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Die Stadtkämmerin in spe, zukünftige Frau Doktor … und ein Skandal schon vor Amtsantritt

Osnabrück bekommt eine neue Kämmerin, die kommt aus Kassel, ist Sozialdemokratin und wurde im Juli mit erstaunlich großer Mehrheit (43 Ja-Stimmen von 49) gewählt (NOZ)… und sie hat bereits vor ihrem Amtsantritt im Oktober einen handfesten Skandal “an der Backe”.

“Wieder mal” geht es um eine Doktorarbeit und wieder mal geht es um das leidige Thema “Abschreiben”.
Doch diesmal soll die zukünftige Frau Doktor nicht inhaltlich (à la Guttenberg) abgeschrieben haben, sondern hat angeblich ihre Sekretärin bei der Stadt Kassel damit beauftragt.

Causa Bott bei der NOZ

Der aktuelle Sachstand, den auch die NOZ heute berichtet, ist kurz erklärt:

Die angeblich von der Noch-Amtsleiterin Jutta Bott (keine Altersangabe) mit dem Abtippen beschäftige Sekretärin (keine Altersangabe) wird von Kollegin (59), die angeblich “seit einigen Jahren mit ihrer Vorgesetzten im Clinch liegt” (so NOZ) mit eidesstattlicher Versicherung beschuldigt während ca. vier Wochen regelmäßig und über täglich mehrere Stunden die fragliche Arbeit formatiert und wohl auch abgetippt zu haben. Die noch nicht promovierte Frau Bott streitet das ab, nimmt sich einen Anwalt, und der bezeichnet das als “unhaltbar”. Zur Klärung der Vorwürfe hat Frau Bott gegen sich selbst ein Disziplinarverfahren beantragt.

Neben der seltsamen Berichterstattung der NOZ, die den Whistleblower (die ältere Sekretärin) insgesamt vier (4!) mal mit Altersangabe versieht – den Hinweis auf das Alter aber bei allen anderen Beteiligten unterlässt – taucht auch noch ein “Blogger” auf, der nun ebenso wie die Sekretärin eine Strafanzeige kassieren soll – aber nicht wegen übler Nachrede oder ähnlich naheliegender Gründe, sondern (man lese und staune) wegen Verstosses gegen das Urheberrechtsgesetz!

Der ominöse Blogger soll der Fraktion der Linken angehören, die in Kassel fünf Stadtverordnete stellt.
Der einzige aktive Blogger dieser Fraktion ist der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Kai Boeddinghaus (parteilos), der unter kai.boeddinghaus.de ein gut geführtes Blog mit reichlich Leben erfüllt, wie man es sich wenigstens von einem Osnabrücker Ratsherrn bislang nur vergeblich wünscht.

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Update 09:15: Eine zwischenzeitlich an Kai Boeddinghaus gestellte Nachfrage ergab, dass sich der angebliche Urheberrechtsverstoß wohl auf das kasselerrathausblog.de bezieht. Ein weiteres von ihm geführtes Blog, das über Google allerdings nicht so leicht zu finden ist.
Dort findet sich des Kasseler Bloggers und Stadtverordneten detaillierte Sicht auf das Revisionsamt und seine bald scheidende Leiterin – eine wirklich lesenswerte Lektüre, deren zusätzliche Aspekte zumindest diesen Blogpost sprengen würden.

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Die Kasseler Lokalzeitung HNA hat bereits mehrfach über den Fall berichtet, und auch in diesem Zusammenhang taucht Kai Boeddinghaus auf, denn ihm ist eine Kopie der über 350-seitigen Dissertation zugespielt worden. Anhand der vorliegenden Kopie ist wohl zu erkennen, dass diese zuletzt von einer städtischen Sekretärin bearbeitet wurde – der Umfang dieser Arbeiten lässt sich aber daraus nicht ersehen.
Hier die Direktlinks auf die ursprüngliche Berichterstattung der HNA:

– 23.08. – Amtsleiterin: Mussten Mitarbeiter Doktorarbeit tippen?
– 24.08. – Doktorarbeit im Büro bearbeitet

Auffallend ist dabei, wie hart die hessische Lokalzeitung mit Frau Bott bereits in der Schlagzeile ins Gericht geht. Die NOZ wählt mit “Künftige Stadtkämmerin will Strafanzeige erstatten” eine deutlich mildere Gangart, und der gesamte Artikel unserer Lokalzeitung klingt eher nach einer Abwehrschlacht gegen offensichtlich unberechtigte Vorwürfe einer ältlichen und niederrangigen Widersacherin.
(Auch) in den Leserkommentaren gehen die Kasseler da viel deutlicher mit ihrer (noch) Mitbürgerin um, Beispiel “Leser Osse”:

Man kann die Stadt Osnabrück nur warnen, eine solche Nebelkerzenwerferin in ein besoldetes Stadtamt zu übernehmen. Ihre Ausflüchte lassen auf ein gestörtes Verhältnis zum Beamtenrecht schliessen. (…). Frau Bott wird bei einem juristischen Erfolg erst recht in Zukunft ihre privaten Vorteile zu Lasten der Arbeitgeber und Bürger finanzieren.

Ein Aspekt scheint der NOZ komplett durchgerutscht zu sein, obwohl durchaus darüber berichtet wird…

So schreibt die NOZ:

“Jutta Bott hat ihre Doktorarbeit auf dem Rechner im Rathaus abgespeichert. Ende Juni/Anfang Juli soll sich das Werk in der Endredaktion befunden haben …”

Die HNA wird bezüglich der Gründe für das Speichern auf dem Rathausserver präziser:

“Der Anwalt von Bott, Wilfried Mosebach, erklärt für seine Mandantin, diese habe ihre Dissertation in der Tat auf dem Rathaus-Server abgespeichert. Dadurch habe sie ihre Arbeit, an der sie sieben Jahre gearbeitet habe, zusätzlich sichern wollen. …”

Priceless Frau Bott

Eine (nach sieben Jahren!) endlich fast-fertige Doktorarbeit zusätzlich abzusichern ist sicher ein lobenswerter Gedanke – aber warum ausgerechnet auf einem vom Steuerbürger bezahlten Rathaus-Server?
Es stimmt schon, Speicherplatz kostet inzwischen “fast nichts” mehr, aber eben auch nur “fast”. Zudem kommen bei einem hochverfügbaren Behörden-Server auch noch Wartungskosten und die Kosten für besondere Serverhardware hinzu…

Einen Kostenvergleich mit einem privaten Web- oder Dokumentenserver (extern in einem Rechenzentrum gehostet und damit bspw. gegen Feuer gesichert) oder einer externen Festplatte muss sich die Noch-Leiterin des Revisonsamtes Kassel schon gefallen lassen.
Vermutlich erlaubt ihr Arbeitgeber eine Nutzung des Internets für gelegentliche private E-Mails oder kurze Recherchen – was jedoch längst noch nicht standard ist in deutschen Betrieben – aber das Nutzen von städtischen Servern für private Sicherungszwecke dürfte mit ziemlicher Sicherheit auch in Kassel nicht erlaubt sein.

So stellt sich die Frage nach der unberechtigten Übergabe privater Aufgaben an eine städtische Sekretärin vielleicht gar nicht mehr. Allein das Nutzen der städtischen Infrastruktur für eindeutig private Zwecke (Vergleichswert 65,- € einmalig oder 7,90 € monatlich) sollte sowohl ihrem jetzigen Arbeitgeber als auch den Osnabrücker Bürgern zu denken geben!

Muß man nicht auch hier die Maßstäbe anlegen, die schon einen Bundespräsidenten zu Fall gebracht haben? Dort wurde sogar ein geschenktes Bobby Car ins Feld geführt, das er in Zusammenhang mit einem privaten(!) Autokauf erhielt…

Laut kasselerrathausblog.de schreibt Jutta Bott in ihrer Dissertation „dann kann man von Machtmissbrauch zur Durchsetzung und Befriedigung eigener Interessen sprechen.“ (S.307). Das findet auch der Osnabrücker Blogger irgendwie passend!

HP

Illustration 1: Foto Neue Osnabrücker Zeitung, Lokalteil vom 28.08.12
Illustration 2: “Satire” in Anlehnung an MasterCard Priceless


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Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann gründete die HASEPOST 2011 unter dem Titel "I-love-OS". Die Titelgrafik der HASEPOST trägt dieses ursprüngliche Motto weiter im Logo. Die Liebe zu Osnabrück treibt Heiko Pohlmann als Herausgeber und Autor an. Neben seiner Tätigkeit für die HASEPOST zeichnet der diplomierte Medienwissenschaftler auch für zwei mittelständische IT-Firmen als Geschäftsführer verantwortlich.

  

   

 

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