neubauer, Millionenerbin des Reemtsma-Konzerns, tingelte noch vor ein paar Wochen durch die USA um dort Haustürwahlkampf für Kamala Harris zu machen
Was sind bei soviel Parteipresse der SPD und so viel politischem Aktionismus anderer Superreicher schon drei halbe Spalten Meinung in einer deutschen Zeitung?
Kritikern, die auf Musks Aktivitäten bei Twitter verweisen (jetzt als „X“ erfolgreicher denn je), sei gesagt: Ihm gehört nicht alles, „Sie haben doch die Wahl“! Plattformen wie u.a. Mastodon, BlueSky oder Threads stehen für alternative Meinungen und Filterblasen weit offen.
Wenn Musk Deutschland „am Rande des kulturellen und wirtschaftlichen Zusammenbruchs“ sieht und glaubt, dass die AfD das verhindern kann, dann ist das seine Meinung. Übrigens: Anders als „Schraubenkönig“ Reinhold Würth, der 25.000 Beschäftigten in einem Brief explizit davon abriet, die AfD zu wählen, hat Musk niemandem konkret eine Wahlempfehlung gegeben – schon gar nicht seinen abhängig Beschäftigten. Das macht ihn in meinen Augen zu einem überzeugenderen Demokraten als manche Kritiker.
Niemand ist gezwungen, eine bestimmte Meinung zu lesen, weder die von Elon Musk, die vom zukünftigen Welt-Chef oder von mir – doch Sie, geschätzte Leserin und Leser, haben es bis hierher geschafft (Danke dafür!). Demokratie bedeutet, unterschiedliche Meinungen auszuhalten.
Den lesenswerten und vielfach kritisierten Beitrag von Elon Musk und die ebenso lesenswerte Erwiderung von Jan Philipp Burghard finden Sie leider nur hinter einer Paywall.
[Gruß vom Herausgeber] Liebe Leserin, lieber Leser, schön, dass Sie bis zum Ende durchgehalten haben. Meinungsbeiträge spiegeln immer nur die Ansichten des jeweiligen Autors wider – nicht die der gesamten Redaktion. Mein Anliegen – und das unserer Redaktion – ist es, in gekennzeichneten Meinungsbeiträgen wie diesem Denkanstöße zu geben. Ob Sie zustimmen, ablehnen oder irgendwo dazwischenstehen: Wenn ein Kommentar neue Perspektiven eröffnet oder auch nur zum Nachdenken anregt, haben wir unsere Aufgabe erfüllt.
„Denken ist schwer, darum urteilen die meisten.“ (C. G. Jung)
Bitte denken Sie mehr. Ihr Heiko Pohlmann
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