Knapp neun Monate vor der Kommunalwahl übernimmt Susanne Hambürger dos Reis den Vorsitz der SPD-Ratsfraktion von Frank Henning, der sich fortan auf seine Kandidatur um den Chefposten im Rathaus konzentrieren will.
Es ist sicher nicht der optimale Zeitpunkt, um den Vorsitz der SPD-Ratsfraktion zu übernehmen. Gerade eben haben zwei Mitglieder die Fraktion der Osnabrücker Sozialdemokraten verlassen, der Bundestrend spricht auch nicht unbedingt für die SPD – und vor dem Hintergrund von Corona stehen Osnabrück sehr bald auch finanzpolitisch turbulente Zeiten bevor.
Aber schaut man sich den Lebenslauf von Susanne Hambürger dos Reis an, dann war “einfach” oder “richtiger Zeitpunkt” wohl noch nie ein Maßstab für die examinierte Krankenschwester, die erst seit 10 Jahren SPD-Mitglied ist.
Keine Arbeiter-Stallgeruch: die Eltern waren Unternehmer
An ihrer Wiege klangen weder Schalmeien noch Arbeiterlieder und sie begann ihre Parteikarriere nicht früh in sozialistischen Jugendlagern oder bei den als Kaderschmiede fungierenden Jusos. Tatsächlich waren die Großeltern und Eltern Fuhrunternehmer erst mit Pferd und Wagen und später Spediteure mit eigener LKW-Flotte. Also der klassische gehobene bürgerliche Mittelstand, kein Arbeiterhaushalt.
Der Fledder, in dem Susanne Hambürger dos Reis als waschechte Osnabrückerin aufwuchs, war damals noch ein ganz normaler Stadtteil, nicht der inzwischen von der Hannoverschen Straße dominierte Gewerbebereich zwischen Voxtrup, Autobahn und Neustadt.
Doch in den 70er Jahren, vor dem Hintergrund von Ölkrise und Wirtschaftsflaute, endete die Selbständigkeit der Eltern. Susanne Hambürger dos Reis erinnert die aktuelle Corona-Lage, und dass, was uns Post-Corona erwartet, an diese schwere Zeit ihre Eltern.
Kritische Großmutter und Initiative bei der Jobwahl
In den 80er Jahren, als die inzwischen 55-Jährige erstmals wählen durfte und sich beruflich orientierte, war es die Großmutter, die sie ermutigte SPD zu wählen. Die Oma hatte selbst immer “heimlich” SPD gewählt, wie die Enkeltochter irgendwann erfuhr.
Einen Ausbildungsplatz als Krankenschwester zu bekommen, war in den 80er Jahren, auf dem Höhepunkt der Babyboomer-Welle, auch nicht leicht – und nicht unbedingt das, was sich die Eltern als Berufsweg ihrer Tochter erhofft hatten. Rückblickend aber ein Glücksfall, denn beim Job lernte sie ihren Mann kennen, mit dem sie seit 1986 verheiratet ist und einen gemeinsamen Sohn hat.
Über den Neumarkt zur SPD
SPD-Mitglied war Hambürger dos Reis da noch lange nicht. Trotz grundsätzlicher Zuneigung zur SPD und der Motivation durch die Großmutter, brauchte es die Teilnahme an der Bürgerwerkstatt zum Neumarkt, um das Interesse an praktischer Politik zu wecken. Ulla Groskurt, SPD-Urgestein und damals Landtagsmitglied, nahm das Politik als Mentorin unter ihre Fittiche. Eine erste Kandidatur für den Stadtrat scheiterte trotz gutem dritten Listenplatz, 2016 klappte es dann; am Ende der Wahlperiode hat sie es bereits an die Spitze der Fraktion geschafft.
Führungsqualitäten bei der Wohnungsgesellschaft
Nicht nur in Kreisen der SPD hat sich die inzwischen nur noch in Teilzeit als Krankenschwester arbeitende Frau aus der Wüste großen Respekt durch ihre Arbeit bei der Gründung der Wohnungsgesellschaft „WiO“ erarbeitet. Inzwischen begleitet sie den Aufbau der Osnabrücker Wohnungsgesellschaft als Aufsichtsratsvorsitzende.
Überheblichkeit ist Susanne Hambürger dos Reis, trotz der schnellem aber auch späten Parteikarriere fern. Im Pressegespräch anlässlich der einstimmigen Wahl durch die SPD-Ratsfraktion erhofft sie sich 100 Tage Kulanz, wohl auch von der Presse, bis sie sich richtig in die neue Führungsrolle eingearbeitet hat.
Angesichts des bereits begonnenen Wahlkampfs für den Superwahlmonat September, werden das wohl sehr kurze 100 Tage werden.