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Kallas Kolumne: Ehre, wem Ehre gebührt oder zu viel der Ehre?

Vorwort: „Ja, habe die Ehre, Herr Ehrenbürger …“

… am kommenden Dienstag, den 03.12.2019, will der Rat der Stadt Osnabrück darüber entscheiden, ob Christian Wulff die Ehrenbürgerschaft verliehen werden soll. Es stellt sich die Frage nach dem Warum. Vermutlich wegen seiner Verdienste um … oder für … nun ja, für irgendwas eben – die betragen übrigens nach 19 Monaten Amtszeit ein Leben lang 240.000 € im Jahr, der Übergang vom Ehrensold zum Ehrenbürger scheint also nahtlos zu verlaufen.
Vorgeschlagen hatte das im vorauseilenden Gehorsam schon 2011 Ex-OB und Ehrenbürger Hans-Jürgen Fip, der darüber hinaus am 21.09.2012 mit der Willy-Brandt-Medaille ausgezeichnet worden war, bei der Putins lupenreiner Busenfreund Gerhard Schröder im Osnabrücker Friedenssaal die Laudatio gehalten hatte.
Mit der Ehrenbürgerschaft für Christian Wulff schlösse sich somit der Kreis einer äußerst ehrenwerten Gesell­schaft, wie die einstige Verleihung der Ehrendoktorwürde an Carsten Maschmeyer im Beisein des Ex-Bundespräsidenten und des Ex-Kanzlers zumindest vermuten lässt.
Nur Maschmeyer ist noch nicht ex.

Jenseits von Gut und diesseits von Böse

Der große historische Osnabrücker Heimatroman in drei Teilen über mein gemeinsames, getrenntes und wiedervereintes Osnabrücker Leben mit Christian Wulff

Kallas Kolumne: Ehre, wem Ehre gebührt oder zu viel der Ehre?
„Ja, habe die Ehre, Herr Ehrenbürger!“ Stellprobe im Rathaus – Foto: hasepost

Erstes Buch: Diesseits von Christian
Christian Wulff wurde am 19. Juni 1959 in Osnabrück geboren. Im selben Augenblick begann, auf die Sekunde genau, mein gemein­sames Osnabrücker Leben mit Chris­­ti­an Wulff. Allerdings war ich ihm fast acht Jahre voraus und er sollte mich, was er damals noch nicht wusste, nie einholen können.
1961 ließen sich unsere Eltern gemeinsam scheiden, also seine und meine getrennt voneinander. Als Folge wuchs Christian vom zweiten Lebensjahr an ohne Vater auf, ich ohne Mutter, dafür aber mit wechselnden Part­ner­in­nen meines Vaters, dem ich dann später diesbezüglich nacheifern sollte.
1972 verließ ich überglücklich das damals noch sehr traurige Osnabrück und zog nach Hamburg und hinterließ einen offenbar gänzlich verwirrten Christian, der nämlich wenig später im jungen Alter von 16 Jahren völlig orien­tie­rungslos in die CDU eintrat, der er von nun an ent­schlos­sen den Weg weisen sollte. Ich hingegen war schon Jahre zuvor aus der Kirche ausgetreten.
Das war mein schier unglaublich spannendes gemein­sames Osnabrücker Leben mit Christian Wulff.

Zweites Buch: Jenseits von Christian
Bis ins Jahr 2003 hinein lebte ich 31 Jahre getrennt von Christian, hauptsächlich in Hamburg, mal in Wien, mal in Frankfurt und sogar mal kurz in Kanada und Schweden. Was Christian in dieser Zeit trieb, ließe sich in einem Satz zusammenfassen:
Christian gewann 1977 ein Klappfahrrad bei einem Preis­aus­schreiben des VfL Osnabrück und ist seither ein geüb­ter Radfahrer, so dass es im Grunde kein Wunder ist, dass aus ihm später der Lance Armstrong der CDU wurde und sein Leben danach wie geschmiert verlief.

Kallas Kolumne: Ehre, wem Ehre gebührt oder zu viel der Ehre?
VfL-Echo 1977

Drittes Buch: Abseits von Christian
Nach dieser entbehrungsreichen Zeit der geographischen Trennung kreuzten sich noch einmal kurz unsere Wege: Ich zog im Sommer 2003 nach über dreißigjähriger Abwesenheit nach Osnabrück zurück, doch kaum war ich da, verlegte Christian wenige Tage später seinen Wohnsitz nach Han­nover, um seinen Posten als Freund von Carsten Masch­meyer, Veronica Ferres und Heinz Rudolf Kunze besser wahrneh­men zu können.
Bereits einen Monat nach seinem Ab- und meinem Zuzug wurde Osnabrück – siehe meine vorhergehende Kolumne, außerdem kann man gar nicht häufig genug darauf hinweisen – zur allerglücklichsten Stadt Deutschlands gewählt, was in Anbetracht der Begleit­um­stände kein Wunder war.
Zum Trost wurde Christian noch im selben Jahr auf dem Höhe­punkt seiner erstaunlichen Karriere vom Ein­zelhandelsverband Hildesheim der Hermespreis verliehen. Ich hin­ge­gen, längst auf dem Tief­punkt angelangt, bekam auf­grund meines erstaunlichen Lebens­wan­dels nur den Her­pes-Wanderpokal.
Als Konsequenz daraus wurden im Jahre 2008 unsere Ehen geschieden, aus deren Folge jeweils eine Tochter hervorging. Nur was Scheidungen angeht, so war ich ihm damals eine voraus, aber diesbe­züglich zieht er ja bald mit mir gleich.
Am 14. August 2009 – am 50. Geburtstag von Carsten Masch­mey­er – kreuzten sich unsere Wege unverhofft doch noch einmal. Ich hatte in Hildesheim einen Auftritt und am selben Tag wurde Masch­meyer die Ehrendok­tor­wür­de der Universität Hildesheim verliehen. Wer Rentner um ihr Erspartes beraubt, erhält dafür in Deutschland also die Ehrendoktorwürde.
Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen hielt der dama­lige nie­dersächsische Ministerpräsident und Masch­mey­er-Freund Chris­tian Wulff die Laudatio. Und so entstand das abscheulichste Ekel­foto aller korrupten Zei­ten: Ger­hard Schröder, Christian Wulff und Cars­ten Masch­­meyer posieren grinsend vor laufenden Kameras, als hiel­ten sie gerade die riesige Siegerurkunde für die dreisteste Verar­schung einer ganzen Rentengeneration in den Hän­den. Und war da nicht wenige Jahre zuvor etwas mit Hildesheim und dem Hermespreis für Christian? Es gibt ein­fach irre Zufälle und Hildesheim scheint das Zentrum all dieser Unwahrscheinlichkeiten zu sein.
Doch im Grunde sind das alles nur noch Randnotizen, denn seit jenem Schicksalsjahr 2003 sollten wir trotz der erstaunlichen Gemein­samkeit, aus ein und derselben Stadt zu stammen, bis auf die wenigen Stunden in Hildesheim nie wie­der ein geographisch gemeinsames Leben führen … und das ist auch gut so, denn nicht nur ich, sondern ganz Osnabrück will glück­lich bleiben.

Nachwort: Wirklich ganz Osnabrück?

Kaum zu glauben, aber da soll es doch tatsächlich ein paar Leute geben, die Christian Wulff, dieses bundesweite Synonym für Geiz und Raffgier, immer noch zum Ehren­bür­ger dieser Stadt machen wollen. Es sind garantiert dieselben Leute, die staunend und kopfschüttelnd vor dem politisch verdrossenen Wahlvolk stehen.
Solche Men­schen wären sich vermutlich nicht einmal zu schade, um Ehrungen aus der Hand von lupenreinen Demokraten entgegenzunehmen, die Maschmeyer oder Putin zu ihren Freunden zählen.
Also doch irgendwie genauso unvorstellbar wie eine Ehren­dok­torwürde für Gangster, oder? Andererseits darf man sich ja sogar zu Lebzeiten über demokratische Gesetze hinwegsetzen, um in Osnabrück posthum einen Platz oder Straße gewidmet zu bekommen. Wen wundert da noch irgendwas?

Eine schöne Woche wünscht euch Kalla with a K.

Quellenangaben:
Jenseits von Gut und Böse – Friedrich Nietzsche, Jänner 1886
Er war Jurist und auch sonst von mäßigem Verstande – Ludwig Thoma, Der Vertrag, Simplicissimus 1901, Heft 52
Alles Lüge – Rio Reiser, Mai 1986
Besser die Wahrheit – Christian Wulff im Gespräch mit Hugo Müller-Vogg, Okto­ber 2007, Werbeanzeigen finanziert von Carsten Maschmeyer
Geiz ist geil – Saturn 2010
Neue Osnabrücker Zeitung – 23.01.2012 bis 29.11.2019
Selfmade – erfolg reich leben – Carsten Maschmeyer, 2012


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Kalla Wefel
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