Es fällt schwer, keine Sympathien für Manuel Gava zu haben – sofern man nicht zur Nomenklatura der Osnabrücker Sozialdemokratie gehört, die eine bösartige Kampagne gegen den jungen Bundestagsabgeordneten gefahren hat.
Wie sehr muss es die Osnabrücker Genossen gequält haben, dass ausgerechnet ein junger “Nobody” es bei der vergangenen Bundestagswahl geschafft hatte, dem konservativen Lokalhelden Mathias Middelberg (CDU) den Wahlkreis abzunehmen. Doch die Retourkutsche der SPD-Bonzen ließ keine ganze Legislaturperiode auf sich warten und war am Ende auch erfolgreich. Manuel Gava verzichtet auf eine erneute Kandidatur für den Bundestag.
Ein Kommentar von Heiko Pohlmann
Wer hätte damit rechnen können, dass sich angesichts eines an der falschen Stelle lächelnden und ohnehin medial kaum vermittelbaren Unions-Kandidaten Armin Laschet im Spätsommer 2021 die Stimmung pünktlich zum Wahltag so sehr zugunsten der SPD wenden würde? Natürlich waren das glückliche Umstände für Manuel Gava, die dem Selfmademan (vom Hauptschulabschluss bis zum Vertriebsleiter-Posten) das Ticket nach Berlin in die Hand legten.
Was danach – vor allem in den vergangenen Wochen – passierte, bietet allerdings Stoff für einen ganzen Roman darüber, wie hässlich Politik sein kann. Gavas Ding war es wohl nicht, bei jeder linken Folklore mit einer roten Fahne voranzumarschieren und den Klassenkampf zu propagieren. Anders als einige bekanntere Osnabrücker Genossen, die nichts dabei finden, nach einer Parteiveranstaltung, bei der mal wieder der Sozialismus eingefordert wurde, in einen Oldtimer aus der gut bestückten Mercedes-Sammlung zu steigen. Manuel Gava ist auch nicht der Typ Sozialdemokrat, der zwar selbst einen hubraumstarken bayerischen SUV fährt, aber im Stadtrat das hohe Lied auf die Wolfsburger Elektromobilität und die Verkehrswende singt. Gava zog sein Ding durch. Kritisierte in Berlin auch mal Kanzler Scholz und machte keinen großartigen Aufriss darum, dass er sich zuletzt noch für den Verbotsantrag der AfD engagierte – weil er es so richtig fand, nicht weil es die Parteilinie vorgab. Beruflich hatte Gava es bereits außerhalb der Politik zu etwas gebracht und sich bewiesen – er musste aus seinem Selbstverständnis heraus auch deswegen nicht jedes Abstimmungsverhalten in Berlin in Newslettern, auf Parteiversammlungen und in Social Media Postings breittreten. Vielleicht ist das größte Manko von Gava: Im Amt um Aufmerksamkeit zu betteln, war und ist nicht sein Ding.
Ganz offensichtlich passte Gava auch deshalb nicht in die gehobeneren Kreise der Osnabrücker Sozialdemokratie. Aufstieg gilt dort nur, wenn er über zweite Bildungswege, gewerkschaftseigene Bildungswerke und am besten noch von Parteiposten zu Parteiposten geschieht. Aufstieg durch Talent und Leistung sowie ein anständiger Lebenslauf? Ach ja, der Manuel …
Seit dem Sommer soll hinter den rotlackierten Kulissen hektisch nach einem Nachfolger für den Wahlkreis 39 gesucht worden sein. Einzige Voraussetzung: Der Kandidat sollte nicht Manuel Gava sein. Das Ergebnis ist bekannt: Die “Verschwörer”, allen voran Melora Felsch, bis vor wenigen Wochen noch zusammen mit Gava Co-Vorsitzende der Osnabrücker SPD, scheiterten mit ihrem “Putschversuch”.
Nun hat Manuel Gava mit Verweis auf seine angeschlagene Gesundheit die Reißleine gezogen. Wer sich auch nur ein wenig mit in Schüben verlaufenden Autoimmunkrankheiten auskennt, weiß um die verheerenden Auswirkungen von Stress. Und für diesen Stress haben in den vergangenen Wochen diejenigen gesorgt, die nichts unversucht ließen, um Manuel Gava zu diskreditieren, und oft nur schlecht getarnt nahezu alle und jeden, der in der Osnabrücker SPD in Frage kommen könnte, um eine Gegenkandidatur anfragten.
Natürlich macht das gewaltigen Stress, wenn man das aus Berlin mibekommt, was in Osnabrück gerade passiert.
Einen Wahlkampf, auch einen kurzen und heftigen, hätte Manuel Gava sicherlich durchstehen können. Dass er das sehr gelassen und sympathisch durchziehen kann, hat er vor seiner letzten Wahl bewiesen. Derart unter Feuer genommen, wie in den vergangenen Wochen und Monaten, war das nun aber nicht mehr möglich. Einige, die jetzt Krokodilstränen vergießen und gute Besserung, womöglich noch “mit sozialistischen Grüßen” wünschen, sollten sich die Frage stellen, was sie da angerichtet haben – menschlich und politisch, vor allem aber menschlich!
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