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Kommentar: Das Osnabrücker Neumarkt-Desaster ist die Spätfolge „gekaufter“ Kommunalpolitik

Wie bitte, jetzt unterstellt „der Pohlmann“ auch noch der Osnabrücker Kommunalpolitik, dass sie käuflich sei? Nein, selbstverständlich nicht! Es wäre strafrechtlich relevant so etwas zu behaupten. Und es wäre natürlich illegal, wenn sich ein Ratsmitglied wirklich verkaufen würde.

Deswegen steht das „gekauft“ oben auch in Anführungszeichen. Niemand wurde „gekauft“ in dem Sinne, dass man ihm Geld für eine politische Handlung anbot – jedenfalls ist nichts davon öffentlich bekannt.

Ein Kommentar von Heiko Pohlmann.

Ich bin der Meinung, dass das ganze Desaster um eine mögliche Neumarktsperrung die Folge eines sehr sehr schlechten Deals ist.
Ein Deal, den einige „Feierabendpolitiker“ nur zu gerne „kaufen“ wollten. Sie haben sich freiwillig verkauft, wenn nicht sogar prostituiert. Sie sind Rattenfängern auf den Leim gegangen, denen es nie um einen Neumarkt mit „Aufenthaltsqualität“ ging, sondern um einen direkten Zugang in ihr Shoppingcenter.

Weil ursprünglich über das Shoppingcenter am Neumarkt ein bitterer Streit entbrannte, sieht Osnabrücks Mitte inzwischen aus wie Detroit, Gotham City oder Bukarest kurz nach 1989.
Eine fatale Entwicklung, die nun hoffentlich gestoppt wird, weil die Ratsmitglieder endlich bereit sind gemeinsam eine Strategie für das Herz der Stadt zu entwickeln.

Der Shoppingcenter-Investor und der Hütchenspieler

„Gekauft“ wurde ein Großteil der Ratsmitglieder durch die abstruse Idee von einem Shoppingcenter, die bereits Anfang der 2000er Jahre an Absurdität kaum zu toppen war. Die Osnabrücker Ratsmitglieder waren dabei nicht die einzigen „Opfer“, denn letztlich handelte es sich bei den zahlreichen Shoppingcenter-Projekten, die seit den 90er Jahren überall in Deutschland realisiert wurden, oftmals um eine legale Variante von organisiertem Trickbetrug.

Opfer wurden die Städte, die fortan mit den Folgen zusätzlicher Einzelhandelsflächen leben mussten – viel zu viel für gewachsene Strukturen. Immer mehr Einzelhandelsflächen in immer kleinere Städte, und das ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, als der Onlinehandel begann exponentiell zu wachsen.
Erst der Leerstand an den „alten“  Standorten, dann der Leerstand im Shoppingcenter.

Und Opfer waren und sind natürlich Sparer und Kleinanleger, denen man in allerlei Immobilienfonds eine fiktive Werthaltigkeit dieser Shoppingcenter vorgaukelte, die exakt nur so lange hielt, bis die ersten Mietverträge zur Neuverhandlung anstanden und in Folge das Elend mit den Leerständen begann.

Ausschnitt NOZ 03.09.2014
Einkaufscenter am Neumarkt: Investor lockte mit Arbeitsplätzen und versprach baldigen Abriss der alten Gebäude

Wer ein bisschen die Augen auf hat, erkennt nicht nur beim Hütchenspieler am Straßenrand, sondern auch bei überdimensionierten Bauprojekten, dass der eigentliche Gewinner immer der ist, der besonders lautstark versucht zu suggerieren, dass man ja nur gewinnen könne.
Wenn etwas zu gut klingt um wahr zu sein, kann es aber nicht gut sein!

Beim „Spiel“ mit den Einkaufszentren wurde gerne und immer wieder darauf verwiesen, dass „die anderen“, die bereits eine Mall hätten, ja alle so zufrieden seien.
Meist wurden dann gerade erst eröffnete Einkaufszentren präsentiert, wahlweise aber auch Prestige-Projekte in Istanbul, Hamburg oder Köln, die in keiner Weise einen Vergleich mit Osnabrück standhielten. Vertreter der politischen Parteien wurden – ähnlich wie bei Verkaufsveranstaltungen für Rentner – in Reisebusse gesetzt, um sich doch einmal die schöne neue Shoppingwelt anzuschauen. Man müsse doch nur ein paar Entscheidungen im Stadtrat treffen, dann könne es auch in Osnabrück so ein schönes Kaufhaus geben…
Und immer wieder versprach der Investor schon bald mit dem Abriss des alten Wöhrl- und Kachelgebäudes zu beginnen, ja wenn man für ihn im Gegenzug doch die Sperrung des Neumarkts ermöglichen würde.

Shoppingcenter werden zu Investitionsruinen

Inzwischen stellt der Einzelhandelsverband EHI fest, dass die Betreiber der im Boom der 90er und 2000er Jahre gebauten Shoppingcenter oft nicht einmal mehr bereit sind in eine „Revitalisierung“ ihrer zwischenzeitlich zu Investitionsruinen verkommenen Einkaufstempel zu investieren.

Nun gut, wir hatten Corona, das hat einiges beschleunigt. Aber bereits vor 20 Jahren, als erste Pläne für ein Einkaufszentrum in Osnabrück diskutiert wurden – damals sollte das Landgericht noch entsprechend umgebaut werden – war bereits deutlich zu erkennen, dass das Internet auf einem Siegeszug ist, der nicht mehr aufzuhalten ist.
Wer braucht noch Shoppingcenter, wenn Amazon, Zalando & Co direkt bis an die Haustüre liefern?

NOZ Abrissanzeige
Die tatsächlich vom Investor eingereichte Abrissanzeige hatte zwar Formfehler und war unwirksam, aber im Februar 2016 wollte die Regenbogenfraktion noch an einen baldigen Baubeginn glauben (Screenshot: noz.de).

Neumarktsperrung sollte Shoppingcenter-Investor glücklich machen

Realitäten aus dem Einzelhandel und von wachsenden Marktanteilen der Onlinehändler wollten die Vertreter der damaligen bunten Regenbogenkoalition, angeführt von den Grünen und der SPD, aber nicht hören.
Und die Neumarktsperrung wurde nicht etwa deswegen in das politische Ränkespiel aufgenommen, weil man irgendetwas mit Klimaschutz oder Verkehrswende machen wollte, sondern weil es der Investor für das Shoppingcenter so wollte. Das mit den Fahrrad- und Busfahrern, die man am Neumarkt angeblich glücklich machen wollte, kam erst später!
Schließlich sollten die „Massen“ kaufwilliger Osnabrückerinnen und Osnabrücker ohne Behinderung und ohne Neumarkttunnel (der ja auch ganz schnell zugeschüttet wurde) direkt auf die andere Seite des Neumarkts gelangen. Darum ging es bei der Neumarktsperrung wirklich. Um knallharte Interessen windiger Investoren.

SPD und Grüne bestellten Rechtsgutachten zur Neumarktsperrung bei Kanzlei des Investors

Wer erinnert sich noch daran, dass die Vertreter der Regenbogenkoalition 2017 ein Rechtsgutachten zur Neumarktsperrung präsentierten, das ausgerechnet und natürlich ganz zufällig von der Kanzlei erstellt wurde, die auch das Unternehmen vertrat, welches das Shoppingcenter am Neumarkt bauen wollte? Zufälle gibt es!

Von wegen Aufenthaltsqualität und mehr Platz für ÖPNV und Fahrradfahrer… ein direkter Zugang von der Großen Straße in das Shoppingcenter sollte her. Der Verkehr auf dem Neumarkt störte die Interessen des Shoppingcenter-Investors. Das ist der eigentlich Grund, warum seit 20 Jahren am und über den Neumarkt gestritten wurde. Gut, dass dieser Streit nun endlich beendet sein soll. Die Hintergründe sollten aber nicht vergessen werden. Es ging ursprünglich nie um die Fahrradfahrer, das Klima und den ÖPNV!

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PS: Apropos „gekauft“… dem Verfasser dieses Kommentars wurden von dem Geschäftsführer eines der Unternehmen, die ein großes wirtschaftliches Interesse an dem Bau des Shopping-Centers hatten, seinerzeit Flugtickets und ein Doppelzimmer in einem Münchner Luxushotel angeboten. Für weibliche „Begleitung“ hätte man wohl auch gesorgt. Üblicherweise soll bei solchen Einladungen auch immer ein Umschlag für die „Spesen“ auf dem Kopfkissen liegen.
Um die Form zu wahren hätte man sich den kurzen Besuch auf dem Messestand einer Immobilienmesse gewünscht. Man solle fortan aber doch „bitte etwas weniger kritisch“ berichten. Die Hasepost lässt sich nicht kaufen – die Politik und die Verwaltung hoffentlich auch nicht.

 


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„Denken ist schwer, darum urteilen die meisten.“ (C. G Jung)
Bitte denken Sie mehr, Ihr Heiko Pohlmann.


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Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann gründete die HASEPOST 2014, basierend auf dem unter dem Titel "I-love-OS" seit 2011 erschienenen Tumbler-Blog. Die Ursprungsidee reicht auf das bereits 1996 gestartete Projekt "Loewenpudel.de" zurück. Direkte Durchwahl per Telefon: 0541/385984-11

  

   

 

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