Erst das „Neo“ an der Pagenstecherstraße und jetzt das „Gleis 3“ an der Neulandstraße: Bereits zwei Osnabrücker Clubs mussten im Zuge der Corona-Krise geschlossen werden, weil nach Feststellung durch Ordnungsbehörden die Corona-Verordnung nicht befolgt wurde. Der Betreiber des Clubs „Gleis 3“ kritisiert die behördliche Schließung der Bar, in der sich nach eigenen Angaben über den gesamten Freitagabend nur knapp 140 Gäste befunden hätten.
In der Nacht zu Samstag wurde die Osnabrücker Polizei zusammen mit Mitarbeitern des Ordnungsamts nach anonymen Hinweisen zum Club „Gleis 3“ in die Neulandstraße gerufen. Nach Angaben der Beamten und der Stadt Osnabrück war die Tanzfläche gut gefüllt und die Maskenpflicht abseits vom Sitzplatz wurde kaum eingehalten. Nach Schätzungen der Verantwortlichen befanden sich knapp 250 Gäste in der Diskothek. „Diese Ignoranz ärgert mich gerade in Anbetracht steigender Infizierten-Zahlen in der Altersgruppe der 19- bis 35-Jährigen enorm“, erklärte Katarina Pötter, Sozialdezernentin der Stadt Osnabrück, in einer Pressemitteilung am vergangenen Samstag. „Hier wurden die in der Niedersächsischen Corona-Verordnung festgeschriebenen Regeln erneut ignoriert“, hält Pötter fest. Clubs und Diskotheken dürfen aktuell nur zum Schank- und Speisenbetrieb geöffnet werden; Tanzveranstaltungen sind untersagt. Elvedin Škrijelj, Geschäftsführer von „Gleis 3“, hält dagegen und erklärt, dass am vergangenen Samstag nicht gegen die Corona-Verordnung verstoßen wurde.
Hinweise auf Hygieneregelungen
Am Dienstag nach der Razzia lud der Betreiber des Gleis 3 ein Redaktionsmitglied in die Räumlichkeiten an der Neulandstraße, dem ehemaligen „Works“, ein, um seine Ansichten zu den Geschehnissen am vergangenen Freitag zu äußern. Nach einer kurzen Begrüßung folgte eine knappe „Führung“ durch das Innenleben des Gleis 3. Schilder an Säulen weisen auf das Tanzverbot, sowie die notwendige Einhaltung der aktuellen Hygieneregelungen hin. Gegen diese Regelungen soll allerdings an besagtem Abend verstoßen worden sein.
Beobachtungen und Hinweise
Gegen 2:20 Uhr „hat die Polizei den Laden gestürmt“, erklärt Clubbetreiber Škrijelj. Die Mitarbeiter vom Ordnungsamt haben währenddessen vor der Tür gewartet. Grund für die Kontrolle seien, teils anonyme, Hinweise gewesen, die darauf hindeuteten, dass es im Gleis 3 zu Verstößen gegen die aktuellen Corona-Auflagen gekommen sei. Erhärtet wurde dieser Verdacht durch Beobachtungen einiger Beamter in Zivil. „Unter anderem wurde auch gegen das Rauchverbot verstoßen. Des Weiteren ist festgelegt, dass die Gäste nur an ihren festen Sitzplätzen die Masken abnehmen können – diese Vorgabe wurde nicht eingehalten. Es haben Leuten getanzt und der Betreiber ist nicht eingeschritten“, äußert Simon Vonstein, Pressesprecher der Stadt Osnabrück, im Gespräch mit unserer Redaktion.
Verstoß gegen das Rauchverbot
Der Barkeeper, dessen Namen auf eigenen Wunsch von unserer Redaktion nicht genannt werden soll, und Clubbetreiber Škrijelj halten dagegen: Die „Maskenpflicht“ sei beachtet worden – keine Maske, kein ausgefüllter Zettel – kein Einlass. Bei Verstößen gegen die Regelung sei die jeweilige Person direkt vom Personal angesprochen worden. Im Gespräch mit unserem Redaktionsmitglied schildert der Clubbetreiber, dass das Servicepersonal von den Polizeibeamten ausschließlich auf den Verstoß gegen das Rauchverbot aufmerksam gemacht wurden. Die Barleitung, die inzwischen ein paar Meter entfernt auf einem Hocker Platz genommen hat und genüsslich an einer Zigarette zieht, hat den Ausführungen seines Chefs erstmal nichts hinzuzufügen.
Bändchen und Corona-Kontaktzettel
Laut des Clubbetreibers hätte man anhand von Bändchen und den Corona-Kontaktzetteln nachvollziehen können, wie viele Gäste tatsächlich vor Ort waren. Den Außenbereich eingeschlossen dürften sich maximal 150 Personen im Gleis 3 aufhalten. Zu Beginn des Abends seien am Einlass 150 Bändchen bereitgestellt und an jeden, der den Club betritt, verteilt worden. Beim Verlassen des Lokals würden die Besucher den genauen Zeitpunkt auf dem Corona-Kontaktzettel eintragen und diesen abgeben – das Bändchen könne man behalten – so weit die Theorie. Laut Clubbetreiber hätten sich, verteilt auf die gesamte Nacht, insgesamt 143 Personen im Gleis 3 befunden. Der Barkeeper erinnert sich an einen insgesamt „sehr ruhigen Abend“. Der Innenbereich sei jedoch verhältnismäßig voll gewesen, da der Außenbereich zum Zeitpunkt der Kontrolle bereits geschlossen war.
Korrekte Dokumentation der Gäste?
In einer Pressemitteilung sprach die Stadtverwaltung am vergangenen Samstag allerdings von 250 Gästen. Vonseiten der Stadt wird die Korrektheit der Dokumentation der Gäste, seitens des Clubbetreibers, angezweifelt. „Es ging in erster Linie darum, dass der Betreiber eine gewisse Dokumentationspflicht hat. Das hat nicht auf die Art und Weise funktioniert, wie es sollte. Es darf nicht passieren, dass jemand mit dem Zettel, auf dem die Kontaktdaten stehen, geht“, stellt Vonstein klar.
Einladung zum Tanzen
Für weiteren „Diskussionsstoff“ zwischen Stadt Osnabrück und Škrijelj sorgte unter anderem die Lautstärke der Musik. Demnach „sollte die Musik das Tanzen und sich bewegen schmackhaft machen“, erklärt Vonstein. Die Beschallung hätte in ihrer Lautstärke eher den Eindruck von Clubatmosphäre vermittelt, die zum Tanzen anstatt zum Reden einlädt. „Wegen der massiven Verstöße hat die Ordnungsbehörde der Stadt Osnabrück die sofortige Schließung des Betriebes bis Sonntag, 27. September, 24 Uhr angeordnet. Zudem wurden Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet. Der Betreiber der Diskothek muss nun mit einem Bußgeld von bis zu 25.000 Euro rechnen“, heißt es in einer Pressemitteilung der Stadt Osnabrück. Seit besagter Nacht von Freitag auf Samstag blieben die Türen des Gleis 3 daher für Clubatmosphärenliebhaber und andere Gäste geschlossen. Bisher habe Škrijelj noch „nicht schriftliches“ vom Ordnungsamt erhalten, für den kommenden Freitag plane der Clubbetreiber allerdings bereits die „Wiedereröffnung“.
Massive Umsatzeinbußen nach Polizei-Aktion
Die vorübergehende Schließung des Gleis 3 sei für den Clubbetreiber mit hohen Kosten und einer „massiven Umsatzeinbuße“ verbunden. Dabei sei das Hygienekonzept, in der Theorie, mehrfach abgesegnet worden. „Fair behandelt wird man als Gastronom nicht“, fügt der Barkeeper hinzu. Ein Telefonat mit dem Ordnungsamt zur Besprechung des Hygienekonzepts sei, laut der jungen Männern, von der anderen Seite abgelehnt worden. Zum aktuellen Zustand gebe es keine Konkretisierungen seitens der Behörden.
„Tanzverbot“
Abschließend versuchte der Clubbetreiber die Rolle des fragestelltenden Interviewparts zu übernehmen und bat unser Redaktionsmitglied, in „fröhlich“-dunkler Atmosphäre und bei laufender Tonaufzeichnung, um eine persönliche Einschätzung, ob die mit Tischen und Barhockern bestellte Fläche überhaupt zum Tanzen geeignet sei. Ob dieses Verhalten als professionell und angebracht zu bewerten ist überlassen wir an dieser Stelle dem Leser. Um die Fragestellung an diesem Punkt aufzugreifen: Videos von besagtem Abend, die unserer Redaktion im Voraus zugetragen wurden, zeigen – wo ein Wille, da auch ein Weg. Das Material wurde zwar mit dem Hinweis zugestellt, dass besagte, tanzende Personen zu einem Haushalt gehören, dies setzt allerdings nicht die Regelungen des Landes Niedersachsen außer Kraft, dass eine Bar mit Schankwirtschaft unter anderem nur unter der Voraussetzung geführt werden darf, dass die Gäste an ihren Tischen sitzen und auf das Tanzen verzichten.
Foto- und Videoaufnahmen
Fest steht: Sowohl die Stadt Osnabrück, als auch die Clubbetreiber führen Videoaufnahmen an. Die Barleitung spricht von mehreren Video- und Fotoaufnahmen über den ganzen Abend verteilt: „Da ist ganz klar zu sehen, dass kein Clubbetrieb stattgefunden hat.“ Bei Fotos und Videos handelt es sich allerdings nur um Momentaufnahmen – den kompletten Abend anhand von Privatvideos nachzuvollziehen ist schwierig und daher, um zu belegen, dass zu keinem Zeitpunkt gegen geltende Corona Auflagen verstoßen wurde, ein eher schwaches Beweismittel. „Gerade die Bedingungen in Diskotheken sind ein idealer Nährboden für das Virus, sich weiter auszubreiten. Deshalb ist ein solches Verhalten von Betreibern und Besuchern absolut inakzeptabel“, so Pötter.