Ein Kommentar von Heiko Pohlmann
Die Verkehrspolitik und Verkehrsplanung hat es in Osnabrück nicht leicht. Das war schon 1989 so, als Osnabrück vom Spiegel als “Unfallhauptstadt” bezeichnet wurde. Das Hamburger Nachrichtenmagazin fragte damals: “Liegt es an einer generell verfehlten Verkehrsplanung“?
27 lange Jahre später ist aber nicht viel besser. Zwar sind die Unfallzahlen in einigen Bereichen deutlich gesunken – vermutlich mit Ausnahme des typischen Osnabrücker Unfallbilds “Fahrrad unter abbiegendem LKW” – doch die Verkehrsplanung ist in den Augen vieler Osnabrücker noch immer verfehlt. Das geht so weit, dass sich mit dem “Bund Osnabrücker Bürger” (BOB) sogar eine Art Autofahrerpartei gebildet hat, die als Opposition gegen die aktuell regierende “Regenbogenkoalition” gute Chancen hat im kommenden Stadtrat vertreten zu sein.
Ein Spiegel-Bericht von 1989 bestimmt noch immer die Verkehrspolitik in Osnabrück
Irgendwie scheint es, als ob der Schock des Spiegelberichts von vor mehr als einem Vierteljahrhundert immer noch das Handeln der Verantwortlichen bestimmt. Wie sonst ist es zu erklären, wenn in Debatten der Lokalpolitiker zum Beispiel der Neumarkt als “innerstädtische Stadtautobahn” bezeichnet wird? Ein Straßenzug, der zwischen Berliner Platz und der Einmündung in die Martinistraße von sieben Ampelanlagen begleitet wird. Selbst wenn diese Ampeln – was in Osnabrück allerdings unmöglich zu sein scheint – zufällig eine “grüne Welle” anzeigen und so etwas wie ein flüssiger Verkehr möglich ist, kann doch wohl kaum von einer “Stadtautobahn” die Rede sein?
Warum nicht das OS-Team mal Nachtschichten machen lassen?
Natürlich hat Osnabrück seine Probleme mit dem Verkehr, und darauf muss reagiert werden. Wenn die Martinistraße und die Pagenstecherstraße für nächtliche Straßenrennen missbraucht werden, dann muss hier schnell Abhilfe geschaffen werden. Dafür haben wir das OS-Team und die Polizei. Vielleicht meinen die Grünen ja auch eine Umdisponierung der mobilen städtischen Blitz-Autos von Tag- auf Nachtschichten, wenn sie jetzt mehr Blitzer für die Martinistraße fordern?
Warum – wenn nicht einzig um Geld in die Stadtkasse zu spülen – werden eigentlich dutzendfach Menschen, die auf dem Weg von oder zur Arbeit mal knapp über die erlaubten 50 km/h geraten, mit Strafzetteln in großer Quantität versorgt?
Sollte es nicht das Ziel sein die einzelnen “schwarzen Schafe” aus dem Verkehr zu ziehen, die in der Nacht auch gerne mal eine dreistellige Zahl auf dem Tacho haben? Diese wirklichen Raser spielen – wenn der gemeine Lokalpolitiker schon längst schläft und von einem autofreien Neumarkt träumt – tatsächlich The Fast and the Furios an der Hase auf unseren Ausfallstraßen.
Die mögliche Bilanz einer Blitzer-Schicht auf den Ausfallstraßen der Hasestadt wäre vielleicht auch nur ein einzelner Strafzettel statt 50.
Aber dieser einzelne Strafzettel hätte genau den Raser getroffen, der vielleicht schon am nächsten Tag jemanden totfahren würde, und nicht den Durchschnitts-Osnabrücker oder Umlandbewohner, der einfach nur im Verkehr mitfliesst und ohne bösen Vorsatz mal ein wenig über das Limit gerät.
Verkehrsberuhigung aus der Mottenkiste
Statt sich um einzelne und schon fast kriminelle Raser zu kümmern, versucht man lieber mit scheinbar einfachen Mitteln Fakten zu schaffen, um damit die Gesamtheit der Autofahrer auszubremsen. HASEPOST hatte bereits vor einer Woche über die Pläne berichtet, den Westerberg zukünftig mit mehreren Dutzend “Berliner Kissen” zu bepflastern.
Glaubt man Wikipedia, dann stammt die Idee der als “Kissen” bezeichneten “Bremsschwellen” aus den späten 80er Jahren, sie ist also so alt wie die Kritik des Spiegel an der Osnabrücker Verkehrspolitik.
Ein Blick in die Wikipedia lohnt doppelt, denn der dortige Eintrag hat auch eine Unterrubrik “Kritik”, und dort ließt man folgendes:
“Die (..) vielerorts errichteten Bremsschwellen erzielten jedoch häufig nicht die erhoffte Wirkung und wurden zum Teil wieder zurückgebaut.”
Und auch die Gründe für den Rückbau werden aufgelistet: “Die Bremsschwellen werden trotz Beschilderung von Fahrzeugführern und Radfahrern oftmals erst spät erkannt und der durch sie verursachte Stoß wird auch bei niedrigen Geschwindigkeiten als unangenehm empfunden. Von der Schwelle ist nicht nur der PKW-Verkehr betroffen, sondern alle Verkehrsteilnehmer (z.B. Radfahrer, Busse, Rettungs- und Winterdienstfahrzeuge)“. Gerade das Argument mit den Rettungsfahrzeugen hätten die Verantwortlichen vom Runden Tisch Westerberg und der Stadtverwaltung vielleicht nicht so einfach übersehen sollen. Zwar ist es geplant “geteilte” Berliner Kissen zu installieren, die dem Radstand von Rettungswagen und Stadtbussen angepasst sind, so dass diese ohne “Gehuppel” darüber hinweg fahren können sollen, doch von solchen einfach gelösten Wunderkissen findet man auch bei intensiver Recherche im Internet keine Berichte.
Bremsschwellen werden in anderen Städten längst wieder demontiert
Die Wikipedia schliesst die Kritik mit dem Satz: “Es hat sich die Meinung durchgesetzt, dass diese [Bremsschwellen] nur bei geringem Verkehrsaufkommen und zur Unterstützung weiterer verkehrsberuhigender Maßnahmen verwendet werden sollten“. Ein “geringes Verkehrsaufkommen” ist auf den Strecken über den Westerberg wohl eher Wunschdenken, immerhin sind die Albrechtstraße und die Gluckstraße die einzige Möglichkeit, ohne über die Autobahn oder den Wall auszuweichen, von den nördlichen Stadtteilen in die Weststadt zu gelangen. Und ausgerechnet die Straßen, die nun mit “Kissen” versehen werden sollen, sind auch noch die Zufahrten zur Paracelsus-Klinik und dem Klinikum auf dem Finkenhügel.
Mal abwarten, wie lange wir in Osnabrück unsere “Freude” an den Berliner Kissen haben werden… Woanders ist man schon weiter, in Osnabrück dauert es wohl etwas länger.