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Fiktive Windparks der Familie Holt: Vom Club der Bentley-Fahrer auf die Anklagebank im Landgericht Osnabrück

Wenn dies nicht ein aktueller Artikel über einen Prozess am Landgericht Osnabrück wäre, sondern der erste Absatz in einem Roman, dann würden wir in den folgenden Zeilen verfolgen können wie ein eifriger Anwalt in seiner Bremer Kanzlei dabei ist die Filmrechte für seinen Mandanten zu verhandeln. Die Zeit wird knapp, um 9:00 ist der Prozessbeginn in Osnabrück, er müsste schon längst auf der Autobahn sein, doch sein Mandant, der Millionenbetrüger will unbedingt heute noch geklärt wissen, dass die Rechte für die Verfilmung seiner unglaublichen Geschichte höchstbietend verkauft werden.

Nun ist dies aber kein Roman und wir können nur mutmaßen warum tatsächlich einer der zahlreichen Strafverteidiger in diesem auf 52 Verhandlungstage angesetzten Mammutprozess mehr als eine Stunde zu spät im Gerichtssaal erschien, aber “filmreif” ist es schon, wie die emsländische Familie Holt international agierenden Energiekonzernen die Millionen abluchste um – so beschreibt es jedenfalls die Staatsanwaltschaft – das Geld umgehend ins Ausland zu verschieben oder in Edelkarossen der Marke Bentley zu investieren. Allerdings muss man immer noch ein “mutmaßlich” voranstellen, denn ein Urteil wird das Landgericht erst im kommenden Jahr fällen.
Bereits bei der Verlesung der Anklageschrift tauchten Zweifel auf, ob nicht einige der angeblich geschädigten Unternehmen ihre Millionenzahlungen der aus dem emsländischen Haselünne stammenden Familie nicht geradezu aufdrängten? Bedurfte es überhaupt der zahlreichen Dokumentfälschungen, die der Holt-Familie vorgeworfen werden, wenn die Betrogenen die Fake-Verträge überhaupt nicht sehen wollten?

Hendrik Holt im Gespräch mit Strafverteidiger Marco Lund aus Bremen
Hendrik Holt im Gespräch mit Strafverteidiger Marco Lund aus Bremen

Die Staatsanwaltschaft sieht vor allem Hendrik Holt (Jahrgang 1990) und Heinz L. (Jahrgang 1956), der als einziges Nicht-Familienmitglied auf der Anklagebank sitzt, als zentrale Figuren eines großangelegten Betrugs um fiktive Windparks. Nicht zuletzt weil 70% und 30% der Holding-Anteile auf ihrem Namen liefen, sind diese beiden Akteure auch inzwischen “wohnhaft” in den JVA Oldenburg bzw. Lingen, während es den jüngeren Bruder (zuständig für digitale Fälschungen und EDV), die Schwester (gelegentliche Repräsentation der Fake-Firma) und die Mutter (Büroleiterin) inzwischen quer über die Republik verstreut hat; von Osnabrück Eversburg über Berlin bis Wolfratshausen reichen die neuen Wohnorte der nicht-inhaftierten Angeklagten, die bis zur Aufdeckung des Windenergie-Betrugs in einem palastähnlichen Neubau nahe Vechta gewohnt hatten.

Wäre dies tatsächlich ein Roman, dann würde wohl vor allem Mutter Holt im Mittelpunkt stehen – und vielleicht war es im richtigen Leben auch so, auch wenn der Staatsanwalt bei der mehr als eine Stunde dauernden Verlesung der Anklageschrift die Rolle der Matriarchin nur als die einer besseren Büroleiterin beschrieb.
Mutter Holt organisierte die Mietwagen und Hotels, sorgte aber auch immer sehr zeitnah nach jedem Zahlungseingang dafür, dass die Gelder ins Ausland transferiert wurden.

Die Fälscherwerkstatt direkt gegenüber dem Untersuchungsgefängnis

Ausgerechnet in einem Büro am Kollegienwall, in direkter Nachbarschaft zu Staatsanwaltschaft, Polizeiwache und Landgericht, wurden die mehr als 300 Fälschungen geradezu am Fließband produziert – in Sichtweite des Untersuchungsgefängnisses.
Gut möglich, dass die Holts schon mal beim Mittagessen oder bei der Suche nach einem Parkplatz dem jetzt vorsitzenden Richter oder einem Mitglied aus dem Team der Staatsanwaltschaft begegneten.
Der Kollegienwall war auch die einzige “respektable” Adresse des Scheinunternehmens. Eine andere Adresse über die fiktive Windparks für Millionenbeträge verkauft wurden, war in unmittelbarer Nachbarschaft einer Wurstbude für LKW-Fahrer zu finden, direkt an der Autobahnabfahrt Osnabrück Hafen.

Hinter dem Aktendeckel: Mutter Holt, die "Büroleiterin"
Hinter dem Aktendeckel: Mutter Holt, die “Büroleiterin”

Risikoprüfung von Energiekonzernen nicht ernsthaft durchgeführt?

Mehr als einmal fiel bei der Anklageverlesung der Begriff “Due Diligence”, ein Fachbegriff aus dem Wirtschaftsleben, der die eingehende und sorgfältige Prüfung von zum Kauf stehenden Unternehmen oder Projekten beschreibt.
Ein Prozess, bei dem – wenn man ihn ernsthaft durchführt – alle Risiken abgewogen und auch Unterlagen zumindest stichprobenartig geprüft werden, die der Verkäufer zur Verfügung stellt.
Doch die am Osnabrücker Kollegienwall in Fließbandarbeit produzierten Unterlagen, zum Beispiel angebliche Zusagen von Energieversorgern über den Netzanschluss der fiktiven Windparks, aber auch offensichtliche Absurditäten, wie die Geschäftsadresse am LKW-Rastplatz oder der Umstand, dass Hendrik Holt sich mit einem wohl falschen Doktortitel schmückte, interessierten die geschädigten Energiekonzerne ganz offensichtlich nicht.
Ein ums andere Mal wurden mal ein paar zehntausend Euro, aber auch schon mal Hunderttausende Euro überwiesen. Diese hohen Beträge trudelten aufs Konto, so wie es die Staatsanwaltschaft beschreibt, ohne genauere Prüfung der von Mutter Holt und ihrem jüngsten Sohn am “Leuchttisch” und mit dem Programm “Gimp” gefälschten Dokumente.

Der Chauffeur als Geschäftsführer der “Das War Wohl Nichts” GmbH

Die Holts machten schließlich noch einen jungen Libanesen, der zuvor als Chauffeur der Famile gearbeitet hatte, zum Geschäftsführer von zwei Tochterunternehmen, die völlig unscheinbar als DWWN Vermögensverwaltungs GmbH und  als RUPR GmbH firmierten.
Die Staatsanwaltschaft Osnabrück hat inzwischen aufgelöst, dass die Firmenkürzel akronyme waren für “Rutsch uns den Puckel Runter” (RUPR GmbH) und “Das War Wohl Nichts” (DWWN GmbH).
Man kann sich gut vorstellen, wie in der Fälscherwerkstatt herzhaft gelacht wurde, als man sich diese Firmennamen ausgedacht und den libanesischen Chauffeur zum Geschäftsführer befördert hatte.

Mutter und Tochter Holt im Gespräch mit einem Anwalt
Mutter und Tochter Holt im Gespräch mit einem Anwalt

Hauptangeklagter ist selbst nach der Maximalstrafe noch ein junger Mann

Ob die beiden Hauptangeklagten, aber auch die weiteren derzeit auf freiem Fuß befindlichen Familienmitglieder, nach Prozessende noch lachen werden? Für die im Raum stehenden Straftaten, darunter banden- und gewerbsmäßiger Betrug und besonders schwere Geldwäsche, drohen immerhin bis zu 10 Jahre Haft.
Abzüglich der bereits absolvierten Untersuchungshaft und bei guter Führung wäre Hendrik Holt bei Entlassung deutlich unter 40. Und vielleicht ist ja noch irgendwo der ein oder andere Goldbarren vergraben und die Staatsanwaltschaft hat nicht alle Auslandskonten entdeckt? Für einen fiktiven Roman wäre das jedenfalls ein tolles Happy End: unter Palmen ginge das Luxusleben weiter.
Nachbarn der Holt-Villa berichten, dass das Familienanwesen in Vechta wohl mehr als einmal von Spezialisten auf “besondere Einbauten” untersucht wurde. Ob auch die Staatsanwaltschaft noch auf Millionensuche ist?
Inzwischen steht das Haus samt 10.000 Quadratmeter-Grundstück zum Verkauf, stolze 2.2 Millionen soll es bringen, berichtet ein lokales Nachrichtenportal aus dem Südoldenburgischen.


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Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann gründete die HASEPOST 2014, basierend auf dem unter dem Titel "I-love-OS" seit 2011 erschienenen Tumbler-Blog. Die Ursprungsidee reicht auf das bereits 1996 gestartete Projekt "Loewenpudel.de" zurück. Direkte Durchwahl per Telefon: 0541/385984-11

  

   

 

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