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Kleine Parteien im Osnabrücker Rat sehen sich von Großer Koalition in Hannover bedroht

Dass bei einem Regierungswechsel in Hannover auch gezielt Einfluss auf die Kommunalpolitik genommen wird, ist in Osnabrück nichts Neues. Wie bereits beim Regierungswechsel 2013, scheinen die neuen Verantwortlichen in Hannover auch 2017 in die lokalen Parlamente hineinregieren zu wollen.

Nachdem Boris Pistorius im Jahr 2013 auf sein Ministeramt nach Hannover wechselte, zögerte die rot/grüne Landesregierung den Neuwahltermin für die Besetzung des Oberbürgermeisterpostens in Osnabrück so lange hinaus, bis der von der CDU favorisierte Fritz Brickwedde wegen des Erreichens der Altersgrenze (65) nicht mehr antreten durfte.

Offiziell wurde der späte Neuwahltermin für die vakanten Spitzenposten in den Kommunen mit Sachargumenten und notwendigem „Respekt“ vor dem neu gewählten Landtag begründet – auch wenn der eigentlich nichts mit den Wahlen in der Provinz zu tun hat.
Die Osnabrücker CDU sah sich intern um ihren Spitzenkandidaten betrogen, konnte dann aber mit dem jüngeren Wolfgang Griesert doch noch die Führung im Rathaus erlangen.

Wollen SPD und CDU die kleine Konkurrenz schädigen?

In den vergangenen Tagen haben sich die SPD und CDU in Niedersachsen auf die Bildung einer großen Koalition geeinigt. In dem von Parteitagen der beiden Parteien verabschiedeten Koalitionsvertrag heißt es im Kapitel “Landesentwicklung und Kommunen” unter dem Punkt “2. Stärkung der Kommunalen Selbstverwaltung”:

“Die Mindestgröße von Fraktionen in den kommunalen Vertretungen soll im Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz (NKomVG) auf drei festgesetzt werden.” (Zit. Zeile 3188)

Betroffen wären von einer solchen Gesetzesänderung in Osnabrück die Fraktionsgruppe “UWG und Piraten” (UWG), die Fraktion “DIE LINKE.” und der “Bund Osnabrücker Bürger” (BOB). In einer gemeinsamen Stellungnahme kritisieren die drei kleinen Fraktionen, unterstützt von der FDP, den in Hannover von SPD und CDU betriebenen Vorstoß als Beschneidung der Rechte von kleinen Fraktionen und als Unterdrückung der demokratischen Vielfalt.

Meinungsvielfalt sollte geschützt werden

“Wir stellen uns die Frage, mit welchem Hintergrund eine solche Vereinbarung in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurde.” sagt Wulf-Siegmar Mierke, Ratsmitglied der UWG, und ergänzt “Angeblich soll es vordergründig darum gehen, die Arbeitsfähigkeit der kommunalen Vertretungen sicherzustellen oder versucht man hier willkürlich engagierte Mandatsträger in ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit zu behindern? Nicht umsonst wurde eine mit gleicher Begründung eingeführte 2,5%-Hürde für die Kommunalwahlen in NRW gerade gekippt. Insbesondere die Räte profitieren von vielfältigen Meinungen und Partizipationsmöglichkeiten im Interesse ihrer Wähler.”

Piraten: „Arroganz der Macht“

“12,2% der Osnabrücker Bürger haben sich mit 23.769 Stimmen bei der Kommunalwahl 2016 bewusst mit ihren drei Stimmen für diese Parteien entschieden, deren politischen Gestaltungsmöglichkeiten nun massiv eingeschränkt werden sollen! Kleine Parteien werden durch solche Maßnahmen systematisch geschwächt und somit ausgehebelt.” sagt Nils Ellmers, Ratsmitglied der Piraten und ergänzt: “Sind die ‘Großen’ zu hochmütig sich der politischen Diskussion mit uns kleineren Parteien zu stellen und gemeinsame Lösungen finden? Das nenne ich Arroganz der Macht!”.

Ohne den Fraktionsstatus werden den demokratisch gewählten und ehrenamtlich tätigen Vertreterinnen und Vertreter kleinerer Parteien in jeglicher Form angemessene Arbeitsmöglichkeiten entzogen. So verlieren sie nicht nur die Fraktionsgeschäftsstellen, die sie maßgeblich in ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit unterstützen, sondern auch die Möglichkeit auf Akteneinsicht und haben nur noch das Recht auf ein Grundmandat (Rede- und Antragsrecht) in einem einzigen Ausschuss.

„Dies ist ein Angriff auf die Arbeitsfähigkeit der kleinen Fraktionen und die demokratische Vielfalt in den Räten. Mit zwei ehrenamtlich tätigen Ratsfrauen ist es bereits jetzt schwierig die Fülle an Aufgaben zu erfüllen. Ohne unsere Mitarbeitenden in der Geschäftsstelle, ohne Mittel für Aktionen und Öffentlichkeitsarbeit, ohne die Möglichkeit an interfraktionellen Sitzungen teilzunehmen, werden die kleinen Fraktionen weiter abgedrängt. Dieses arrogante Verhalten der GroKo aus Hannover ist ein demokratischer Skandal!“, äußert sich die Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Giesela Brandes-Steggewentz. Weiter: „Darüber hinaus werden mit dieser Änderung auch Arbeitsplätze in den Fraktionen vernichtet.“

Auch die Fraktion des Bundes Osnabrücker Bürger (BOB) wäre mit aktuell zwei Ratsmitgliedern von einer Neureglung der Fraktionsgrößen betroffen und äußert ihr Unverständnis: “Politische Arbeit ist auf kontinuierlichen Informationsfluss angewiesen. Die Fraktionen benötigen nicht nur Besprechungs- oder Rückzugsräume, sondern insbesondere in kleinen Fraktionen sind die ehrenamtlichen Kommunalpolitiker auf die inhaltliche Zuarbeit durch die Geschäftsstellen angewiesen.“ so der Fraktionsvorsitzende Dr. Ralph Lübbe.

Die FDP Fraktion ist mit aktuell drei Ratsmitgliedern zwar nicht betroffen, kritisiert die Absicht der GroKo aber ebenfalls scharf: ”Wenn sich die großen Parteien versuchen auf diese Art und Weise die Opposition vom Hals zu schaffen, haben diese wohl nicht die Demokratie verstanden! Das ist ein Ausdruck von Überheblichkeit und Arroganz, der nicht tolerierbar ist.” so Thomas Thiele, Fraktionschef der Liberalen im Osnabrücker Rat.

In Südoldenburg wäre auch die SPD betroffen

So ganz clever und überlegt scheint der Schachzug der niedersächsischen Großen Koalition allerdings nicht zu sein. Angesichts der immer stärker werdenden Wähler-Erosion, auch und vor allem in Gebieten, wo es die SPD ohnehin nie leicht hatte, drohen die Sozialdemokraten selbst in manch einem Kommunalparlament zur Marginalie zu werden. Die Osnabrücker Klein-Fraktionen mahnen an, dass in kleineren Gemeinden nach der aus Hannover gewünschten Neuregelung teilweise nur noch zwei Fraktionen gebildet werden können. In Extremfällen, wie der Gemeinde Visbek im Landkreis Vechta, gäbe es allerdings auch keine SPD-Fraktion mehr.


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