Oberbürgermeister Wolfgang Griesert nutzte die Narrenfreiheit des Ossensamstag um einen interessanten Hintergrundfakt zur aktuellen Diskussion über die rechtswidrige Sperrung des Osnabrücker Neumarkts zu verbreiten.
Über seinen privaten Facebook-Account postete das Stadtoberhaupt am Ossensamstag-Vormittag die Meldung, dass Til Schweiger heute nicht die Satire „Der Blaumilchkanal“ von Ephraim Kishon unter dem Titel „Gebt den Neumarkt wieder frei“ neu verfilmen werde.
Richtig sei jedoch, dass der Stadtbaurat [Frank Otte] dem Rechtsamt erst vier Stunden vor der Ratssitzung [vergangenen Dienstag] gesagt habe, dass auf dem gesperrten Neumarkt frühestens Ende April wieder Bauarbeiten gäbe.
Ernster Hintergrund der satirischen Meldung
Während der vergangenen Ratssitzung stand erstmals im Raum, dass von Seiten der durch Stadtbaurat Otte geleiteten Bauabteilung, dem städtischen Rechtsamt offensichtlich falsche Informationen über die tatsächliche Situation am Neumarkt gegeben wurden.
Mit dem heutigen Posting des Oberbürgermeisters ist nicht nur der Fakt dieser Fehlinformation bestätigt, sondern auch das ganze Ausmaß, in dem von Seiten eines städtischen Top-Managers die Unwahrheit aufrechterhalten wurde. Soweit bislang bekannt, nahm das Rechtsamt am 26. Januar – mit Bezug auf Informationen aus Ottes Abteilung – gegenüber dem Verwaltungsgericht Stellung, und begründete die Sperrung des Neumarkts mit Phantom-Baustellen, die faktisch nicht existent waren.
Wurde ein Gericht von Otte vorsätzlich falsch informiert?
Das Verwaltungsgericht hatte eine Stellungnahme angefordert, um über die Klage des Kaufmanns Bernd Klute entscheiden zu können, der angezweifelt hatte, dass mangels Bauarbeiten der zentrale innerstädtische Platz für den Individualverkehr gesperrt sein dürfe.
Noch während der Ratssitzung hatte der Oberbürgermeister dem Stadtrat empfohlen einem Antrag der CDU-Fraktion zu folgen, und den Neumarkt bis zum neuerlichen Beginn von Bauarbeiten, die frühestens im April zu erwarten sind, wieder zu öffnen. Für eine tatsächliche Sperrung des Neumarkts müsste ein entsprechender Ratsbeschluss und ein neuer Bebauungsplan herbeigeführt werden. Ein Bebauungsplan muss, bevor er Gültigkeit erlangt, verschiedene Instanzen der Bürgerbeteiligung durchlaufen. Wie unserer Redaktion von einem Mitglied der Grünen-Fraktion bestätigt wurde, sieht man auf Seiten der Sperrungsbefürworter keine Chance eine legale Aussperrung des Autoverkehrs vom Neumarkt noch vor der Kommunalwahl im September durchzusetzen.
Was hat es mit dem „Blaumilchkanal“ auf sich?
Der von Oberbürgermeister Griesert ins Spiel gebrachte „Blaumilchkanal“ ist Titel und Gegenstand einer „Bürokratie-Satire“ von Ephraim Kishon, die in den 70er Jahren auch verfilmt wurde. Die Geschichte handelt von einem aus der Irrenanstalt entflohenen Kasimir Blaumilch, der die wichtigste Hauptverkehrsstraße in Tel Aviv mit einem Presslufthammer aufreißt.
Während der Geisteskranke beginnt Fakten zu schaffen – für einen imaginären Blaumilch-Kanal – geraten Stadtverwaltung und Politik in Aufruhr. Erst gegen Ende der Geschichte landet das absurde Bauprojekt vor einem Untersuchungsgericht. Doch zu spät, der Irre hat bereits sein Unheil vollendet und die Stadt wird vom Mittelmeer durchflutet.
Der einzige Angestellte der Verwaltung, der die Absurdität der Angelegenheit durchschaut hat, wird in die Irrenanstalt eingewiesen. Währenddessen beginnt der entflohene Geisteskranke damit weitere Straßen aufzureissen.