Die Große Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg hat Russland am Dienstag für zahlreiche Menschenrechtsverstöße auf der Krim verurteilt. Die Verstöße beinhalten unter anderem Verletzungen des Rechts auf ein faires Verfahren, des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens und das Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung.
Russisches Recht auf der Krim
Der Gerichtshof stellte eine umfassende Anwendung russischen Rechts auf der Krim fest, was im Lichte des humanitären Völkerrechts einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren nach Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention darstelle. Zudem sei das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Artikel 8) dadurch missachtet worden, dass es für die Bewohner der Krim kaum möglich war, das Erlangen einer russischen Staatsbürgerschaft abzulehnen.
Überstellung von Gefangenen
Das Gericht sieht laut eines Berichts des Büros des Hochkommissars für Menschenrechte (OHCHR) in der Tatsache, dass „eine beträchtliche Anzahl der Gefangenen der Krim in die Russische Föderation überstellt wurde“, eine weitere Verletzung des Artikel 8. Jüngsten Informationen aus dem Jahr 2022 zufolge wurden demnach 12.500 Krim-Häftlinge in Strafvollzugsanstalten auf russischem Gebiet überstellt. Diese Verlegungen stellten laut der Richter, insbesondere für die von der ukrainischen Regierung als „ukrainische politische Gefangenen“ bezeichneten Personen, aufgrund der großen Entfernung von ihrem Wohnort und der Trennung von ihren Familien einen Verstoß gegen das Recht auf Achtung des Familienlebens dar.
Verstöße gegen weitere Menschenrechte
Der Gerichtshof stellte außerdem fest, dass es zwischen 2014 und 2018 insgesamt 43 dokumentierte Fälle von Verschwindenlassen gab und dass der Verbleib von acht entführten Personen weiterhin unbekannt ist. Laut eines OHCHR-Berichts gab es in diesem Zeitraum willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen, Misshandlungen und Folter, die Elemente sexueller Gewalt beinhalteten, sowie ein Verstoß gegen die Artikel 2 (Recht auf Leben), 3 (Verbot unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung) und 5 (Recht auf Freiheit und Sicherheit). Der Gerichtshof entschied einstimmig, dass Russland Maßnahmen für die sichere Rückführung der Gefangenen ergreifen muss, die von der Krim in Strafvollzugsanstalten auf dem Gebiet der Russischen Föderation überstellt wurden.
Streitfälle und ihre Folgen
Die Ukraine hat vier zwischenstaatliche Verfahren gegen Russland anhängig und es gibt rund 7.400 Einzelklagen, die sich auf die Ereignisse auf der Krim, in der Ostukraine und im Asowschen Meer sowie auf die militärischen Operationen Russlands auf ukrainischem Gebiet seit dem 24. Februar 2022 beziehen. Trotz der Urteile des Gerichtshofs lehnt es Russland ab, diese anzuerkennen.
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