Seit Corona wird die Situation rund um freilaufende Katzen auch in Osnabrück immer dramatischer. Tierschutzvereine wie der KatzenLeben Osnabrück & Umgebung e.V. sind am Rande ihrer Belastungsgrenze und fordern politisches Handeln.
Immer mehr Streunerkatzen auf den Straßen
Beim Gespräch mit der HASEPOST erzählten Ehrenamtliche vom Verein KatzenLeben über die derzeitige Problematik mit Streunerkatzen. Seit der Corona-Krise, in der sich viele Menschen aus Einsamkeit und durch mehr verfügbare Zeit Haustiere anschafften, schoss die Anzahl an Streunerkatzen in die Höhe. Nun sind Streunerkatzen an sich kein neues Problem, jedoch werden immer mehr zahme Katzen, die Kontakt mit Menschen gewohnt waren, auf den Straßen gesichtet. Sie wurden oft ausgesetzt, da die Besitzer keine Zeit oder kein Geld für das Tier haben.
Hinzu kommt, dass es Menschen gibt, die Katzen vermehren und verkaufen ohne selbst Züchter zu sein. Wenn sie diese nicht los werden, werden die Katzen einfach ausgesetzt. Das betrifft vor allem Katzenrassen, die gerade „in sind“ wie British-Kurzhaar oder Scottish Fold. Häufig sind diese dann nicht kastriert, da dies zu kostspielig wäre, sodass die Katzen sich quasi endlos reproduzieren können. So werden nicht selten Katzenmütter mit ihrem Nachwuchs gefunden. Dann bekommen die Tierschützer auch Meldungen von acht bis zwölf Katzen auf einmal. Die Aussage „in Deutschland leben circa zwei Millionen Straßenkatzen“ ist laut den Verantwortlichen von KatzenLeben also nicht mehr aktuell und deutlich untertrieben.
Situation in Osnabrück ist extrem
In Osnabrück leben laut dem Katzenschutzbund Osnabrück mehr als 100 heimatlose Katzen an tierschutzorganisierten Futterstellen. Doch die Dunkelziffer liegt laut dem Verein KatzenLeben weitaus höher, da viele Katzen nicht entdeckt und gemeldet werden. „Die Situation ist extrem“, sagte Nicola Rose, zweite Vorsitzende von KatzenLeben. Dabei sind Tierschutzhelfer jedoch auf Meldungen von Anwohnern angewiesen. Pro Jahr würden 8.000 Kilogramm Nassfutter zur Versorgung an den bewusst versteckten Futterstellen benötigt, was durch zurückgehenden Spenden jedoch nicht stemmbar sei.
Die Aussage „wenn man nicht füttert, löst sich das Problem von alleine“ bewerten die Verantwortlichen von KatzenLeben als Irrglaube, denn nur durch Fütterung erhalte man einen Überblick über den Katzenbestand und erkenne direkt Neuzulauf, auf den man prompt mit Kastration reagieren könne. Ohne die betreuten Futterstellen würden noch mehr Katzen unentdeckt bleiben und das Elend noch weiter dramatisieren. „Wir können als Gesellschaft nicht sagen: Wir sehen den Tierschutz nicht“, meint die zweite Vorsitzende von KatzenLeben.
Arroganz und hohe Tierarztkosten als Grund für Aussetzung
Zunächst einmal ist das Anschaffen einer Katze nicht das Problem und sehr unkompliziert. Man kann sie im Internet für wenige hundert Euro kaufen und sie benötigen keinerlei verpflichtender Anmeldung. Da sagen sich viele Interessierte wohl: „Das klingt nett“ und schaffen sich (spontan) eine Katze an. Doch bringen Katzen natürlich auch Kosten mit sich. Vor allem Tierarztkosten, die seit Corona deutlich gestiegen sind. Man braucht etwa 160 Euro für die Kastration, für jede Impfung etwa 100 Euro, für jede Untersuchung etwa 30 Euro, wobei mögliche Unfälle oder ungeplante Operationen weitere dreistellige Summen kosten könnte. Zudem muss jeden Monat 50 bis 60 Euro für Futter und Streu ausgegeben werden und man muss natürlich auch Zeit für die Katze haben. Wenn man die Kosten nicht tragen kann, dann werden die Katzen „unkompliziert“ ausgesetzt, da man das „Problem“ so schnell los ist.
Die Ehrenamtlichen von KatzenLeben haben auch schon alle möglichen absurden Gründe für die Nicht-Kastrierung von Katzen gehört: von religiösen Begründungen bis Aussagen, dass es Männchen eher weh tun würde, kastriert zu werden. Oft ist auch der Charakter das entscheidene und nicht unbedingt das finanzielle. Es gäbe arme Menschen, die alles mögliche für ihre Katzen tun, obwohl sie das Geld durchaus für sich selbst gebrauchen könnten. Wiederum gibt es reiche Menschen, die das billigste vom billigsten für die Katzen kaufen. Es gibt Menschen, die sich nach drei Tagen eine neue Katze holen, auch, wenn die alte Katze einen Tag später wieder auftaucht und es gibt Menschen, die Monate oder Jahre nach ihrer Katze suchen.
Das Problem: Es wird nicht einmal ein Ordnungsgeld verhängt
Die Verantwortlichen von KatzenLeben berichten auch, dass sie einmal eine nicht zutrauliche, unkastrierte Katze gefunden hätten, welche dann vom Tierarzt kastriert wurde und auch der Besitzer wurde bekannt, der die Kosten dafür erstatten musste. Daraufhin wurde der Verein in E-Mails von dem Mann bedroht und beschimpft. Doch sie konnten ihm nichts, denn es gibt für die Nicht-Kastrierung keine Bestrafung.
Zwar hat die Stadt Osnabrück eine Kastrations-, Kennzeichnungs-, und Registrierungspflicht für Katzen verordnet, in der man auch erwähnt wie wichtig das Kastrieren der Katzen sei und dass dies zur Vermeidung von Katzenelend diene, doch eine Bestrafung, wenn man seine Katze unkastriert frei herumlaufen lässt, wie in Bad Essen, ist nicht vorhanden. In Bad Essen kann man für einen solchen Verstoß bis zu 5.000€ Strafe zahlen.
„Uns fehlt die Lösung“, sagt Annabel Molitor, die unabhängig für den Verein KatzenLeben arbeitet. Die Vereinsangehörigen sind selbst zu beschäftigt, um mehr politische Aufmerksamkeit für das Problem zu generieren und eine Lobby für Katzen gibt es nicht. Außerdem wird der Verein auch nicht bei Veranstaltungen von ehrenamtlichen Vereinen eingeladen, da man vergessen oder nicht angesprochen werde oder da das Thema schlichtweg uninteressant sei.
Was soll die Politik tun?
Die Politik sieht, laut den Ehrenamtlichen von KatzenLeben, das Problem nicht als Gefahr an, wahrscheinlich, weil es nicht so sichtbar ist, aber „man kann ja mal vorab was anpacken“, so Nicola Rose. „Das Problem ist nicht weg, wenn man die Augen verschließt“, weshalb sie fordert, dass man ein Ordnungsgeld für die Nicht-Kastrierung von freilaufenden Katzen eintreibt. „Verkehrsraderstellen machen auch Geld“, womit die Verantwortlichen auf die Machbarkeit und Rentabilität einer solchen Regelung hinweisen. Der Deutsche Tierschutzbund kämpft übrigens auch für eine bundesweite Kastrationspflicht für Katzen.
Außerdem würden verpflichtende einsehbare Chips auch etwas ändern. „Das wäre so unproblematisch“, sagt Nicola Rose. So kann man sie nicht einfach aussetzen, sondern den Besitzer nachverfolgen. Der jetzige Prozess sei für eine Rückverfolgung durch den ganzen Datenschutz viel zu aufwendig.
Die Arbeit von KatzenLeben
Der kleine im Jahr 2012 gegründete Verein KatzenLeben setzt sich fast ausschließlich für den Tierschutz von Katzen ein. Der Verein ist auf Spenden und Partnerschaften angewiesen, welche jedoch zurückgehen, was 2022 zu einem Jahresumsatz von -3256,78€ führte. Das liegt auch an den hohen Tierarztkosten auf denen sie sitzenbleiben. Außerdem verkaufen sie zusätzlich Katzenspielzeug. Bei Meldungen von (unkastrierten) Streunern in der Stadt, aber auch im Landkreis, machen sie sich auf den Weg und fangen sie zum Beispiel mittels einer Lebendfalle die Katze ein. Je nachdem, ob sie können, locken sie mit anderen Methoden. Sie kümmern sich vor allem um ältere Katzen und suchen für sie einen neuen Besitzer.
Für sie ist es wichtig zu sagen, dass Katzen keine Wildtiere sind und sich nicht selbst versorgen können, auch, wenn sie wild geboren wurden. Um junge Katzen zahm zu bekommen, sollte das Kitten nicht älter als sieben Wochen alt sein, denn es muss eine Prägung da sein, dass man mit Menschen lebt. Mehr über den Verein KatzenLeben Osnabrück & Umgebung e. V. findet ihr auf deren Internetseite.
Weitere Fallbeispiele aus dem echten Leben
Um zu verdeutlichen, welche Schicksale hinter den gefundenen Katzen steckt, hat der Verein KatzenLeben der HASEPOST eine Reihe an Meldungen genannt:
- Eine Meldung über freilaufende Kitten. Es stellt sich heraus es sind 12 Katzen. Eine Mutterkatze, zwei Kitten, fünf halbwüchsige Katzen, drei unkastrierte Kater und eine verunfallte Katze mit alter Bruchverletzung.
- Eine Meldung über zwei bis drei junge Katzen an einer Gaststätte. Man fand insgesamt sieben Katzen. Eine ausgewachsene Kätzin, ein ausgewachsener Kater und fünf halbwüchsige Katzen.
- Eine Familie hat ihre Katze drei Tage nicht gesehen und kaufen im Internet direkt eine neue Katze, „weil das Kind doch so traurig ist“. Einen Tag später kommt die Katze zurück, jedoch will man sie jetzt wegen der neuen nicht mehr haben.
- Eine ein Jahr alte Fundkatze, die tätowiert und registriert ist, sitzt seit drei Wochen in einem Hinterhof und weint kläglich. Im Zentralregister Tasso gibt es keine Datenfreigabe. Die Besitzer wurden auf allen möglichen Wegen der Kommunikation kontaktiert, doch es gab keine Rückmeldung.
- Eine Rassekatze, die an Epilepsie leidet, hatte mit ihren fünf Kitten, welche durch Giardienbefall an schwerem Durchfall erkrankt sind, Schutz in einem unbenutztem Kellerraum gesucht. Einen großen Krampfanfall hatte die Mutter nicht mehr überlebt. Es lässt sich vermuten, dass sie rausgeworfen wurde, da eine medikamentöse Behandlung Geld gekostet hätte und eine kranke Katze für die weitere Zucht wohl nicht in Frage kam.
- Eine Mutterkatze und ihre fünf Kitten lebten in einer Garage, die durch ein geöffnetes Geragentor zugänglich war. Menschen haben die Mutterkatze vormals oft in einer EG-Wohnung am Fenster von innen gesehen, doch dies wurde von den Anwohnern verneint. Damit steht Aussage gegen Aussage und man sucht nun eine sinnvolle Unterbringungsmöglichkeit.
- In einem Schuppen wurde eine Katze mit drei Kitten gefunden, doch niemand kennt sie vor Ort. Die Besitzer des Schuppens möchten eines der Kitten nehmen „als Spielzeug für’s Kind“. Die Verantwortlichen von KatzenLeben sagen dazu: „Kauft ihm ein Kuscheltier!“.
- Ein unkastrierter, russisch blauer Rassekater wird bei einem Hof „im Niemandsland“ gefunden. Da ist er sicherlich nicht alleine hinspaziert. Da wollte wohl ein Züchter seinen Nachwuchs loswerden bevor dieser noch unnötig Geld kostet.