Es ist ein altbekanntes Problem: Wenn es um Digitalisierung geht, bleibt Deutschland weit zurück. Um das zu erkennen, muss man nur mal in niederländischen Städten wie Den Haag oder Amsterdam mit der Straßenbahn fahren – da braucht man nicht mal mehr zwingend ein Ticket, sondern kann beim Ein- und Ausstieg einfach eine Kredit- oder Debitkarte vor ein Lesegerät halten. Die gefahrenen Kilometer werden auf 50 Meter genau gemessen und im Anschluss abgerechnet.
Ein Kommentar von HASEPOST-Redaktionsleiter Dominik Lapp
In Deutschland hinken wir der Digitalisierung aber nicht etwa hinterher, weil wir die Technologie nicht hätten oder die Menschen sie nicht nutzen könnten, sondern weil wir uns an Pseudoargumente klammern, die längst überholt sind. Ein Paradebeispiel dafür lieferte jüngst der Müllabfuhrkalender des Landkreises Osnabrück. Ursprünglich wollte AWIGO diesen ab 2026 ausschließlich digital anbieten – per App, Webseite und sogar als druckbares PDF, wer ihn unbedingt an die Pinnwand oder den Kühlschrank hängen möchte. Nach massiver Kritik wird nun aber eine gedruckte Version auf Bestellung verfügbar sein. Und die Ewiggestrigen im Osnabrücker Land bejubeln es.
Digitalisierung ist kein Hexenwerk
Die Argumente der Kritiker? In den sozialen Medien liest man etwas wie: „Man muss Rücksicht auf ältere Menschen nehmen, die mit Technik nicht zurechtkommen.“ Diese Haltung ist nicht neu – das Argument „Wer denkt an die Alten?“ wird seit Jahrzehnten hervorgebracht, wenn es um digitale Veränderungen geht. Aber wie fundiert ist es wirklich?
Es gibt längst Angebote, die Menschen – jung wie alt – den Zugang zu digitalen Technologien erleichtern. Sogar an der Volkshochschule Osnabrück gibt es Kurse, die explizit älteren Menschen den Umgang mit Smartphones, Computern und dem Internet – sogar mit Social Media – nahebringen. Die vermeintlich technologieferne Generation ist gar nicht so technologiefern. Ausnahmen bestätigen die Regel. Und selbst wenn der Umgang mit Technik nicht selbstverständlich ist, gibt es in der Familie, in der Nachbarschaft oder im Freundeskreis Menschen, die unterstützen können. Wer also wirklich Hilfe braucht, kann sie bekommen. Vor allem, wenn es nur darum geht, einen Müllabfuhrkalender – wir sprechen hier über eine DIN-A4-Seite – auszudrucken.
Ein vermeintlicher Dienst am Menschen – ohne Nachhaltigkeit
Die Rückkehr zur gedruckten Version ist nicht nur ein Zeichen mangelnder Bereitschaft, den digitalen Weg konsequent zu gehen, sondern auch ein Rückschritt in Sachen Nachhaltigkeit. Warum sollten Tausende Kalender gedruckt und verschickt werden, wenn die meisten Haushalte mit einem digitalen Angebot klarkommen dürften? Das erinnert an gedruckte Telefonbücher, die schon lange keine Relevanz mehr haben und trotzdem weiterhin produziert werden – ein Paradebeispiel für Ressourcenverschwendung (sagt jemand wie ich, der seine kaufmännische Ausbildung ausgerechnet bei einem Telefonbuchverlag absolviert hat, bevor das Journalismus-Studium folgte).
Ein digitaler Kalender ist umweltfreundlicher und praktischer: Er kann jederzeit aktualisiert werden, reduziert Papiermüll und vermeidet die Kosten für Druck und Versand. Wer unbedingt eine gedruckte Variante benötigt, kann diese ausdrucken – zu Hause, im Büro, bei der Familie, Nachbarn oder im Copyshop. Es wäre eine Lösung für alle, ohne die Allgemeinheit mit unnötigem Papier zu belasten. Aber man entschied sich für einen Rückschritt zugunsten weniger.
Ein Schritt nach vorn, zwei zurück
Dass sich hierbei der kleinste gemeinsame Nenner durchsetzt, zeigt, warum Deutschland bei der Digitalisierung hinterherhinkt. Anstatt mutig voranzugehen, wird Rücksicht auf vermeintliche Schwächen genommen, die lösbar sind. Dabei wäre es gerade jetzt wichtig, einen klaren Kurs zu fahren: Digitalisierung muss selbstverständlich werden, und zwar für alle. Wenn wir wirklich eine nachhaltige Zukunft wollen, müssen wir aufhören, uns mit Pseudoargumenten selbst auszubremsen. Die digitale Welt ist keine Zumutung – sie ist eine Chance. Es wird Zeit, dass wir alle anfangen, sie zu nutzen.