Am Donnerstagvormittag mischte sich Stadtbaurat Frank Otte noch im abgesperrten VIP-Bereich (Liegestühle direkt vor der Habeck-Bühne) unter die handverlesene Parteiprominenz der Grünen, stilecht mit Logo der Grünen auf der Gesichtsmaske. Währenddessen arbeitete OB-Kandidatin Katharina Pötter an ihrem „Sofortprogramm“, das sie am Nachmittag an die Presse schickte.
Und dieses Sofortprogramm hat es in sich. Nicht nur dass der bereits vor ein paar Wochen durch den Bürgerbund (BOB) unfreiwillig in den Wahlkampf eingebundene Stadtbaurat sich womöglich auf einen Umzug seines Büros an den Stadtrand einstellen muss (dazu unten mehr), auch sonst zeigt Katharina Pötter den Willen als zukünftige Oberbürgermeisterin zu gestalten und sich den Realitäten der Zeit nach Corona und Amtsvorgänger Wolfgang Griesert zu stellen.
Keine Theatersanierung wie geplant – aber nicht weiter abwarten
Was im Rathaus schon längst als Fakt gilt, jedoch niemand bislang auszusprechen wagte: Die 80 Millionen Euro, die für die Sanierung des Theaters am Domhof noch immer veranschlagt werden, sind Geschichte. Sollte das alte Theatergebäude tatsächlich wie geplant umgebaut werden, wird es nochmals deutlich teurer als geplant und Fördergelder von Bund und Ländern wird es dafür im bislang angestrebtem Umfang nicht geben.
Pötter beziffert in ihrem Sofortprogramm die Kosten deckungsgleich mit den nach Informationen unserer Redaktion bislang nicht-öffentlich im Rathaus diskutieren Schätzungen auf „rund 100 Millionen“ und sagt dazu: „Auf Bund und Land zu hoffen, bringt uns nicht weiter. Wir werden deshalb gemeinsam mit allen, denen das Theater am Herzen liegt, nach Alternativen suchen müssen, um das Theater schrittweise zu modernisieren“. Das könnte nach Ansicht der OB-Kandidatin dann auch bedeuten, dass alternative Proben- und Spielorte gesucht und gefunden werden müssen, die das Angebot am Domhof ergänzen und räumlich erweitern.
Um die dringend benötigten kreativen und modernen Ideen zu finden, will Pötter nach der von ihr angestrebten Wahl zur Oberbürgermeisterin „dringend“ mit den Diskussionen und den Planungen zur Theatersanierung beginnen.
Klare Verantwortung für Neumarkt, Neuer Graben und Ringlokschuppen
Auch der Neumarkt und der angrenzende Neue Graben bleiben im Sofortprogramm nicht ausgespart. Zusammen mit dem Ringlokschuppen sollen diese städtebaulichen Herausforderungen „mit aller Kraft“ vorangetrieben werden. „Wir brauen keine Masterpläne, wir brauchen Master zur Umsetzung“, so Pötter. Durch Umschichtung von Stellen in der Verwaltung sollen „Projektsteuerer2 eingesetzt werden, deren einzige Aufgabe es ist, diese zentralen Projekte von Seiten der Stadt voranzutreiben und mögliche Hürden aus dem Weg zu räumen. Um Tempo zu gewinnen, sollen auch externe Planungsbüros in die Aufgabe mit einbezogen werden
Ein „Sonderfonds“ für die Innenstadt
Um auf die Leerstand-Problematik in der Innenstadt zu reagieren („Leerstände dürfen wir nicht hinnehmen, sie müssen uns zu kreativen und innovativen Lösungen antreiben“) will Pötter dem Stadtrat einen Sonderfonds „Innenstadt“ vorschlagen, mit den Zwischennutzungen von Kunst und Kultur ermöglicht und neue Geschäftsideen unterstützt werden sollen.
Verlässliches Ganztagsangebot an allen Grundschulen
Katharina Pötter, die selbst Mutter von drei Kindern ist, will anschließend an die Ganztagangebote der Kitas auch ein verlässliches Ganztagsangebot an allen Grundschulen etablieren. Auch hier will die OB-Kandidatin nicht lange warten, sondern in der Übergangszeit vorhandene Schulräume für Mittagessen und Betreuung nutzen.
Raus aus der Konfronation um die „Grünen Finger“
Vor dem Hintergrund der in den vergangenen Monaten und unter ihrem Amtsvorgänger immer konfrontativeren Diskussion um die für die Kaltluftzufuhr der Stadt wichtigen „Grünen Finger“ will die OB-Kandidatin wieder raus aus der Polarisierung und das Gespräch suchen. Um Fronten abzubauen könnte schnell ein Dialogforum der beteiligten Gruppen geschaffen werden, wobei auch eine externe Moderation helfen könnte wieder stärker über die Ausgestaltung und gemeinsame Ziele zu sprechen. Bebauung am Rande der Grünen Finger sollte „maßvoll“ sein, so Pötter und der Raum für Naherholung muss erhalten bleiben.
Test mit „PopUp-Radweg“ und ein sicherer Radweg um den Wall
Die CDU-Kandidatin zeigt sich auch offen für eine Ausweitung des Radverkehrs. Damit hier greifbare Verbesserungen möglich werden, schlägt Pötter „einen richtigen Test mit einem Pop-Up-Radweg am Wall“ vor, der parallel von der Planung für einen „sicheren Radweg für den ganzen Wall“ begleitet wird. 100 weitere Fahrradabstellbügel in der Innenstadt und ein Fahrradparkhaus im Zentrum sollen das Radfahren noch attraktiver machen.
Weniger Bürokratie und mehr Bürgerservice
In Pötter Amtszeit als Vorstandsmitglied der Stadt Osnabrück fällt der Start des Serviceportals unter service.osnabrueck.de im Jahr 2020. Das Onlineangebot zu Services und Informationen der Stadtverwaltung, das auch eine Terminvereinbarung ermöglicht, soll weiter ausgebaut und um telefonische Angebote ergänzt werden.
Jede Woche im Jahr 2022 will Katharina Pötter eine Richtlinie, Satzung oder städtische Verordnung auf Wirtschafts- und Bürgerfreundlichkeit überprüfen und nimmt dafür auch den neu gewählten Rat in die Pflicht, sie dabei zu unterstützen.
100 neue Bäume und Innovationen fürs Klima statt Verbote
Mit einer klaren Absage an „Verbote“ gibt es auch Kontra für die als Verbotspartei bekannten Grünen, die mit Annette Niermann ebenfalls im Rennen um den OB-Posten sind und zum Beispiel ein Verbot für den motorisierten Individualverkehr in der Innenstadt fordern.
Katharina Pötter will sich für die energetische Sanierung städtischer Gebäude und erneuerbare Energien einsetzen und setzt dabei auf Photovoltaik um die Stadtverwaltung bis 2030 treibhausgasneutral zu bekommen. „Statt auf Verbote setze ich beim Umwelt- und Klimaschutz auf Innovationen – insbesondere aus vielen dynamischen Unternehmen unserer Stadt2, so Pötter. Um ein Zeichen zu setzen will sie mit 100 neuen Baumpflanzungen im Stadtgebiet beginnen.
Alle an einen Tisch für mehr Sauberkeit in der Stadt
Weil es die Stadtreiniger vom OSB nicht alleine schaffen können, will Katharina Pötter eine „Initiative für mehr Sauberkeit in der Stadt“. Alle in der Innenstadt beteiligen Gruppen sollen dazu kurzfristig mit an den Tisch.
Frank Otte und die Bauverwaltung sollen der Kultur weichen
Was aber hat es mit dem Umzug von Frank Otte auf sich, der namentlich natürlich nicht im Sofortprogramm von Katharina Pötter genannt wird?
Der umstrittene Stadtbaurat hatte 2019 für Aufsehen gesorgt, als er für das ihm unterstehende Bauressort einen Neubau auf dem Gelände des ehemaligen Dominikanerklosters forderte. Dabei verwies Otte auf einen angeblich erheblichen Raumbedarf der Stadtverwaltung, freilich ohne diesen jemals anhand von konkreten Zahlen nachweisen zu können.
Inzwischen hat die Stadtverwaltung das ehemalige Verwaltungsgebäude der Paracelsuskliniken an der Sedanstraße gekauft, ohne dafür jedoch eine konkrete Verwendung zu haben.
Dorthin könnte Otte mit seiner Bauverwaltung umziehen und das Gebäude direkt neben der Kunsthalle freimachen für eine Verwendung als „Ort der Begegnung“ bzw. eines „Dritten Ortes“. An zentraler Stelle, am Rande der Altstadt, wäre Platz für eine größere zentrale Bibliothek, die deutlich über das Ausleihen von Medien ausgeht. Der aktuell noch als Parkplatz genutzte ehemalige Garten des Dominikanerklosters mit seinem alten Baumbestand, den Frank Otte noch mehrgeschossig bebauen wollte, könnte dabei als Außenfläche genutzt werden.
Für die heutige Kunsthalle sieht Pötter in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit eines neuen Konzepts, mit deutlich geringeren als den heutigen Zuschüssen von 1,3 Mio. jährlich.