Unternehmen und Wissenschaftseinrichtungen aus ganz Europa können künftig in der Region Osnabrück experimentieren und KI-Komponenten in Prototypen validieren, die es zur Marktreife schaffen sollen. Die Osnabrücker spezialisieren sich mit bis zu 10 Millionen Euro auf Agrartechnik im Ackerbau.
Osnabrück gilt längst als Größe bei der Digitalisierung der Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion. Jetzt ist es dem Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI), der Hochschule Osnabrück und dem Agrotech Valley Forum gelungen, diese Position weiter zu festigen.
Nebel im norddeutschen Tiefland oder Hänge in den Weinbergen im Trentino fordern autonome Helfer in der Landwirtschaft auf unterschiedliche Weise heraus. Die Fragen, die beantwortet werden müssen, damit die Technik für die jeweiligen Anwendungen zum Einsatz kommen kann, werden in Deutschland, Italien und Frankreich fortan in sogenannten “Test and Experimentation Facilities for the Agri-Food Domain” bearbeitet. Mit der europaweiten Förderinitiative agrifoodTEF stellen die Europäische Union und beteiligte Mitgliedsländer führenden Institutionen in den nächsten fünf Jahren dafür bis zu 50 Millionen Euro zur Verfügung. In Deutschland wird das Vorhaben vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unterstützt.
Jedes der Länder widmet sich seit Jahresbeginn einem Thema aus Landwirtschaft und Technologie. In dem Rahmen bauen sie die Infrastruktur auf, die man bei der Entwicklung von funktionstüchtigen Produkten benötigt: Beratung, Datensätze, Software, Hardware und Maschinen, Referenzimplementierungen zur Zertifizierung sowie Versuchsräume in Instituten und auf landwirtschaftlichen Betrieben.
Aus dem Labor in die Natur
„Die Grundlagen sind weit erforscht. In agrifoodTEF betrachten wir den letzten wichtigen Schritt in der Transferkette der Technologie hin zu KI-basierter Agri-Food-Technik in der Praxis“, erklärt Prof. Dr. Joachim Hertzberg, Leiter des Forschungsbereichs Planbasierte Robotersteuerung des DFKI in Niedersachsen. „Maschinen und deren Komponenten können bei uns in der echten Welt, auf dem Feld, mit allem, was dort auf sie einwirkt, getestet und gehärtet werden.“
Firmen und Forschende können mit eigenen Ideen auf die drei Osnabrücker Partner zukommen und die für sie passenden Umgebungen gestalten oder auf existierende Infrastruktur in Osnabrück zurückgreifen. Das DFKI und die Hochschule Osnabrück gehen in einem laufenden Projekt beispielsweise der Frage nach, wie autonome Landmaschinen ihre Umgebung zuverlässig erfassen können und haben dafür auf einem Gutshof ein Testfeld aufgebaut.
Agro-Technicum am Westerberg
An der Hochschule ist außerdem das Agro-Technicum angesiedelt. Dabei handelt es sich um eine mehr als 500 Quadratmeter große Halle mit großem Laborbereich und angrenzendem Versuchsfeld. Innerhalb von zwei Minuten können dort Landmaschinen und Agrarroboter nach draußen gefahren werden, um sie unter realistischen Bedingungen zu testen. Auch Langzeit-Versuche autonomer Systeme sind möglich. „In den vergangenen Jahren sind in Osnabrück – auch durch die gute Kooperation zwischen Hochschule, DFKI, Agrotech Valley Forum und dem Land Niedersachsen – erstklassige Bedingungen für die Arbeit an intelligenten Agrarsystemen entstanden“, sagt Prof. Dr. Stefan Stiene von der Fakultät für Ingenieurwissenschaften und Informatik. „Dass aus unserer Forschung reale Produkte entstehen, die dem Landwirt einen wirklichen Nutzen bringen, war immer ein großes Thema. Jetzt werden wir die vorhandene Infrastruktur erweitern und bekommen noch mehr Möglichkeiten, KI und Robotik in Anwendungen zu überführen.“
Heutige Anforderungen mit KI lösen
Der Bedarf in der Wirtschaft nach KI- und Robotik-Lösungen für die Land- und Ernährungswirtschaft sei groß, erklärt Dr. Henning Müller, Vorsitzender des Agrotech Valley Forum e. V.. Ohne KI in den Produkten werde es in Zukunft immer schwieriger werden, die vielen Anforderungen zu erfüllen, die Kunden, Gesellschaft und Politik zum Beispiel in Form des EU-Green-Deals stellen. „Auch in der Tierproduktion und der Lebensmittelverarbeitung wird das Interesse an KI steigen. agrifoodTEF erleichtert den notwendigen Zugriff auf Daten und Kompetenzen und kann so dazu beitragen, KI-gestützte Agrartechnik in Deutschland und Europa zu verbessern oder neue entstehen zu lassen“, weiß Müller.