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„Keine Geschäfte mit Unterstützern von Faschisten“ – Jusos Osnabrück diskutieren über Neumarkt-Investor

Titelfoto: Der „Stein des Anstoßes“, per Photoshop an den Neumarkt verlegt.

Die Beteiligung des Investors Alexander Lindhorst an der Neugestaltung des Osnabrücker Problemplatzes Neumarkt sorgt für Kontroversen. Jürgen Lindhorst, Familienpatriarch und Aufsichtsratsvorsitzender der Lindhorst Gruppe, fällt angeblich mit Verbindungen ins rechtsextreme Milieu auf. „Stein des Anstoßes“ ist auch ein Findling, der ein bei Rechten verbreitetes Symbol zeigt.

Am Donnerstagabend (7. Januar) veranstalteten die Osnabrücker Jusos eine Onlinediskussion zu dem heißen Thema. 

Als am 8. Dezember endlich konkrete Pläne zur Neugestaltung des Neumarktes vorgestellt wurden, war die Erleichterung der Osnabrücker groß. Doch die Beteiligung der Lindhorst Gruppe sorgte für rasche Kritik an dem Projekt. Am heutigen Freitagmorgen hing sogar ein Banner, das den Rücktritt von Jürgen Lindhorst fordert, an der heruntergekommenen Fassade des Kachelhauses. Die Osnabrücker Jusos, die schon im Dezember die Rolle der Lindhorst Gruppe kritisierten, hatten am Vorabend eine öffentliche Online-Diskussion unter dem Motto „Keine Geschäfte mit Unterstützern von Faschist*innen“ organisiert.

Etwa 60 Interessierte, darunter auch die Ratsmitglieder Frank Henning (SPD), Heiko Panzer (SPD), Wulf-Siegmar Mierke (UWG) und der SPD-Bundestagskandidat Manuel Gava nahmen an der Veranstaltung teil.
Als Experte war der Historiker Prof. Dr. Jens-Christian Wagner, Leiter der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora in Weimar, eingeladen und zugeschaltet.

Distanzierung nicht erkennbar

Offiziell hat Jürgen Lindhorst nichts mit dem Neumarkt-Projekt zu tun. Als Investor fungiert sein Sohn Alexander Lindhorst, der CDU-Mitglied ist und sich in der Vergangenheit mehrfach von der AfD distanziert hat. Als weitere Gesellschafter sind in der für das neumarktprojekt gegründeten Gesellschaft nur noch die minderjährigen Kinder von Alexander Lindhorst gelistet.

Für Nico Möller, stellvertretender Vorsitzender der Jusos Niedersachsen, ist die tatsächliche Konstruktion der Eigentümerstruktur für das Neumarkt-Projekt jedoch kein stichhaltiges Argument: „Jürgen Lindhorst ist nach wie vor Aufsichtsratsvorsitzender und Anteilseigner der Lindhorst Gruppe, sein Gesicht ist sofort auf der Website des Unternehmens zu sehen. Das gern genutzte Argument, dass Alexander derjenige sei der investiere, zieht also nicht, da eine richtige Distanzierung überhaupt nicht erkennbar ist. Wir fordern nicht nur eine eindeutige Distanzierung der Lindhorst-Gruppe von ihrem Aufsichtsratsvorsitzenden, sondern auch seine Entlassung, damit die Beteuerungen von Alexander Lindhorst nicht nur leere Worthülsen sind.“ Juso Mitglied Melora Felsch ergänzt: „Wir wollen auf keinen Fall, dass der Neumarkt für immer so aussieht wie jetzt, aber wir müssen darüber diskutieren, wer sich an dem Projekt beteiligt.

Nazi-Symbolik an Straße zur Gedenkstätte

Professor Wagner hegt bereits seit längerem einen Konflikt mit Jürgen Lindhorst. Lindhorst hatte an seinem Grundstück einen Findling aufgestellt, auf dem der Familienname in Frakturschrift steht, darunter befindet sich eine sogenannte Wolfsangel, ein jahrhundertealtes, aber häufig von Rechtsextremen verwendetes, Symbol. Besonders Pikant: Der Stein steht ausgerechnet an der Straße zur Gedenkstätte des Konzentrationslagers Bergen-Belsen, viele Besucher und Überlebende werden mit ihm konfrontiert. „Ich hatte ein längeres Telefonat sowie einen ausführlichen Email-Wechsel mit Herrn Lindhorst. Wir als Gedenkstätte haben darum gebeten, den Stein zu versetzen, der erst vor kurzem dort aufgestellt wurde. Leider war Jürgen Lindhorst nicht dazu bereit und erklärte, der Findling sei eine Reminiszenz an seinen Großvater, der einen ähnlichen Stein besaß, sowie eine Reminiszenz an Hermann Löns,“ so der Historiker.

Hermann Löns ein „völkischer Lyriker“?

Löns ist für viele nur der „Heidedichter“, der schnulzige Texte über die Natur und den Umweltschutz schrieb. Er war aber in vieler Hinsicht ein Vordenker der Nazis, in seinem Werk finden sich immer wieder Zitate wie „Naturschutz ist Rasseschutz“, so Professor Wagner über den bereits 1914 verstorbenen Heidedichter, der Namespate für zahlreiche Straßen (bspw. in Georgsmarienhütte, Hagen aTW, Bramsche, Wallenhorst) sowie Dutzende Schulen und Kindertagesstätten in ganz Deutschland ist.
„Löns Blut und Boden Roman „Wehrwolf“, so der Historiker, popularisierte das Wolfsangel-Symbol in der völkischen Bewegung. Später wurde die Wolfsangel unter anderem das Symbol der SS-Division „das Reich“. „Wehrwolf“ wurde im letzten Kriegsjahr zur Pflichtlektüre der Hitlerjugend, auch die NS-Organisation „Werwolf“, die nach der Kapitulation der Wehrmacht einen Guerilla-Krieg gegen die Alliierten führen sollte, bezog sich auf den Roman und nutzte die Wolfsangel als Symbol. Es zeugt also nicht von einem reflektierten Geschichtsbewusstsein, wenn man sich auf Hermann Löns beruft. Ich habe Herrn Lindhorst die Bedeutung des Symbols ausführlich erklärt, trotzdem weigert er sich den Findling zu versetzen. Das ist ein Affront gegen eine aufgeklärte Geschichtskultur, die Gedenkstätte und die Überlebenden des Konzentrationslagers.

"Keine Geschäfte mit Unterstützern von Faschisten" - Jusos Osnabrück diskutieren über Neumarkt-Investor
Der Stein des Anstoßes. / Foto: Celle Heute

Klare Verbindungen zur neuen Rechten

Für Professor Wagner stehen Jürgen Lindhorsts Verbindungen ins rechtsextreme Milieu außer Frage. Der Unternehmer lud unter anderem im Jahr 2018 den AfD-Politiker Björn Höcke zu einem „privaten politischen Abend“ ein. Er erklärte seine Unterstützung für das rechtsgerichtete Projekt „Hallo Meinung“ und bezeichnete Flüchtlinge als „nordafrikanische Schmarotzer.“ Außerdem soll er im vergangenen Jahr an Plänen beteiligt gewesen sein, gemeinsam mit der Thüringer AfD die „Alternative Service GmbH“ für Druckerzeugnisse zu gründen. Für das inzwischen nicht mehr weiterverfolgte Projekt  sollen zwei Gesellschafter vorgesehen gewesen sein, der AfD Landesverband Thüringen mit einem Geschäftsanteil von 25.000 Euro und Jürgen Lindhorst mit einem Anteil von 24.000 Euro. „Die Osnabrücker müssen selbst entscheiden, mit wem sie Geschäfte machen, ich persönlich würde das mit einem solchen Unternehmer nicht tun„, sagt Professor Wagner. „Alexander Lindhorst kann natürlich nichts für seinen Vater, aber sein Unternehmen hat einen Vorsitzenden und Anteilseigner, der klare Verbindungen zur neuen Rechten hat, das sollte mindestens zur Diskussion anregen.

Unsicherheit über die genaue Beteiligung von Jürgen Lindhorst

Am Ende der Veranstaltung entwickelte sich eine hitzige Diskussion, an der sich auch der Vorsitzende der SPD-Ratsfraktion und SPD-Landtagsabgeordnete Frank Henning beteiligte: „Ich teile die Kritik der Jusos an Jürgen Lindhorst zu 100 Prozent. Zur Zeit haben haben am Neumarkt aber zwei private Investoren ein Geschäft geschlossen, die Stadt Osnabrück hat damit erst etwas zu tun, wenn es um den Bebauungsplan geht. Ich habe mehrfach mit Alexander Lindhorst gesprochen, er ist CDU Mitglied und distanziert sich von seinem Vater. Außerdem besteht die Projektgesellschaft nur aus Alexander und seinen Kindern, er versichert, dass er die Geschäfte mit seinem eigenen Vermögen finanziere, wo sein Geld genau herkommt, ist aber eine offene Frage. Die Stadt Osnabrück kann den Bebauungsplan ohnehin nur aus städtebaulichen Gründen ablehnen, und wir wollen keine jahrzehntelange Brache am Neumarkt.“

Die an der Diskussion Beteiligten sprachen Anschließend über die wirtschaftlichen Verknüpfungen von Jürgen Lindhorst zum Projekt am Neumarkt, hier herrschte jedoch bei allen Teilnehmern der Onlinediskussion Unsicherheit und es gab hinsichtlich der genauen Beteiligungsstruktur der Lindhorst-Gruppe lediglich Mutmaßungen.
Für Mario, der wie viele Diskussionsteilnehmer seine genaue Identität nicht preisgab, ist das allerdings egal: „Es spielt keine Rolle, zu welchem Grad Jürgen Lindhorst am Neumarkt beteiligt ist, solange er daran verdient. Geld darf nicht in die Hände eines Faschisten fließen.


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Lukas Brockfeld
Lukas Brockfeld
Lukas Brockfeld ist seit dem Sommer 2019, erst als Praktikant und inzwischen als fester Mitarbeiter, für die Redaktion der HASEPOST unterwegs.

  

   

 

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