Ratlose Bürger, überfüllte Testzentren, verzweifelte Gastronomen und Friseure – seit dem 01. Dezember gilt in ganz Niedersachsen die sogenannte 2gPlus-Regel, die vorsieht, dass sich auch geimpfte und genesene Personen vor dem Betreten einer Gaststätte oder Friseurbesuch tagesaktuell auf das Coronavirus testen lassen müssen.
Ein Kommentar von Wolfgang Niemeyer.
Zwar gilt seit Samstag in unserem Bundesland schon wieder eine etwas entschärfte Regelung, nach der dreimal geimpfte von der Testpflicht befreit sind. Außerdem, und das ist weniger bekannt, werden bereits Genesene, die zusätzlich zwei Impfungen erhalten haben, den „Booster-Bürgern“ gleichgestellt.
Dieser Schritt zurück ist aber wohl vor allem der Tatsache geschuldet, dass in einem so großen Bundesland wie Niedersachsen einfach nicht ausreichend Testkapazitäten zur Verfügung stehen. Vielleicht hätte die Landesregierung unter Ministerpräsident Stephan Weil diesen und andere Punkte vorab bedenken sollen. Doch wie schon so oft beim Corona-Management gibt man lieber Schnellschüsse ab, die entweder anschließend von den Verwaltungsgerichten einkassiert werden (Sperrstunden für die Gastronomie, Schließung von Diskotheken und Shisha-Bars) oder Politik und Verwaltung rudern ganz schnell zurück, weil sie erkennen, dass ihre Verordnungen nicht alltagstauglich sind (‚Leckeis-Verfügung‚).
Die Folgen ihres Handelns bedenken die verantwortlichen Politiker und die ihnen unterstellten Verwaltungsjuristen, zuständig für die Ausarbeitung dieser unsäglichen Verordnungen, nur in wenigen Fällen. Was unterscheidet derzeit eigentlich Menschen, die geboostert sind, von Impflingen, die erst vor kurzem ihre zweite Impfung bekommen haben? Beide Personengruppen genießen in etwa den gleichen Impfschutz. Warum wird hier nicht differenziert vorgegangen? Der Schutz von Grundrechten und die Verhältnismäßigkeit der gewählten Mittel zur Pandemiebekämpfung darf doch neben dem gesunden Menschenverstand nicht jedes Corona-Jahr zur Winterszeit in den Hintergrund treten.
Die gesamte Gastronomie in Niedersachsen kämpft seit nunmehr 20 Monaten um das wirtschaftliche Überleben. Wer sich in der Osnabrücker Gastronomieszene umschaut, der kann schon erkennen, dass hier ein Kahlschlag eingesetzt hat, der noch lange nicht zuende ist. Mit der 2G-Plus-Regel wird das wichtige Weihnachtsgeschäft fast komplett eingeschläfert. Unter dem Deckmantel der Kontaktreduktion und dem Kampf gegen die Überlastung der Intensivstationen erfolgt seit dem 17. März 2020 eine Missachtung und Zerstörung zahlreicher Branchen. Dabei hat Niedersachsen derzeit neben Hamburg die niedrigste Hospitalisierungsrate innerhalb Deutschlands. Deshalb ist es mehr als unverständlich, warum Weil & Co. jetzt mit dieser harten Maßnahme vorpreschen.
Die Menschen in Niedersachsen, gerade auch die Gastronomen, haben in den vergangen 20 Monaten wahrlich genug mitmachen müssen. Die überwältigende Mehrheit hat sich brav an alle Anordnungen gehalten, hat Maske getragen, hat wochenlang zuhause rumgesessen und sich ohne Murren impfen lassen, als es an der Zeit war. Doch die Landesregierung behandelt ihre Bürger wie Hunde, denen man permanent einen unerreichbaren Knochen vor die Nase hält. Es wäre (wieder mal) an der Zeit, eine Perspektive für die Zukunft aufzuzeigen. Aber das scheint die Politik vor unlösbare Herausforderungen zu stellen.
Dem einfachen Bürger bleibt nur die Hoffnung, dass der ganze Spuk im Frühjahr wieder vorbei ist. Bis er im Herbst 2022 wieder losgeht. Ist das die Zukunftsvision für das Leben und den Alltag der Menschen in Deutschland? Etwas mehr Fantasie, etwas mehr Tatkraft, etwas mehr Mut und etwas mehr Bürgernähe würde der Politik in diesen schweren Zeiten gut zu Gesicht stehen!
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