Sanitäter und Notärzte versorgen Unfallopfer zuerst an der Unglücksstelle und danach im Krankenhaus. Sie sind an vorderster Front, wenn es auf den Straßen Osnabrücks kracht – und das in den letzten Jahren nicht zu selten. Die Verkehrssituation spitzt sich immer weiter zu, der tödliche Fahrradunfall am Schlosswall zu Beginn der Woche spricht für sich. Jetzt wendet sich die Leitende Notarzt Gruppe für Stadt und Landkreis Osnabrück an Polizei und Stadtrat.
Schmale, zugeparkte oder fehlende Radwege und tonnenschwere Lkw in der Osnabrücker Innenstadt: Die Verkehrssituation sieht in Osnabrück teilweise alles andere als beruhigt aus. Regelmäßig verunfallen Fußgänger, Fahrrad- und Kraftfahrer auf den Straßen der Friedensstand; teilweise tödlich. Am Dienstag, den 7. Juli 2020, wurde die Wunde durch den Tod einer 49-jährigen Fahrradfahrerin am Schlosswall wieder aufgerissen. Forderungen danach, die B68 aus der Innenstadt zu verbannen, wurden Seitens der FDP laut. „Der tödliche Unfall ist ein Drama für die Familie der Radfahrerin aber auch für den Lkw-Fahrer. In unserer Stadt gibt es zahlreiche Baustellen, wenn es um die sichere Verkehrslenkung geht“, erklärte Moritz Gallenkamp, Vorsitzender des FDP Kreisverbands Osnabrück, am Mittwoch, den 8. Juli 2020. Weiter heißt es: „Es muss endlich gehandelt werden. Dazu gehört es auch, dass die B68 aus der Stadt verschwindet. Eine Bundesstraße hat nichts in einer Stadt zu suchen.“
Unterstützt von 16 Notärzten aus der Region
Nun fordert auch die Leitende Notarzt Gruppe des Landkreises und der Stadt Osnabrück eine sofort umsetzbare Strategie, um die Verkehrssicherheit in Osnabrück zu erhöhen. In einem offenen Brief wenden sich die Notärzte an Polizeipräsident Michael Maßmann und die Mitglieder des Stadtrates. „Regelmäßig kommen Verkehrsteilnehmer auf den Straßen Osnabrücks zu Tode oder erleiden schwere Verletzungen. Diese dramatische und unhaltbare Lage veranlasst uns, die leitenden Notärzte des Landkreises und der Stadt Osnabrück, uns direkt an Sie zu wenden. Wir sind dabei überzeugt, für alle Mitarbeiter des Rettungsdienstes und der notfallversorgenden Kliniken in der Region zu sprechen. Die Verkehrssicherheit in Osnabrück muss langfristig und nachhaltig verbessert werden“, heißt es in dem Schreiben an Stadt und Polizei, das von insgesamt 16 Ärzten aus Osnabrück und Umgebung unterschrieben wurde.
Sichere Verkehrsverhältnisse für alle
Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt Dr. med. Sven Pulletz stellvertretend für die Leitende Notarzt Gruppe die genaueren Hintergründe des offenen Briefs. „Wir haben zu viele Tote auf den Straßen Osnabrücks und das ertragen wir nicht weiter. Anlass war der tödliche Verkehrsunfall auf der Pagenstecherstraße Anfang dieses Jahres: Eine junge Frau ist gestorben, obwohl sie und der unfallbeteiligte Lkw verkehrsgerecht gefahren sind. Das zeigt, dass die Fahrradwege hier zu schmal sind“, berichtet der Leitende Oberarzt des Klinikums Osnabrück. „Wir sind für keine Verkehrspartei. Wir wollen nur sichere Verkehrsverhältnisse für alle: Fußgänger, Fahrradfahrer und Autofahrer.“
Verantwortung, die alle zu tragen haben
Die Leitende Notarzt Gruppe führt in ihrem offenen Brief insgesamt fünf Punkte an, die die Verkehrslage wirksam entschärfen können: Fahrradwege, die mindestens zwei Meter breit sind, ein Parkverbot auf Rad- und Fußwegen, regelmäßige Kontrollen der durch Osnabrück fahrenden LKW, ein Halteverbot an Schulen und eine intensivere Kontrolle von Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung. „Verbote bringen nichts, wenn sie keiner kontrolliert“, führt Dr. Sven Pulletz weiter aus. „Dabei geht es nicht nur um Halte- oder Parkverbote für Pkw; auch Fahrradfahrer sollten kontrolliert werden, wenn sie über eine rote Ampel fahren.“
Mit der Novelle der Straßenverkehrsordnung zum 28. April 2020 wurde das Bußgeld für Falschparker, die insbesondere Fahrradfahrer in eine gefährliche Situation bringen, bereits signifikant erhöht. Einige Autofahrer werden davon aber noch nicht abgeschreckt. Auf der anderen Seite entgeht auch einigen Fahrradfahrern, dass sie Verantwortung im Straßenverkehr tragen. Im Januar 2020 wurden Fußgänger, die auf dem Fußgängerweg liefen, in zwei Fällen von Fahrradfahrern angefahren. Eine 59-jährige Frau wurde dabei erheblich verletzt und fiel sogar in Ohnmacht.
Kein Platz im Notfall
Neben den Sofortmaßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit fordert die Leitende Notarzt Gruppe auch eine Strategie, um die Rettungswege im Stadtverkehr freizuhalten. Die Wittekindstraße ist im Bereich der Bushaltestelle „Berliner Platz“ stadteinwärts nur ein Beispiel für die kritische Verkehrssituation, der sich Osnabrücker Rettungskräfte stellen müssen. Zwei Pkw-Spuren, von der eine zur verlängerten Busspur wird und rechts daneben ein Fahrradstreifen. Rechtsabbieger müssen an Fahrradfahrern, Bussen und anderen Pkw vorbei, um zu ihrem Ziel zu gelangen; eine Situation, die sich oft verkeilt. Für eine Rettungsgasse ist hier im Notfall kein Platz mehr.