Unsere Redaktion war sehr gespannt, als wir am Montag von Seiten der Zion GmbH die Einladung erhielten, bei einer mit Vertretern der Bauaufsicht geplanten Begehung des alten Güterbahnhofes dabei zu sein.
Worum es genau ging, erfuhren wir erst eine knappe Stunde vor dem für 10 Uhr angesetzten Termin.
In einer mehrseitigen „Erklärung“, die uns von Zion-Rechtsanwalt Nikolai Zutz am Morgen per E-Mail zugeschickt wurde, führt dieser zahlreiche Punkte auf, bei denen er Versäumnisse durch die Stadtverwaltung sieht.
Unser Aufenthalt vor Ort währte allerdings nur kurz, da wir aus Gründen der Solidarität mit Kollegen, denen Hausverbot erteilt wurde, den Termin vorzeitig abbrechen mußten. Doch dazu weiter unten mehr.
Freiraum Petersburg ohne Baugenehmigung?
Carsten Gronwald, der über einen noch mit dem Vorbesitzer vereinbarten Mietvertrag für Teile des Geländes verfügt, wird von der Zion GmbH der Vorwurf gemacht, ohne Baugenehmigung eine kommerzielle und gewerbliche Vermietung von Proberäumen zu unternehmen.
Man habe, so der Anwalt der Zion GmbH, die Stadt Osnabrück regelmäßig und seit zwei Jahren mündlich und schriftlich auf diesen Umstand hingewiesen. Entsprechende Maßnahmen seien von der Verwaltung nicht ergriffen worden.
Der Stadt Osnabrück wird konkret vorgeworfen eine „rechtswidrige Nutzung“ zu dulden, ohne dass es dafür einen „sachlichen Grund“ gäbe.
Nutzt die Kleine Freiheit ohne Genehmigung fremde Flächen?
Auch dem Mieter „Kleine Freiheit“ werden in dem unserer Redaktion vorliegenden Schreiben massive Vorwürfe gemacht. Nach Darstellung der Zion GmbH werden im Außenbereich Flächen genutzt, die außerhalb der (von der Zion GmbH) an den Club vermieteten Fläche liegen würden. Diese „rechtswidrige Nutzung“, so Anwalt Nikolai Zutz, werde seitens der Stadt ebenfalls „seit Jahren“ stillschweigend hingenommen.
Bricht die Stadt ihre eigene Nutzungs- und Änderungssperre?
Der im Eigentum der Stadt befindliche Ringlokschuppen, für dessen zukünftige Nutzung noch immer kein Konzept vorliegt, wird aktuell teilweise dem Kulturverein Petersburg zur Verfügung gestellt. Die brachliegenden Freiflächen wurden vom Projekt „Queerbeet“ bepflanzt.
Diese Nutzung sei gegen die von der Stadt erst kürzlich nochmals verlängerte Veränderungssperre und „unzulässig“.
Wie os1.tv am Mittwochabend berichtet, wird den Kulturschaffenden derzeit die Zufahrt zum Ringlokschupen über eine gepflasterte Straße, wie es das Landgericht Osnabrück im Juli in einem Urteil entschieden hatte, durch Bauzäune verhindert. Erst in zwei bis drei Wochen könnte eine Berufungsverhandlung vor dem Oldenburger Oberlandesgericht hier Klarheit schaffen.
Wird der Musikclub Connection nur aufgrund anonymer Hinweise überprüft?
Der erst kürzlich eröffnete und vor allem bei russischstämmigen Gästen beliebte „Musikclub Connection“ hingegen werde, so der Anwalt der Zion GmbH, nur aufgrund einer anonymen Anzeige Gegenstand einer Begehung.
Die Zion GmbH argumentiert, dass ausgerechnet für diesen gastronomischen Betrieb tatsächlich eine unbefristete Baugenehmigung vorliegen würde, und das die Stadt Osnabrück erst im September eine Ausschankerlaubnis erteilt hätte.
Termin mit städtischen Mitarbeitern wurde offenbar vorzeitig abgebrochen
Ob der heutige Termin tatsächlich vereinbart wurde, um (nur) dieser anonymen Anzeige nachzugehen, entschließt sich allerdings unserer Kenntnis.
Auf Nachfrage konnte ein Mitarbeiter des städtischen Presseamtes keine Auskunft dazu geben. Auch nach Übersendung einer detaillierten schriftlichen Anfrage lag bis zum Abend keine Antwort von Seiten der Stadtverwaltung vor.
Der fragliche Termin am Mittwochmorgen wurde schon gut eine Viertelstunde, nachdem die städtischen Mitarbeiter am alten Güterbahnhof eingetroffen waren, bereits wieder beendet. Nach eingehender Diskussion mit Güterbahnhof-Eigner Gervelmeyer und seinem Anwalt bestiegen die Verwaltungsmitarbeiter erneut ihr Auto und fuhren davon.
Aus den uns von der Zion GmbH übersandten „Erklärung zur Begehung des alten Güterbahnhofs“ ergibt sich das Bild, dass von Seiten der Stadtverwaltung offensichtlich nur die Inaugenscheinnahme des Musikclub Connection geplant gewesen war. Vermutlich wurde von Seiten der Zion GmbH gefordert auch die anderen, nach ihrer Ansicht illegalen Nutzungen vor Ort zu inspizieren.
Anwalt von Carsten Gronwald verweigert Besichtigung vorab
In einem unserer Redaktion ebenfalls vorliegenden anwaltlichen Schreiben, das in den frühen Morgenstunden an den Rechtsanwalt Zion GmbH gefaxt wurde, erklärt der Anwalt von Carsten Gronwald, dass sein Mandant nicht über eine bevorstehende Besichtigung durch Mitarbeiter der Stadt informiert worden sei.
Selbst wenn von Seiten der Stadt irgendwann einmal eine angekündigte Inaugenscheinnahme erfolgen sollte, so der Anwalt von Gronewald, der noch bis Ende 2018 einen Mietvertrag für seine Räumlichkeiten hat, wird so ein Termin ohne Teilnehmer der Zion GmbH erfolgen.
Für die Zukunft wurde der Zion GmbH und ihren Vertretern von Gronewalds Anwalt das Betreten der von Gronewald angemieteten Räumlichkeiten untersagt.
Hausverbote sind rund um den Güterbahnhof ein offenbar gerne verwendetes Mittel der Auseinandersetzung.
Auch gegenüber Stadtbaurat Frank Otte wurde von der Zion GmbH bereits ein solches Verbot verhängt. Der Stadtbaurat erhielt durch die Zion GmbH zusätzlich diverse Dienstaufsichtsbeschwerden.
os1.tv wird der Zutritt zum Güterbahnhof verweigert: wir gehen auch!
Zu diesem Zeitpunkt waren wir allerdings schon wieder außerhalb des Geländes. Kurz nachdem wir am ehemaligen Güterbahnhof eingetroffen waren, erschien auch ein Team des Osnabrücker Lokalsenders os1.tv. Mit dabei Redaktionsleiter Marcel Trocoli Castro, der bereits mehrfach kritisch über die Zion GmbH und die Freikirche Lebensquelle e.V. berichtete, und auch einer der Osnabrücker ist, der für Teile dieses Geländes mit einem Hausverbot belegt ist
Schon von weitem rief Ralf Gervelmeyer, Geschäftsführer der Zion GmbH, den Kollegen entgegen, ihnen sei das Betreten des geländes verboten.
Woher die Kollegen von os1.tv von dem Ortstermin erfahren hatten, wollten diese nicht sagen. Ralf Gervelmeyer äußerte die Vermutung, dass hier von höchster Stelle in der Stadtverwaltung ein Tipp gegeben wurde. Nur soviel: von uns hatten sie nicht davon erfahren.
Nach kurzer Besprechung zwischen HASEPOST-Herausgeber Heiko Pohlmann und Heiko Westermann, der als Fotograf für uns vor Ort war, stand der Entschluss: wir gehen auch!
Vorab versuchten wir die Situation zu retten, in dem wir verhandelnd nachfragten, ob nicht wenigstens dem Kameramann von os1.tv das Betreten und die Teilnahme erlaubt sei, doch Gervelmeyer blieb hier hartnäckig.
Warum wir uns dann vom Güterbahnhof verabschiedet haben:
Grundsätzlich hätten wir von der HASEPOST kein Problem damit bei einem solchen Termin exklusiv dabei zu sein. Auf Nachfrage erklärte Trocoli Castro, er hätte über eine eigene Quelle schon vor unserer Redaktion von dem Termin erfahren. So funktioniert guter Journalismus: durch verlässliche Quellen!
Selbstverständlich ist das Hausrecht eines Grundstückseigentümers ein hohes Gut. Jedoch einzelne Redaktionen zu einem Termin einzuladen und anderen Journalisten die Teilnahme zu verweigern, ist ein Unding und in unseren Augen ein nicht hinnehmbarer Eingriff in die Arbeit der Presse.
Fotos: Heiko Westermann
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