DGB wittert Rassismus: Weil Bürgerstiftung Osnabrück parallel zum “Fest der Kulturen” feiert

“Das Schreiben ging an einen geschlossenen Verteiler, dazu muss ich nichts sagen”! Es waren sehr knappe Worte, mit denen der Osnabrücker Vorsitzende des Gewerkschaftsbundes DGB eine Anfrage unserer Redaktion unhöflich abcancelte, bevor er das Gespräch wegdrückte.

Das Schreiben aus dem “geschlossenen Verteiler”, das Olaf Cramm vom DGB nicht kommentieren wollte, fand zuvor seinen Weg in den Posteingang unserer Redaktion. Der erste Impuls des Redakteurs war, erst einmal nachzufragen, ob das Schreiben und die darin enthaltenen Unterstellungen und Forderungen überhaupt echt sind oder ob sich nicht vielleicht sogar ein politischer Gegner einen Spaß erlaubt hat, mit einer Tirade seltsamer Unterstellungen gegen die Osnabrücker Bürgerstiftung und die Organisatoren des Bürgerfests auf dem Wallring im vergangenen Jahr.

Eine gezielte Aktion gegen die Bürgerstiftung am Vorabend des Bürgerdinners?

Das PDF-Dokument, über das der Gewerkschaftsboss sich gegenüber der Presse nicht äußern will, war zeitlich gut terminiert. Es stellte die Osnabrücker Bürgerstiftung in dem geschlossenen Empfängerkreis buchstäblich am Vorabend des achten Bürgerdinners an den Pranger und in Verbindung mit Ausgrenzung und Rassismus.
An diesem Freitagabend (16. August) wird auf dem Marktplatz ein großes Fest mit eigens dafür aufgestellten rund 100 Bierzeltgarnituren gefeiert. Neben dem Familienfest im September im Bürgerpark, ist das Bürgerdinner, zu dem selbstverständlich alle Osnabrückerinnen, Osnabrücker und ihre Gäste eingeladen sind, eine der großen Publikumsveranstaltungen der Bürgerstiftung.

Das Bürgerdinner 2023 / Foto: Kerstin Albrecht
Das Bürgerdinner der Bürgerstiftung 2023 / Foto: Kerstin Albrecht

Familienfest im September ist für den DGB-Chef eine “destruktive Signale sendende Parallel-Veranstaltung”

Unter dem Titel “Haltung zeigen” wurde das PDF-Dokument, das inzwischen Wellen in der Stadtgesellschaft geschlagen hat, an zahlreiche Teilnehmer eines E-Mail-Verteilers versendet, die sich im Januar zusammengefunden hatten, um gemeinsam die Großdemonstration im Schlossgarten zu organisieren.
In dem Schreiben wird die Bürgerstiftung der Stadt Osnabrück in den Kontext von Rassismus und Ausgrenzung gestellt und der Bürgerstiftung sogar nahegelegt, eine schon lange geplante Veranstaltung im September kurzfristig abzusagen, weil parallel zum Fest der Bürgerstiftung auf dem Osnabrücker Marktplatz Migranten das ‘Fest der Kulturen’ feiern.

Dass sich die Bürgerstiftung erlaubt ebenfalls am 15. September eine Veranstaltung durchzuführen, wird in der begleitenden E-Mail einleitend vom Gewerkschaftsfunktionär Cramm als “destruktive Signale sendende Parallel-Veranstaltung im Bürgerpark” herabqualifiziert.

Einleitende E-Mail zu DGB-Schreiben bzgl. Familienfest der Bürgerstiftung
Einleitende E-Mail zu DGB-Schreiben bzgl. Familienfest der Bürgerstiftung / Screenshot

DGB fordert Zusammenlegen der Feste oder Terminverschiebung

Hintergrund für die schwerwiegenden, wenn auch nur indirekt formulierten Vorwürfe von Rassismus und bewußter Ausgrenzung, ist also die eigentlich recht banale Gleichzeitigkeit zweier Veranstaltungen am 15. September 2024: das mit Steuergeldern finanzierte “Fest der Kulturen” vom städtischen Büro für Friedenskultur und das “Bürgerfest” der Bürgerstiftung Osnabrück.

Der DGB kritisiert, dass diese parallele Terminierung, insbesondere durch die Bürgerstiftung, zu einer weiteren Trennung und Ungleichheit zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen beitragen würde. Das Fest der Kulturen, so die Befürchtung des Gewerkschaftsbunds, könne durch das zeitgleich im Bürgerpark stattfindende Bürgerfest marginalisiert werden.

Ausschnitt des "Fallbeispiels für Rassismus und Ausgrenzung" des DGB Osnabrück
Ausschnitt des “Fallbeispiels für Rassismus und Ausgrenzung” des DGB Osnabrück

Der DGB fordert in dem unserer Redaktion vorliegenden Dokument schließlich, dass die Feste entweder zusammengelegt oder an unterschiedlichen Tagen stattfinden sollten, um ein Zeichen gegen Rassismus und für ein gemeinsames Miteinander zu setzen. “Das ist glaubwürdig, das richtige Signal”, so der DGB abschließend.

Auch das große Bürgerfest auf dem Wall 2023 war angeblich “ausgrenzend”

Die Kritik des DGB, die im Rundumschlag auch noch die Unterscheidung zwischen Bürgeramt und Ausländeramt thematisiert, richtet sich nicht nur gegen das zukünftige Bürger- und Familienfest der Bürgerstiftung, sondern auch rückblickend gegen des große Bürgerfest der Stadt Osnabrück im Sommer 2023, das auf dem Wallring veranstaltet wurde. Das fand zwar nicht parallel zum Fest der Kulturen statt, ist dem Gewerkschaftsboss rückblickend aber auch ein Dorn im Auge.

Ausschnitt des "Fallbeispiels für Rassismus und Ausgrenzung" des DGB Osnabrück
Ausschnitt des “Fallbeispiels für Rassismus und Ausgrenzung” des DGB Osnabrück

Angeblich, so jedenfalls die Wahrnehmung des DGB, fehlten zahlreiche Gruppen mit interkulturellen Bezügen sowohl unter den Teilnehmern als auch unter den Besuchern. Menschen mit Migrationshintergrund hätten sich nicht eingeladen gefühlt, da es sich um ein „Bürgerfest“ handelte, was für sie ein Zeichen der Ausgrenzung gewesen sei. Sie empfanden, dass sie als „Ausländer“ nicht explizit angesprochen waren und das Fest nicht für sie gedacht sei. “Bürger, das sind die anderen”, fühlt sich der DGB stellvertretend für Migranten diskriminiert.

Tatsächlich waren 2023 zahlreiche Vereine mit Multikulti-Bezug dabei

Allerdings hält der Rückblick auf ein angeblich diskriminierendes Bürgerfest 2023 selbst einem oberflächlichen Faktencheck nicht stand. So war nicht nur die “Seebrücke Osnabrück” – bei der ausgerechnet der DGB Osnabrück selbst Mitglied ist – Teil des Bürgerfests auf dem Wall, sondern zahlreiche andere Stände mit Multikulti-Bezug.

War vielleicht nicht unbedingt von großem Interesse für die meisten Besucher, aber auch die "Seebrücke Osnabrück", bei der auch der DGB Mitglied ist, war 2023 auf dem Wall vertreten.
Gähnende Leere bei den Unterstützern der “Seenotretter” vom Mittelmeer. Der Stand war vielleicht nicht unbedingt von großem Interesse für die meisten Besucher, aber auch die “Seebrücke Osnabrück”, bei der auch der Osnabrücker DGB Mitglied ist, war damit 2023 auf dem Wall vertreten / Foto: Pohlmann

So viele linke Parteien und Gruppen mit “interkulturellen Bezügen” waren wirklich da:
Das offizielle Programm vom 27. August zählt neben SPD und Grünen auch die Genossen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, den Verein EXIL e.V., die Omas gegen Rechts, Hand in Hand mit Nangina, den Gastrostand ‘African Dishes’, koreanischen ‘K-Pop’ Tanz und zahlreiche weitere interkulturelle Showacts wie “Trixa” (Reggae, Dancehall & Afrobeats), “DJ Dirt” (Electronic World Music) und “loup.ed” (Brazil, Afro Disco & Boogie). Alles in allem war das Bürgerfest 2023 vielleicht doch etwas ‘bunter’, als es der DGB rückblickend sieht?

Bürgerstiftung sieht ehrenamtliches Engagement durch DGB-Chef beleidigt

Während Gewerkschaftsfunktionär Cramm sich nicht zu den von ihm zu verantwordenden Vorwürfen und Interpretationen des Bürgerfests 2023 und des geplanten Familienfests im Bürgerpark äußern wollte, meldete sich die Bürgerstiftung, vertreten durch die Vorstandsvorsitzende Ulrike Burghardt, mit einem umfangreichen Statement bei unserer Redaktion:

“Den Vorwurf des DGB Osnabrück, insbesondere von Herrn Olaf Cramm, weisen wir entschieden und fassungslos zurück. Er unterstellt dem Vorstand der „Bürgerstiftung Osnabrück“ alleine deshalb, weil die Bürgerstiftung am 15.09.2024 zum dritten Mal im Bürgerpark einen Familientag veranstaltet, welcher dieses Jahr leider am selben Tag zum „Fest der Kulturen“ stattfindet, Rassismus.

Auf den Grünflächen des Bürgersparks stellen sich wieder die Projekte und Kooperationspartner:innen der Bürgerstiftung mit vielen Mitmach-Aktionen vor. Die Veranstaltung findet von 14:00 Uhr bis 18:00 Uhr statt.
Vor Ort wartet auf Familien jedes Jahr ein buntes Angebot mit Bewegung, Kunst und Kultur. Die Projekte und Initiativen der Bürgerstiftung bieten von Kinderschminken über Ballspiele bis hin zu einem Mitmach-Atelier allerhand spannende Aktionen für die ganze Familie. Für Kaffee und Kuchen ist ebenfalls immer gesorgt.

Die vergangenen Feste wurden immer von sehr vielen Familien unterschiedlicher Herkunft besucht.
Wir führen Familien und Menschen zusammen und spalten nicht. Die „Bürgerstiftung Osnabrück“ engagiert sich mit ihren Projekten seit bald einem Vierteljahrhundert für alle Bürger in Osnabrück. Dabei kommt es niemals auf Herkunft, Aussehen oder Religion an. Im Gegenteil: der Fokus liegt insbesondere darauf, Chancenungleichheit zu beseitigen und in friedlichen Miteinander den Zusammenhalt und Integration in unserer Stadt zu fördern. Die Vorwürfe des „Rassismus“ und das Senden „destruktiver Signale“ beleidigen jeden, der sich für das Miteinander einsetzt und sich ehrenamtlich engagiert. Wir sind weltoffen und leben dies auch.”

Kommentar des Redakteurs
Der Osnabrücker DGB scheint in einer seltsamen Parallelwelt zu existieren. Nicht nur, dass er wohl nicht mehr auf dem Schirm hat, über die ‘Seebrücke Osnabrück’ selbst Teil des Bürgerfests 2023 gewesen zu sein, er scheint auch nicht zu verstehen, dass wer ständig alle und jeden unter Rassismus-Verdacht stellt, der gutgemeinten Sache einen Bärendienst erweist. Irgendwann können die Wähler das nicht mehr ertragen, ständig mit Vorwürfen konfrontiert zu werden – zum Beispiel, weil sie sich zu Kaffee und Kuchen im Bürgerpark treffen – und wählen dann genau die, vor denen Gewerkschaftsfunktionäre wie Olaf Cramm berechtigte Angst haben.
Dass der Osnabrücker DGB zum 1. Mai 2024 die Farben Schwarz-Rot-Gold und andere Nationalflaggen pauschal zum Handwerkszeug von Populisten erklärte und Nationalfahnen verbot, war wohl kein Einzelfall. Irgendwas stimmt bei Olaf Cramm und seinen Genossen ganz offensichtlich nicht.
Ein freundlich eingeleitetes Telefonat, nur weil es vielleicht unangenehm werden könnte, einfach wegzudrücken… auch das zeugt nicht unbedingt von Dialog- und Kritikfähigkeit und einem gesunden Verständnis von der Aufgabe der Presse in der Gesellschaft, auch und gerade wenn diese kritisch nachfragt.

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Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann
Heiko Pohlmann gründete die HASEPOST 2014, basierend auf dem unter dem Titel "I-love-OS" seit 2011 erschienenen Tumbler-Blog. Die Ursprungsidee reicht auf das bereits 1996 gestartete Projekt "Loewenpudel.de" zurück. Direkte Durchwahl per Telefon: 0541/385984-11

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