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Nachgefragt: warum verkauft ein großer Immobilienbesitzer nicht zugunsten des XXL-Einkaufscenters?

+++ EXKLUSIV +++

Am 10. August berichtete die Neue Osnabrücker Zeitung darüber, dass die Aachener Grundvermögen, der Dr. Frank Wenzel als Geschäftsführer vorsteht, nicht zu Gunsten des am Neumarkt geplanten Einkaufszentrums verkaufen will (siehe auch hier bei I-love-OS). Konkret geht es dabei um das Gebäude Johannisstraße 65, das direkt angrenzt an das inzwischen berüchtigte „Kachelhaus“.  Die Lokalzeitung zitierte den Immobilien-Fachmann mit der Aussage: „Die Beseitigung eines Schandflecks rechtfertigt nicht den Bau eines Shoppingcenters“, was die bereits seit mehr als einem Jahr laufende öffentliche Diskussion erneut anfachte.

Dr. Frank Wenzel war so freundlich I-love-OS ein Interview zu den Hintergründen seiner Entscheidung gegen einen Verkauf, und zum Immobilienmarkt an sich zu geben.

Frage: Herr Dr. Wenzel, offenbar ist der geplante Bau eines Shoppingcenters ein Thema, das viele Emotionen bei Zeitungslesern, wie auch bei Kommunalpolitikern, Einzelhändlern und Immobilienbesitzern freisetzt. Ist das ein Osnabrücker Phänomen, oder kennen Sie das auch aus anderen Städten in denen Sie Immobilien besitzen?

Dr. Wenzel:  Ja, natürlich. Ein Shopping Center ist ein gravierender Eingriff in die bestehende urbane, über die Jahrhunderte gewachsene Struktur einer Stadt. Dabei muss allen klar sein, dass sich die Wirkungen eines Shopping-Centers auf eine Innenstadt nicht mehr revidieren lassen. Das falsche Center am falschen Platz kann dazu führen, bislang funktionierende und lebendige Innenstädte zu zerstören. Deshalb ist es richtig, dass darüber intensiv diskutiert wird. Wichtiger als die Interessen von Center-Entwicklern, Kommunalpolitikern, Einzelhändlern oder Immobilienbesitzern sollte allerdings die Meinung der Bürger sein. Die Bürger sollten entscheiden, wie die Stadt aussieht, in der sie leben wollen. Wenn man die Bürger entscheiden lässt, sprechen sie sich im Übrigen fast immer gegen ein Center aus.

Frage: In Osnabrück wird jetzt offenbar, dass der Essener Entwickler mfi  bislang zahlreiche Pläne und Konzepte präsentierte, ohne die dafür benötigten Immobilien zu besitzen oder zumindest sich Vorkaufsrechte gesichert zu haben. Ist dieses Vorgehen in der Branche so üblich? Immerhin soll hier ein dreistelliger Millionenbetrag investiert werden.

Dr. Wenzel:Ich weiß nicht, ob ein solches Vorgehen in der Branche üblich ist, besonders glücklich ist es jedenfalls nicht. Wir haben der mfi bereits vor über einem Jahr erklärt, unser Grundstück in der Johannisstraße nicht verkaufen zu wollen.


Neumarkt in Osnabrück

Frage: Sie werden in der NOZ damit zitiert, dass innerstädtische Einkaufszentren nicht in das Geschäftsmodell Ihres Unternehmens passen. Ist das eine grundsätzliche Strategie, oder abhängig von der Gesamtkonzeption? Die Kamp-Promenade wird von Ihnen ja ausdrücklich als Beispiel für eine „gelungene Integration“ in die City gelobt.

Dr. Wenzel:Leitbild für unsere Investitionen ist die urbane Stadt mit einer hohen Aufenthaltsqualität für die Menschen. Gut funktionierende Innenstädte verbinden ein heimatstiftendes Erscheinungsbild mit einer gewachsenen Verbindung von Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Bildung, Kultur, Einkaufen, Begegnen, Gastronomie und vielem anderen mehr. Das schließt den Erwerb von Shopping-Center nicht aus, stellt an diese aber sehr hohe Anforderungen.

Die urbane Stadt spricht den Menschen in seiner Ganzheitlichkeit  an; in Shopping-Centern wird er leider fast immer auf seine Funktion als Konsument reduziert. In ein Shopping-Center, das einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt, würden wir gerne investieren.

Frage: Stichworte „Demographischer Wandel“ und „Online-Shopping“. Das wir immer weniger bzw. immer älter werden lässt sich leicht voraussagen. Nun spekulieren aber auch einige Handelsexperten über den Rückzug kompletter Branchen in das Internet, Beispiel Bücher oder Tonträger und Elektrogeräte.
Es gibt auch die Vision einer Innenstadt, in der für viele Produktsegmente nur noch „Showrooms“ der Hersteller bestehen – bestellt wird dann online, geliefert innerhalb kürzester Zeit direkt nach Hause.
Was halten Sie von derartigen Prognosen, und was bedeutet das für eine Innenstadt in sagen wir mal 10 oder 20 Jahren?

Dr. Wenzel:Der erfahrene Prophet wartet das Ereignis ab.

Aber Scherz beiseite: richtig ist, dass sich der stationäre Einzelhandel im digitalen Zeitalter verändert hat und auch weiter verändern wird. Vergangenes Jahr wurden im Onlinehandel in Deutschland knapp 21,7 Mrd. € umgesetzt, was einem Marktanteil von acht Prozent entspricht. Es ist davon auszugehen, dass die Onlineumsätze weiter steigen werden.

Ich glaube aber nicht, dass dies zu Lasten der 1A-Einzelhandelslagen geht. Stationärer Einzelhandel wird in Zukunft nur mit einem exzellenten Online-Channel erfolgreich sein können. Dies gilt aber auch umgekehrt: Online-Einzelhandel kann ich mit in Zukunft ebenfalls nur mit einer exzellenten stationären Verankerung in der 1A-Einzelhandelslage vorstellen. Beide Distributionsformen sind kein Gegeneinander sondern ergänzen sich. Das Unternehmen Butlers beispielsweise hat jüngst erklärt, in 10 Jahren 50% seines Umsatzes online verdienen zu wollen, sieht aber keinen Widerspruch zu seiner Absicht, jährlich 10 bis 15 neue Läden zu eröffnen. Das ist die Richtung, in die sich der Markt insgesamt entwickeln wird.

Frage: Aus Reihen der Kommunalpolitik wird immer wieder betont, dass es zwar eine mehrheitliche Zustimmung für die Einkaufscenter-Pläne am Neumarkt gibt, diese aber immer noch scheitern können. Sollten die Pläne für den Neumarkt tatsächlich scheitern, so steht aber angeblich schon der nächste Investor mit Plänen für Osnabrück bereit um an anderer Stelle ein Einkaufscenter in die Innenstadt zu bauen. Vermutlich würden auch diese Pläne wieder heiß diskutiert. Glauben Sie, dass es grundsätzlich für eine Stadt von der Größe Osnabrücks möglich ist sich gegen ein großes innerstädtisches Einkaufscenter zu stemmen?

Dr. Wenzel:Centerentwickler werden immer versuchen, Center zu entwickeln. Entscheidend sollte aber, wie gesagt, sein, wie die Menschen in Osnabrück sich ihre Stadt in der Zukunft wünschen.

Wenn man ehrlich ist, muss man im Übrigen anerkennen, dass der Markt für Shopping-Center in Deutschland längst gesättigt ist. Die Mieter stöhnen unter dem Flächenwachstum, das mit sinkender Flächenproduktivität einhergeht. Es gibt Studien, die besagen, dass rund 10% der Shopping-Center massive Vermietungsprobleme haben; 20% bis 30% haben deutliche Schwächen im Mietermix. Trotzdem sind in Deutschland über 100 weitere Center mit gut 2,3 Mil. qm Verkaufsfläche in Planung, ohne Rückkopplung zum Verbraucher und zum Einzelhändler.

Osnabrück könnte dem natürlich Einhalt gebieten. Es wäre auch nicht die erste Stadt, die das tut.

Frage: Einmal angenommen, in Osnabrück würde es in den kommenden Jahren kein großes (> 20.000qm) Einkaufscenter zusätzlich zu den bestehenden Einkaufsmöglichkeiten geben, würden wir dann nicht an Attraktivität gegenüber benachbarten Städten wie Münster, Bielefeld oder Oldenburg verlieren?

Dr. Wenzel:Nein, natürlich nicht. Kein Osnabrücker fährt doch heute nach Oldenburg zum Einkaufen, nur weil dort vergangenes Jahr die Schlosshöfe eröffnet wurden.

Entgegen allen Beteuerungen im Vorfeld der Errichtung eines Centers, ist es vom Mieterbesatz her doch so, dass sich in einem Shopping-Center am Ende annähernd die gleichen Mieter finden, wie sie bisher schon in der Innenstadt vertreten waren. Es spielt für den Konsumenten aber doch nun wirklich keine Rolle, ob in einer Stadt wie Osnabrück neben einem Zara auf der Großen Straße auch noch ein Zara im Shopping-Center vertreten ist.

Frage: Befürworter des Einkaufscenters sehen ja sogar benachbarte Kleinstädte wie Wallenhorst (gut 23tsd. Einwohner) oder Georgsmarienhütte (knapp über 30tsd. Einwohner) im Wettbewerb mit der Innenstadt Dort entstehen kleine Einkaufszentren, deren Angebot über die klassische Nahversorgung hinaus geht. Muss sich Osnabrück wirklich auch vor so einer Konkurrenz schützen?

Dr. Wenzel:Ebenfalls ein klares nein. Wichtig ist, dass Osnabrück eine so attraktive Stadt bleibt, wie sie es ist.

Ich würde mir wünschen, dass sich die Verantwortlichen in Osnabrück stärker mit den Herausforderungen beschäftigen, die sich zum Erhalt oder gar zur Steigerung der Attraktivität der Innenstadt tatsächlich stellen, statt zu glauben, dass sich mit einem Center alle übrigen Probleme von alleine erledigen. Zu nennen ist hier beispielsweise die Herausforderung, die Johannisstraße aufzuwerten, den recht isoliert stehenden SinnLeffers zu integrieren und auch zu überlegen, wie Kaufhof Galeria optimaler angebunden werden kann. Hierzu wird das mfi-Center keinen Beitrag leisten.

Natürlich muss die Stadt Osnabrück auch eine Lösung für die ehemalige Wöhrl-Immobilie finden. Es gibt aber ja durchaus Einzelhandelskonzepte wie beispielsweise Primark, die solche, nicht ganz einfachen, Flächen problemlos nutzen könnten. Dies würde eine Bauruine beseitigen und könnte sogar eine Initialzündung für die Re-Positionierung der Johannisstraße auslösen. In ein solches Konzept würden wir unsere Immobilie auf der Johannisstraße selbstverständlich gerne integrieren.

Vielen Dank Herr Dr. Wenzel!

Das Interview führte Heiko Pohlmann.

Illustration: OpenStreetMap, CC BY-SA 2.0


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Heiko Pohlmann gründete die HASEPOST 2011 unter dem Titel "I-love-OS". Die Titelgrafik der HASEPOST trägt dieses ursprüngliche Motto weiter im Logo. Die Liebe zu Osnabrück treibt Heiko Pohlmann als Herausgeber und Autor an. Neben seiner Tätigkeit für die HASEPOST zeichnet der diplomierte Medienwissenschaftler auch für zwei mittelständische IT-Firmen als Geschäftsführer verantwortlich.

  

   

 

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