In der Nacht vom 6. auf den 7. September kam es in der Frankenstraße in Osnabrück zu einer Hausbesetzung, die weitreichende Reaktionen auslöste. Das autonome Zentrum SubstAnZ war erst kurz zuvor aus dem Gebäude ausgezogen, das nun von der Firma Brücklyn, die auch den Brücks-Club betreibt, als Nachmieter bezogen werden soll. Obwohl das SubstAnZ und der dahinterstehende Verein FrAZ die Besetzung nicht initiierten, solidarisierte man sich mit den Besetzern und „vermittelte bei einem friedlichen Verlauf der Aktion“, wie es in einem jetzt veröffentlichten Statement heißt.
Die Hausbesetzung zog besondere Aufmerksamkeit auf sich, nachdem Brücks-Geschäftsführer James Cowie öffentlich behauptete, es seien in der Nacht der Besetzung Feuerwerkskörper auf seine Mitarbeiter und anwesende Polizisten abgefeuert worden. Diese Anschuldigungen werden vom SubstAnZ in seinem Statement vehement zurückgewiesen. „Dass hier von Seiten des Brücks offensichtlich gelogen wird, um die Besetzung bewusst in ein falsches Licht zu rücken, finden wir bemerkenswert“, heißt es.
Polizei: Kein Beschuss mit Silvesterraketen
Auf Nachfrage unserer Redaktion äußerte sich nun die Polizei durch Sprecher Jannis Gervelmeyer zu dem Vorfall: „Durch die zum Besetzungsbeginn entsandten Polizeibeamten wurde der Einsatz von Pyrotechnik, hier so genannten Bengalos, im Gebäude festgestellt und bildtechnisch dokumentiert. Der Beschuss von Silvesterraketen aus dem Gebäude heraus wurde nicht festgestellt. Ein Einsatz von Pyrotechnik gegen Polizeibeamte und Brücks-Besucher wurde nicht festgestellt und kann zum Nachteil von Polizeibeamten ausgeschlossen werden. Ein Beschuss gegen Brücks-Besucher wurde ebenso nicht angezeigt.“
Damit widerspricht die Polizei den Behauptungen von James Cowie und bestätigt, dass zwar Bengalos im Gebäude gezündet wurden, jedoch keine gefährlichen Pyrotechnik-Angriffe auf Anwesende stattgefunden haben. Der Vorfall hat dennoch für Diskussionen gesorgt, vor allem angesichts der unterschiedlichen Darstellungen von Cowie und dem SubstAnZ. Die Hausbesetzung verlief letztlich ohne ernste Zwischenfälle, allerdings wurde dabei ein erheblicher Schaden durch Graffiti und zerstörte Türen angerichtet. Außerdem soll Werkzeug gestohlen worden sein.
Wer hat den Schaden verursacht?
„Es stellt sich die Frage, wer diesen Schaden denn überhaupt verursacht hat. Bis auf einen Seiteneingang war keine Tür verbarrikadiert. Die Polizei hat in SWAT-Manier mit einer Ramme zahlreiche Türen aufgestoßen. Dabei wird nicht nur die Tür, sondern auch der Rahmen und gegebenenfalls die Wand massiv in Mitleidenschaft gezogen. Zum Eindringen in das Haus hat sich die Polizei außerdem die teuerste Tür des Hauses ausgesucht, anstatt zum Beispiel über den Hof leichtere Türen oder ein Fenster zu wählen. Jeder Schlüsseldienst hätte die Türen in höchstens 60 Sekunden geöffnet. Eile bestand zu keinem Zeitpunkt“, heißt es dazu im Statement des selbstverwalteten Zentrums.
Gefährlicher Umgang mit patriarchaler Gewalt
In Bezug auf sexistische Schmierereien durch sein Personal hatte James Cowie erklärt, diese seien „nie für die Öffentlichkeit bestimmt“ sowie „kindisch und unlustig“ gewesen. Beim SustAnZ sieht man dies als Ausdruck eines gefährlichen Umgangs mit patriarchaler Gewalt. „Hinter verschlossenen Türen ist patriarchale Gewalt und deren Verharmlosung also völlig okay?“ Das fragt die Gruppe provokant und verweist darauf, dass Cowies Behauptung, jegliche Gewalt abzulehnen, patriarchale Gewalt offenbar nicht mit einbeziehe.
Problematik wird kleingeredet
Besonders empört zeigt man sich über eine der im Raum stehenden Parolen: „No means yes“. „Der Satz kann geradezu als Aufruf zu grenzüberschreitendem Verhalten verstanden werden“, so SustAnZ in seiner Stellungnahme. Für sie ist die Reaktion des Brücks-Geschäftsführers auf die Vorwürfe ein Versuch, die Problematik kleinzureden und die tatsächlichen Machtverhältnisse zu verschleiern.
Während das SustAnZ die sexistischen Graffiti verurteilt, gibt es andere Parolen, die die Gruppe ausdrücklich unterstützt, zum Beispiel „Vermieter enteignen“, „Mietverträge zum Altpapier“ und „Capitalism is trash“. Diese Botschaften spiegeln laut SustAnZ die ungerechten Eigentumsverhältnisse in der Gesellschaft wider. „Wohn-, Lebens- und Kulturraum werden als Mittel der Profitmaximierung genutzt“, erklärt die Gruppe. „Dadurch können sich viele Menschen, Institutionen und Projekte die Miete nicht mehr leisten und werden verdrängt.“ Dies führe dazu, dass Eigentümer ein unzulässiges Maß an Macht erhielten, während demokratische Aushandlungsprozesse über die Nutzung von Räumen nicht stattfänden.
Hausbesetzung und ziviler Ungehorsam als legitimes Mittel
Zudem verteidigt das autonome Zentrum Hausbesetzungen und zivilen Ungehorsam als legitime Mittel, um auf Missstände aufmerksam zu machen. Gewalt und Drohungen gegen Personen lehnt die Gruppe jedoch ausdrücklich ab. „Offensichtlich besteht keine reale Gefahr, dass Clubs gesprengt oder gar Vermieter frittiert werden“, kommentiert das SustAnZ ironisch und fügt hinzu: „Die Historie gesprengter Clubs und frittierter Vermieter in Osnabrück ist nach unseren Recherchen überschaubar.“
Alles nur mediale Skandalisierung
In den letzten 15 Jahren sei in der Frankenstraße 25a keinerlei Gefahr gegenüber Nachbarn oder Vermietern ausgegangen. Die Empörung bewertet man beim SustAnZ als übertrieben und medienwirksam inszeniert. „Wir verurteilen die clickbait-orientierte mediale Skandalisierung, da die herbeiphantasierten Schreckensszenarien jeglicher Realität entbehren“, heißt es weiter. Zuletzt hatte sich auch das Feministische Streikbündnis Osnabrück mit dem SubstAnZ solidarisiert.