Die Schallplattensammlung von Erich Maria Remarque ist der Ausstellung im gleichnamigen Friedenszentrum Osnabrück hinzugefügt worden. / Foto: Groenewold
Als Erich Maria Remarque, der Autor von „Im Westen nichts Neues“, im Jahr 1970 verstarb, hinterließ er eine beachtliche Schallplattensammlung. Insgesamt 752 Tonträger sind nun als Dauerleihgabe im Erich Maria Remarque-Friedenszentrum Osnabrück untergebracht. Alle Titel sind digitalisiert und Besucher können an den neu eingerichteten Hörstationen der Musik lauschen – genau in der Qualität, wie Remarque sie auf seinem Grammophon abgespielt hat – Knistern inklusive.
„Wir freuen uns sehr, die Schallplattensammlung Remarques heute der Öffentlichkeit zugänglich zu machen“, sagt Dr. Thomas F. Schneider, Leiter des Erich Maria Remarque-Friedenszentrums, und erzählt, dass Remarque tatsächlich zunächst eine musikalische Karriere angestrebt hatte: „Doch nachdem er sich im 1. Weltkrieg die Hand verletzte, war eine Karriere als Pianist nicht mehr möglich – die Musikaffinität blieb jedoch.“ So habe der Osnabrücker überall, auf seinen Reisen oder auf Flohmärkten, Schallplatten gekauft. „Dabei hatte er Interesse an jeglicher Musikform, die verfügbar war. In seiner Sammlung ist viel Klassik zu finden, von Bach über Mozart bis Strauss, aber auch Gesellschaftstänze aus Europa, Folklore-Musik und Jazz. Auch populäre Musik wie Schlager oder Chansons hat Remarque gerne gehört“, erläutert Claudia Junk vom Friedenszentrum.
Staub- und Nikotinschicht auf den Platten
Im Jahr 2015 ist die Sammlung aus der Nachlassverwaltung Remarques, der New York University, in das Osnabrücker Friedenszentrum gekommen. Stephan Schulte hat die Platten für das Friedenszentrum unentgeltlich digitalisiert: „Remarque hat die Platten in Stapeln ohne Hüllen aufbewahrt. Da musste ich die Platten erstmal von einer Staub- und Nikotinschicht befreien“, erzählt Schulte. „Mein Vater hatte zum Glück noch einen Plattenspieler, der auch die alten Schellack-Schallplatten abspielen kann – den habe ich dann mit meinem PC verbinden können. Das Abspielen der Platten war dann richtige Fließbandarbeit, drei bis vier Stunden habe ich immer nur die gleiche Handbewegung gemacht. Die Platte läuft ja drei Minuten und muss dann gedreht werden.“ Insgesamt habe der Prozess ungefähr anderthalb Jahre gedauert.
Tonspuren mit Knistern
Nur die ganz alten Platten mussten dabei restauriert werden. „Ungefähr vier bis fünf Platten musste ich mit Tesafilm wieder zusammenkleben. Das Knacken beim Abspielen an den Stellen habe ich dann am PC entfernt. Bei anderen ganz alten Platten musste ich mit einer Restaurierungssoftware arbeiten, damit man überhaupt etwas hören kann“, so Schulte. Ansonsten seien die Platten mit der originalen Tonspur in eine digitale Version umgewandelt worden. „Natürlich sind viele Titel online in einer glatten Version zu finden. Aber wir wollen der Öffentlichkeit die Tonspuren so anbieten, wie Remarque sie gehört hat – mit dem Knistern des Plattenspielers“, ergänzt Junk.
Älteste Platte von 1910
Die zweite Herausforderung des Projekts bestand darin, Informationen über die Tonträger herauszufinden. „Zum Teil hat es sehr lange gedauert, zu ermitteln, von wann die Pressung ist. Das hat auch damit zu tun, dass Remarque die Hüllen der Platten entfernt hat. Es sind noch einige Lücken da, aber wir haben auch einiges herausgefunden“, sagt Junk. Die älteste Platte sei ungefähr von 1910, die jüngste von 1970. „Teilweise sind da auch illegale Pressungen dabei, was Remarque vielleicht auch gar nicht wusste. Das hat den Prozess auch nicht gerade leichter gemacht.“ Aus den Daten ist ein Verzeichnis erstellt worden, die nun die Grundlage für die Informationen bei den Hörstationen bilden.
Aufwendige Programmierung
Ein Teil der Tonträger ist bereits jetzt an den Hörstationen zu hören. Die Digitalisierung sei zwar abgeschlossen, aber die Titel müssen noch in MP4-Formate konvertiert, und die Datenbank muss programmiert werden. „Das dauert noch ungefähr drei bis fünf Jahre. Die Programmierung für die Tablets an den Hörstationen sind sehr aufwendig. Ich schaffe es, pro Woche ungefähr zehn Titel reinzustellen“, sagt Junk. Die Dokumentation sei auch wichtig, damit auch wissenschaftlich mit der Musik gearbeitet werden könne. „Der Einfluss der Musik auf Remarques Texte ist versteckt, aber mit Sicherheit da. Da müsste sich jemand systematisch dransetzen. Diese Arbeit steht noch aus“, so Schneider. Das Projekt wurde durch den Osnabrücker Landschaftsverband mit 9.000 Euro unterstützt.