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Davos (dts Nachrichtenagentur) – Während Bundeskanzler Olaf Scholz die deutsche Ökonomie zurück auf der Spur sieht und die neue „Deutschland-Geschwindigkeit“ gepriesen hat, hält der Wirtschaftshistoriker und Bestseller-Autor Niall Ferguson die deutsche Wirtschaft als schlecht gerüstet für die Herausforderungen. „Die deutsche Wirtschaft hat sehr gut zum 20. Jahrhundert gepasst“, sagte Ferguson der „Welt“ (Donnerstagsausgabe) in Davos.
Das 21. Jahrhundert habe die Anfälligkeiten offenbart. „Vor dem Ukrainekrieg habt ihr in Deutschland ein wahnhaftes Leben geführt und geglaubt, dass `Mutti` euch dauerhafte Stabilität verschafft hat. Seit Kriegsausbruch ist klar, dass das deutsche Modell von russischem Gas, von Exporten nach China und von Amerikas Sicherheitsgarantien abgängig ist“, sagte Ferguson und kritisierte damit auch die 16 Jahre dauernde Kanzlerschaft von Angela Merkel. „Merkels Erbe ist, dass Deutschland wieder der Michel ist, der er im 19. Jahrhundert war.“
Ferguson ist Wirtschaftshistoriker bei der Denkfabrik „Hoover Institution“. Er hält Scholz nicht verantwortlich für den abgehängten Zustand des Standorts Deutschland. „Wenn man überlegt, was man am 24. Februar vergangenen Jahres über die weitere Entwicklung in Deutschland und Europa dachte, kann man nicht sagen, dass er sich schrecklich schlägt“, sagte Ferguson. Zumindest wirtschaftlich laufe es besser, als damals erwartet wurde.
„Das große Problem ist vielmehr, dass Scholz mehr Objekt als Subjekt ist. Was in Deutschland passiert, was in Europa passiert, hängt von den Entscheidungen ab, die in Washington, Moskau und Peking getroffen werden.“ Deshalb ist es schwieriger, Kanzler zu sein als zu Angela Merkels Zeiten.