„Ein guter Tag für Osnabrück“, schreibt der CDU-Stadtrat und Bürgermeister Burkhard Jasper bei Facebook, nach dem überraschenden Austritt Michael Florysiaks aus der Grünen-Fraktion.
Direkt aus der Ratssitzung (hier die Zusammenfassung der wichtigsten Tagesordnungspunkte) hatte auch die HASEPOST per Facebook und Twitter über diese Entwicklung informiert.
Vor allem „Gut für die Demokratie“, ist sich Michael Florysiak im Gespräch mit der HASEPOST sicher, sind die neuen Mehrheitsverhältnisse im Rat der Stadt.
Ihm, so hätten es auch einige Ratsmitglieder nach der Sitzung gesagt, käme nun die Rolle des Mehrheitsbeschaffers für Rot/Grün zu. Das will Florysiak aber so nicht stehen lassen, schließlich gibt es auch noch die Mitglieder von Piraten und UWG (je 1), Linke (2) und der FDP (2), die ebenfalls bereit stehen um stabile Mehrheiten zu bilden.
Allerdings müßten die großen Parteien nun „überzeugen“ mit ihren Anträgen. Nicht überzeugt hat Florysiak in den vergangenen Monaten, wie seine alte Fraktion zum Beispiel mit drängenden Problemen der Stadtentwicklung umgegangen ist. Die Sperrung des Neumarkts, während parallel die Entlastungsstraße West in der Bürgerbefragung denkbar knapp abgelehnt wurde, gehört für den Ex-Grünen ebenso zu den Ärgernissen, wie die Passivität seiner ehemaligen Parteifreunde bei der Suche nach einem „Plan B“ für die prekäre Verkehrssituation rund um den Westerberg. Hier sieht Michael Florysiak die Gegner und Befürworter von BEPO und ProWest von den Grünen alleine gelassen.
Florysiak arbeitet am Aufbau einer neuen Partei
Sein ehemaliger Parteifreund und Fraktionschef der Grünen, Michael Hagedorn, erklärte im Gespräch mit der HASEPOST, dass sich der Abschied aus der Grünen Fraktion in seinen Augen vor allem an einer gescheiterten Bewerbung für ein Bundestagsmandat 2013 festmachen lässt. Im Anschluß sei Michael Florysiak bereits aus der Partei der Grünen ausgetreten. Mit einem Austritt aus der Ratsfraktion habe Hagedorn aber nicht gerechnet, obwohl im bekannt gewesen sei, dass Michael Florysiak am Aufbau einer neuen Partei „aus der demokratischen Mitte“ beteiligt gewesen sei. Letztendlich, das sieht auch Hagedorn so, sei der Abschied aus der Ratsfraktion aber nur eine logische Konsequenz gewesen.
Bislang nur in Fragmenten veröffentlicht. Was hat er denn genau gesagt?
Im öffentlichen Fokus stehen sicher auch die eher grundsätzlichen Beweggründe, die Michael Florysiak in der Ratssitzung verlesen hat.
Bislang kursieren auch in der Tagespresse nur Ausschnitte und Satzfragmente dieser wichtigen und persönlichen Rede.
HASEPOST hat das original Manuskript* von Michel Florysiak (hier zum Download) aus der Ratssitzung vom 10. Februar 2015.
Der Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Ich habe dem Fraktionsvorsitzenden Michael Hagedorn heute Morgen schriftlich mitgeteilt, dass ich die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen verlasse.
Ein Schritt der nicht leicht war, zumal ich kompetente Kollegen hatte, die mit viel Sachverstand und Herz kämpfen um ihre Ziele zu erreichen.
Warum der Austritt?
Es sind die Ziele. Die Ziele und auf welchem Weg man diese erreicht.
Ja, ich konnte noch im Jahr 2011 den Weg der Partei klar erkennen. Es war der richtige Weg.
Nach einigen Wahlen jedoch in Bund, Land und Kommunen, nach Flügelkämpfen und Führungsschwächen verschwimmt der damals eingeschlagene Weg der Grünen Partei.
Sie wissen nicht mehr was sie wirklich wollen.
Leidvoll erfahren mussten das ein grüner Ministerpräsident und einige grüne Bürgermeister, wie sinnvolle Arbeit von grünen Eiferern boykottiert wird, die nur in einer althergebrachten Demo ihr Ziel erkennen bedenkliche Strömungen aber gar nicht mehr wahrnehmen.
Was hat das denn mit dem Rat in Osnabrück zu tun?
Wir machen doch hier alles ganz anders.
Wir machen doch hier unsere Politik, beklagt man dieses „Im Stich lassen“ und das auch noch von einem Mandatsträger 2. Klasse, der über die Liste das Mandat erhalten hat wurde mir vorgeworfen.
Habe ich jetzt Grüne-Stimmen missbraucht? Nein, ich folge meinem Gewissen. Ich reagiere nur. Ich reagiere auch auf glaubwürdige Koalitionsaussagen der Grünen für die nahe Zukunft, Koalitionen mit „DIE LINKE“ einzugehen. Das kann ich nicht verantworten.
Ich möchte nicht einmal den Anschein erwecken mit ehemaligen und jetzt wieder amtierenden SED und Stasi-Akteuren irgendwo irgendwie und irgendwann in der Republik via „DIE LINKE“ im Rahmen einer Koalition gemeinsame Sache zu machen. Sache mit einer Partei, die Jahre braucht, um das Unrechtsbewusstsein eines 5 jährigen Kindes zu entwickeln. Die Einsicht „Es war ein Unrechtsstaat!“ Ich weiß wovon ich rede. Ich habe den Mauerbau und den Mauerfall miterlebt. Diese Koalitionen Dunkelrot und Grün stehen uns jetzt überall bevor. Man macht sie sich salonfähig „DIE LINKE“. Ich denke dabei auch an die nächste Kommunalwahl in Osnabrück, deren Wahlkampf langsam beginnt.
Wie? Wie sollte ich das den Landwirten, den Lehrern, den Beamten, den Angestellten, den Kleinbetrieben dem Mittelstand, eben den Wählern in unserer Stadt denn beibringen? Denen die immer schon Grün wählten oder wählen wollen.
Nein, das kann ich nicht und das will ich nicht.
Ich werde nun ohne Fraktionsbindung, meine Arbeit im Rat der Stadt Osnabrück fortführen:
(1) im Sinne einer ökologischen, ökonomischen, und sozialen demokratischen Mitte,
(2) für die Grünen Wähler, die diesen linken Abweg nicht wollen
(3) und zum Wohle der Osnabrücker Bürger.
Ich danke. Michael Florysiak
* mit freundlicher Genehmigung von Michael Florysiak, HP
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