Volker Bajus will 2021 Oberbürgermeister von Osnabrück werden! Zumindest auf den Fluren des Osnabrücker Rathauses gilt dies als ausgemachte Sache, eine offizielle Bestätigung steht allerdings noch aus. Bis zur OB- und der parallel stattfindenden Kommunalwahl im kommenden Herbst ist es auch noch ein wenig hin. Doch manch ein Beobachter des politischen Osnabrücks wundert sich über die Hektik und Vehemenz mit der die Osnabrücker Grünen, allen voran Volker Bajus, trotz Sommerpause derzeit Pressemitteilungen abfeuern und dabei die Verwaltung und den Oberbürgermeister unter Beschuss nehmen. Ist das alles schon Wahlkampf?
Osnabrücker Grüne agieren wie Oppositionspartei
Kurz nach der Brandkatastrophe vergangene Woche kritisierte Volker Bajus zusammen mit dem Ratsmitglied Sebastian Bracke die Stadtverwaltung für mangelnden Brandschutz und mangelnde Kontrolle der abgebrannten Reinigungsmittelfirma im Fledder; eine Woche später legte Bajus am Dienstag nochmals nach, erneut mit Vorwürfen gegen die Verwaltung, diesmal assistiert von Parteifreund Thomas Klein.
Dem Beobachter drängt sich bei so viel Kritik an der Verwaltung fast der Eindruck auf, als seien die Osnabrücker Grünen nicht mehr Teil der bunten Regenbogenmehrheit im Rat, sondern würden als Opposition agieren.
Bajus will von OB Griesert nicht richtig informiert worden sein
Vor knapp drei Wochen kritisierte Bajus Oberbürgermeister Griesert bereits wegen der im vergangen Jahr kurzfristig gestoppten Neugestaltung des Neumarkts und der Johannisstraße, ausgelöst durch Zweifel an der Haltbarkeit der vom Architektenbüro Lützow 7 vorgeschlagenen Beton-Oberfläche. „Wenn er das Projekt zur Chefsache macht, warum hat es dann nicht die Priorität, die es verdient.“, kritisierte Bajus den OB.
Am Montag dieser Woche wiederholte der designierte OB-Kandidat Bajus seine Kritik und legte nach: „Jetzt muss alles auf den Tisch und der Oberbürgermeister für Klärung sorgen“, forderte Bajus zusammen mit wieder einem anderen Parteifreund, diesmal Michael Hagedorn.
Dabei deuteten die beiden an, der Rat könne vom OB „falsch informiert worden“ sein und bezogen sich auf einen Brief des inzwischen geschassten Berliner Architekturbüros.
Griesert meldet sich aus dem Urlaub und stellt klar…
Der so angegriffene OB reagierte am Dienstag aus dem Urlaub und antwortete den Grünen und ihrem ambitionierten Fraktionsvorsitzenden Volker Bajus in einer ausführlichen Stellungnahme, die wir ungekürzt veröffentlichen.
Oberbürgermeister Wolfgang Griesert erinnert die Grüne Ratsfraktion daran, dass sie mitbeschlossen hatten über den nicht-öffentlich tagenden Verwaltungsausschuss (VA) selbst Verantwortung für den Neumarkt zu übernehmen. Zudem sollen, so Griesert, die im VA vertretenen Politiker – darunter auch Volker Bajus – bereits seit 2017 alle zwei Wochen über den aktuellen Status am Neumarkt informiert worden sein.
Die Reaktion von OB Griesert im Wortlaut:
„Der Vorsitzende der Grünen im Stadtrat, MdL Volker Bajus, macht sich offenbar Vorhaltungen des von der Stadt beauftragten Neumarkt-Planers zu eigen, obwohl seine Fraktion seit langem in die Vorgänge einbezogen ist. Da scheint politisches Kalkül im Spiel. Denn Fragen und Beschlüsse zum Neumarkt-Projekt wurden in der Vergangenheit im Rat zwar oft politisch kontrovers und manchmal polemisch diskutiert, aber nicht zuletzt auf Initiative der Grünen hat vor drei Jahren der Verwaltungsausschuss einstimmig beschlossen, beim Neumarkt über das übliche Maß hinaus Verantwortung auch für das operative Handeln zu übernehmen. Deshalb erläutern Dr. Claas Beckord als städtischer Projektleiter und ich als Oberbürgermeister seit 2017 alle zwei Wochen im Verwaltungsausschuss die Sachstände, Handlungsoptionen und Entscheidungen zum Einkaufszentrum, zum Gebäude vor H&M, zum ehemaligen ‚Sport-Arena‘-Haus, zu Nachbarklagen und zu Verkehrsregelungen. Und ebenso zu Kanalarbeiten und zur Umgestaltung der Verkehrsflächen auf dem Neumarkt und der Johannisstraße.
Für die Gestaltung eben dieser Platz- und Straßenflächen hatte das Baudezernat 2013 einen Wettbewerb durchgeführt, bei dem die Jury empfahl, den Entwurf von Lützow7 aus Berlin umzusetzen. Die Bauverwaltung hat dann 2014 die Arbeitsgemeinschaft Lützow7/BPR mit der Planung beauftragt. Als die Ausführungspläne und Unterlagen für die europaweite Ausschreibung vorlagen, wurden die Ratsgremien im Zusammenhang mit Schäden am Rosenplatz über Zweifel der Tiefbauverwaltung an der Tauglichkeit des vorgeschlagenen technischen Aufbaus und der Umsetzbarkeit der Gestaltungsidee informiert. Die Vergabe der Bauleistungen wurde deshalb Mitte 2019 gestoppt. Der Verwaltungsausschuss wurde seitdem über die Gespräche mit der ARGE Lützow7/BPR zur Einforderung einer tauglichen Lösung sowie über die Einschaltung eines Gutachters und dessen Beurteilung der umfangreichen Planungsmängel informiert. Der Leiter der Tiefbauverwaltung und seine Mitarbeiter standen dabei dem Ausschuss für Rückfragen zur Verfügung. Das galt ebenso Anfang Juli beim einstimmigen Beschluss zum Auftragsverhältnis mit der ARGE, die die Verantwortung für die Tauglichkeit auch ihrer alternativen Planungsskizzen bis heute bei der Stadt sieht und keinen der qualifiziert vorgetragenen Mängel anerkennt.
Auch wenn der Tiefbaubereich seit 2019 zum Bereich von Finanzvorstand Thomas Fillep und nicht mehr zum Bereich von Stadtbaurat Frank Otte gehört, sollten die Grünen an der Qualifikation und Sorgfalt der städtischen Ingenieure nicht zweifeln. Trotz der erschwerenden Corona-Umstände haben die dort Verantwortlichen nach den zuletzt immer einstimmig gefassten Beschlüssen die Rückendeckung aller Fraktionen verdient. Ich stelle mich ausdrücklich vor die Verwaltung und fordere die Grünen auf, es mir gleich zu tun. Dass sie das vor zwei Wochen ohne Gegenstimmen beschlossene Vorgehen nun aufkündigen wollen, ohne die eingeforderte Klärung abzuwarten, ist unglaubwürdig und widersprüchlich. Es wäre aber nicht das erste Mal. So wurde mit den Stimmen der Grünen der Durchführungsvertrag zum EKZ zulasten des bestehenden innerstädtischen Handels aufgeweicht. So wurde trotz fehlender Voraussetzungen die Sperrung des Neumarktes beschlossen, was dann gerichtlich untersagt wurde. Auch haben die Grünen einer Unterbauung der täglich von hunderten Bussen überfahrenen Neumarktfläche zugestimmt, um dem privaten Hotelprojekt vor H&M mehr Flächen zu verschaffen. Die Verwaltung hatte in allen Fällen mit guten Gründen abgeraten.
Der Neumarkt birgt für Rat und Verwaltung nicht nur perspektivisch noch viele Herausforderungen und Unwägbarkeiten. Die größten hiervon betreffen aktuell die Platzgestaltung und die Entwicklung der Grundstücke von Unibail-Rodamco und Dr. Bergmann. Mit welchen externen Partnern Rat und Verwaltung dabei zusammenarbeiten wollen oder müssen, sollte in einem vertrauensvollen Klima erörtert werden. Die Diskussionen zum Tiefbau können vielleicht das Sommerloch füllen, sie bringen die Neugestaltung des Neumarktes und der Johannisstraße aber keinen Schritt voran!“
Kommentar des Autors
Aufklärung muss sein, sowohl wenn es um die Folgen der Brandkatastrophe für die Hase geht, als auch hinsichtlich des andauernden Stillstands am Neumarkt.
Dass Volker Bajus nun aber wie eine One-Man-Oppositionspartei agiert und wechselnde Parteifreunde für Pressemitteilungen nutzt um Verwaltung und Oberbürgermeister unter Dauerfeuer zu setzen, hilft weder in der Sache noch ist es angesichts der Position der Grünen im Stadtrat eine gerechtfertigte Reaktion.
Die Grünen sind immer noch ein Teil der regenbogenbunten Mehrheitskoalition im Stadtrat und tragen damit auch gemeinsam mit der grundsätzlich neutralen Verwaltung einen Großteil der Verantwortung für das was am Neumarkt, im Fledder und an der Hase passiert.
Wenn Bajus nun versucht einen anderen Eindruck zu vermitteln um sich in Vorbereitung auf die kommende Oberbürgermeister- und Kommunalwahl als kritischer Mahner und Aufklärer zu positionieren und gleichzeitig vom selbst mitverschulden Neumarkt-Desaster zu distanzieren, bewegt er sich auf sehr dünnem Eis.
Wolfgang Griesert ist berüchtigt dafür ein sehr gutes Gedächtnis zu haben; seine Klarstellung heute sollte Bajus als Warnschuss verstehen. Da könnte durchaus noch das ein oder andere Protokoll einer Sitzung auftauchen, aus dem dann deutlich hervorgeht wo überall die Osnabrücker Grünen, allen voran Volker Bajus, mitgestimmt und Verantwortung übernommen haben.