HASEPOST
 
HASEPOST

Kommentar: Das riskante Spiel der Nancy Faeser mit der Pressefreiheit

Was bitte ist ‚Compact‘ und warum wurde dieses im rechten Spektrum angesiedelte Medium nie über das Presse- oder Strafrecht belangt, soll aber jetzt ausgerechnet über das Vereinsrecht verboten werden? Egal ob sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser mit ihrem Kampf gegen Compact durchsetzen kann oder nicht, die Folgen dürften schwerwiegend sein und könnten sich irgendwann auch einmal gegen die SPD-Parteizeitungen und andere linke Medien richten.

Ein Kommentar von Heiko Pohlmann

In den vergangenen 24 Stunden habe ich, und mit mir sicherlich ein nicht unbeträchtlicher Teil der Bundesbürger, einiges gelernt. Zum Beispiel, dass es ein Magazin namens ‚Compact‘ gibt (inzwischen „gab“) und dass der Herausgeber Jürgen Elsässer früher einmal ein typischer ‚Linker‘ war, mit Tätigkeiten unter anderem für das ehemalige SED-Parteiblatt ‚Neues Deutschland‘, ‚konkret‘ und ‚Junge Welt‘. Vor allem aber auch, dass sich Elsässer inzwischen auf die andere Seite des politischen Spektrums geschlagen hat und dort die in linksextremen Kreisen verbreiteten antisemitischen und antiamerikanischen Positionen weiter pflegt und verbreitet – nun aber verbunden mit Kritik an der aktuellen Regierung und gewürzt mit allerlei Kritik an der Pandemiepolitik während der Corona-Zeit.

Vor allem aber habe ich gelernt, wie kreativ unsere Bundesinnenministerin dabei war, das mit einer relativ überschaubaren Auflage (etwa 40.000 Exemplare) erscheinende Compact-Magazin vom Markt zu nehmen. Allein um das Verbotskonstrukt zu verstehen – besser nachzuvollziehen, denn zu verstehen ist es nur schwerlich – bedarf es einiges an Gedankenarbeit.
Nicht etwa die für die Einhaltung der Pressegesetze zuständigen Bundesländer, auch nicht die einschlägigen Paragraphen zum Jugendschutz, Hassrede oder Volksverhetzung wurden bemüht, sondern das Vereinsrecht.
Nun gut, auch Al Capone wurde bekanntlich durch die Steuerfahndung und nicht durch das extra zur Bekämpfung der Gangster-Kriminalität gegründete FBI gestoppt. Aber hier handelt es sich auch nicht um Alkoholschmuggel, sondern im Kern um ein Presseorgan – auch wenn einem die darin geäußerten Thesen und Themen gegen den auf links gebürsteten Strich gehen.

Warum also hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die durch einen Gastbeitrag in einem Magazin mit dem Namen ‚Antifa‘ bereits selbst hart an der Grenze des durch die Presse- und Meinungsfreiheit geschützten Spektrums aktiv war, den Weg über das Vereinsrecht gewählt?
Warum gibt es ganz offensichtlich keinen einzigen Fall, bei dem einzelne Artikel oder Ausgaben von Compact auf Basis des Presse- oder Strafrechts verboten oder indiziert wurden? Man weiß es nicht. Auch nicht, warum ausgerechnet der ARD-Mitarbeiter Georg Heil, Bruder von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), natürlich völlig zufällig vor Ort war, als Jürgen Elsässer von vermummten Polizisten während der Hausdurchsuchung auf die Straße geschickt wurde.

Das alles hat zumindest ein ‚Geschmäckle‘, wie man in Süddeutschland sagt. Vor allem aber spielt Nancy Faeser hier auf Risiko. Sollte sich das kuriose Konstrukt mit dem Verbot eines als Kapitalgesellschaft in Form einer GmbH geführten Presseverlags über das dafür nicht vorgesehene Vereinsrecht vor Gericht nicht halten lassen, dürften Compact und Jürgen Elsässer zumindest für die nahe Zukunft nur noch sehr schwer angreifbar sein.
Vor allem aber dürfte ein nach dem Verbot neu auf dem Markt erscheinendes ‚Compact 2.0 Magazin‘ über eine dann unglaublich hohe Bekanntheit weit über die bisherige Zielgruppe hinaus verfügen.

Was ideologisch begründete Verbotsforderungen in der Praxis bedeuten, zeigen die hohen Chartplatzierungen, die vor zwei Jahren der von einigen Zeitgenossen als sexistisch empfundene Partyhit „Layla“ (erfolgreichster Song des Jahres 2022) und in diesem Jahr der von ein paar wohlstandsverwahrlosten Sylt-Kids umgetextete („Döp dödi döp„) Song von Gigi D´Agostino.
Das Hamburger Magazin ‚Der Spiegel‘ hat ein von Franz-Josef Strauß – natürlich erfolglos – angestrengtes Verbotsverfahren aus den 60er Jahren bis in die Jetztzeit in die DNA des Mediums eingearbeitet und nutzt es noch heute zu Werbezwecken.
Es gilt, was in der Kindererziehung ein Standard ist: Was verboten ist, ist auch interessant.

Scheitert Nancy Faeser also mit ihrem Kampf gegen Compact, dürfte das einstige rechte Nischenprodukt zumindest kurzzeitig massive Reichweitenerfolge erzielen – so funktioniert die Aufmerksamkeitsökonomie.

Noch schlimmer könnte es aber kommen, wenn sich Nancy Faeser mit ihrem Umweg über das Vereinsrecht im Kampf gegen unliebsame Pressemedien tatsächlich durchsetzen sollte. Vermutlich existieren nicht nur bei X-Nutzern, die jetzt das Compact-Verbot feiern, Listen, welches Medium als nächstes abgeschossen werden soll. Es muss ja nicht gleich die BILD oder NZZ sein, aber warum nicht auch NIUS oder Apollo-News schließen?

Auf X (Twitter) kusieren bereits Verbotsfantasien, weit über 'Compact' hinaus
Auf X (Twitter) kusieren bereits Verbotsfantasien, weit über ‚Compact‘ hinaus / Screenshot X

Was aber, wenn die Geister, die Nancy Faeser jetzt rief, eines Tages von ‚den Falschen‘ heraufbeschworen werden?
So abwegig ist es angesichts aktueller Umfragewerte ja nicht, dass Grüne und SPD weiter ihren Weg in Richtung einstelliger Wahlergebnisse gehen, auf Landesebene womöglich sogar jenseits der 5-Prozent-Hürde.
Die SPD von Nancy Faeser ist über ihre Medienbeteiligungsgesellschaft ‚ddvg‘ einer der größten Verleger von Tageszeitungen. Nach dem Vorbild des Umwegs über das Vereinsrecht könnten zukünftige Bundesregierungen über das Parteienrecht gegen die SPD-Zeitungen vorgehen. Was ist mit der linksalternativen taz, die als Genossenschaft geführt wird? Eine Genossenschaft ist tatsächlich sogar ein Verein. Auch hier könnte ‚der Faeser-Hebel‘ in einer möglichen Zukunft von einer anderen und dann etwas rechteren Regierung angesetzt werden.

Es wäre besser gewesen, wenn Nancy Faeser beim für die Presse gedachten Presserecht oder bei den Paragraphen des Strafrechts gegen Hass und Volksverhetzung geblieben wäre. Leider zu spät… egal was jetzt kommen mag, ein Scheitern des Compact-Verbots oder eine Bestätigung: Die daraus resultierenden Folgen könnten böse sein.

 


[Gruß vom Herausgeber] Liebe Leserin, lieber Leser, schön, dass Sie es bis hier ganz unten geschafft haben. Ein paar Zeilen weiter finden Sie noch den obligatorischen Hinweis, dass gekennzeichnete Meinungsbeiträge stets ausschließlich die Meinung des Autors wiedergeben. Aber ich möchte diesem förmlichen Disclaimer noch etwas hinzufügen. Natürlich haben Sie, wie auch ich und jeder andere Leser, eine eigene Meinung. Vielleicht weicht Ihre Meinung fundamental von diesem oder einem anderen bei uns veröffentlichten Kommentar ab, vielleicht stimmen Sie aber auch vollkommen zu oder aber Ihre Meinung ist „irgendwo dazwischen“. Vielleicht kann ein Kommentar in der Hasepost dabei helfen, neue Gedanken zu denken oder bestehende An- und Einsichten nochmals zu überdenken, dann haben wir und unsere Autoren etwas richtig gemacht und ganz generell zum Denken angeregt.

„Denken ist schwer, darum urteilen die meisten.“ (C. G. Jung)
Bitte denken Sie mehr. Ihr Heiko Pohlmann


Als Kommentar, Kolumne, Meinungsbeitrag oder Satire gekennzeichnete Beiträge geben stets ausschließlich die Meinung des jeweiligen Autors wieder, nicht die der gesamten Redaktion.


Liebe Leserin und lieber Leser, an dieser Stelle zeigen wir Ihnen künftig regelmäßig unsere eigene Kommentarfunktion an. Sie wird zukünftig die Kommentarfunktion auf Facebook ersetzen und ermöglicht es auch Leserinnen und Lesern, die Facebook nicht nutzen, aktiv zu kommentieren. FÜr die Nutzung setzen wir ein Login mit einem Google-Account voraus.

Diese Kommentarfunktion befindet sich derzeit noch im Testbetrieb. Wir bitten um Verständnis, wenn zu Beginn noch nicht alles so läuft, wie es sollte.

 
Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann gründete die HASEPOST 2014, basierend auf dem unter dem Titel "I-love-OS" seit 2011 erschienenen Tumbler-Blog. Die Ursprungsidee reicht auf das bereits 1996 gestartete Projekt "Loewenpudel.de" zurück. Direkte Durchwahl per Telefon: 0541/385984-11

  

   

 

Diese Artikel gefallen Ihnen sicher auch ...Lesenswert!
Empfohlen von der Redaktion