Impfkritiker, Kritiker der Coronamaßnahmen, Querdenker … wie soll man die inzwischen regelmäßig in Osnabrück demonstrierenden Bürger korrekt bezeichnen? „Medienkritiker“ ist vielleicht auch eine passende Bezeichnung, denn erneut werden „die Medien“ und vor allem unsere Kollegen der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) in den Fokus einer Demonstration gerückt.
Während die für diesen Samstag (8. Januar 2022) geplante Demonstration ursprünglich bei der Stadtverwaltung noch unter dem Motto „für freie Medien“ geführt wurde, entschloss sich der Anmelder schließlich die Veranstaltung unter dem Titel „Kein Ausnahmezustand für neutrale Medienberichterstattung“ anzumelden, so ein Sprecher der Stadtverwaltung gegenüber unserer Redaktion.
Bereits Anfang Dezember 2021 wurde unter dem sperrigen Motto „Gegen Panikmache und Spaltung der Gesellschaft durch pflichtvergessene Medien. Für Selbstbestimmung und das Recht auf körperliche Unversehrtheit aller Menschen“ in Osnabrück demonstriert.
Anmelder der Demo erneut aus Lemförde am Dümmer
Als Anmelder der Demonstration an diesem Samstag fungiert nach Recherchen unserer Redaktion erneut ein Mann aus Lemförde am Dümmersee. Der Beginn der Veranstaltung ist für 13:30 Uhr im Schlossgarten geplant. Von dort soll dann ein Demonstrationszug über den Wall, vorbei an einer ebenfalls inzwischen offiziell angemeldeten Gegendemonstration („Impfen statt Schimpfen“) am Willy-Brandt-Platz entlang und weiter bis zum Verlagsgebäude der NOZ führen.
Demo soll zum „Flashmob“ vor dem Verlagsgebäude der NOZ werden
In der Telegramgruppe „Grundrechte Osnabrück Infokanal“ wird die kommende Demo als Flashmob bezeichnet, dessen „zentraler Moment“ eine „friedliche & freundliche Aktion aller Teilnehmer während des Umzuges auf Höhe der fantastisch berichterstattenden Lokalzeitung“ sei. Die Organisatoren ergänzen dazu „Wir sind fair. Wir belohnen gute Pressearbeit!“.
In der Vergangenheit war es bei Demonstration auf Höhe des Erich-Maria-Remarque-Rings mehrfach zu Schmährufen („Lügenpresse“) und in einem Fall auch zu einem tätlichen Angriff gegen die Eingangstür der Lokalzeitung gekommen.
Ankündigung bei Telegram: Kommende Woche erneute Großdemo?
Nach diesem, aus Sicht der Organisatoren „zentralen Moment“, soll der Demonstrationszug im Bereich Liebigstraße / Nonnenpfad umkehren („NOZ-Jubelkehre“) und zurück zum Schlossgarten führen.
Für die kommende Woche sei bereits eine weitere Demonstration geplant, so der Beitrag auf Telegram, bei dem dann wieder eine Großdemo „mit ganzer Runde und Bühne“ geplant sei.
Die inzwischen in Osnabrück eingeführte Maskenpflicht bei Demonstrationen wird ferner auf Telegram als „Maskenschikane“ betitelt, Andersdenkende werden als „Corona-Sekte“ bezeichnet.
Kommentar des Redakteurs
Vorsicht ist geboten. Auch wenn ich weiterhin der Ansicht bin (siehe Kommentar hier), dass ein Großteil der Demonstrierenden, die ich in den zurückliegenden Wochen und insbesondere am vergangenen Sonntag gesehen habe, eher in Richtung „aus der Mitte der Gesellschaft“, „Grüne Basis“ oder „Esoteriker“ einsortieren sind – natürlich nicht ohne in der Masse auch vielleicht den ein oder anderen Extremen vom linken oder rechten Rand zu übersehen – zeigt der aktuelle Protestaufruf ein ekelhaftes Geschmäckle, das überhaupt nichts mehr mit nachvollziehbaren Sorgen zu tun hat, die mit der möglichen Einführung einer Impfpflicht einhergehen können.
Wenn Vertreter der Medien öffentlich zu Feindbildern aufgebaut werden, ist das nicht mehr zu vergleichen mit einem politischen Diskurs oder einer nachvollziehbaren Kritik an Entscheidungen der aktuellen Regierung.
Diktaturen und Faschisten, egal ob von links oder rechts und egal ob ihre verbrecherischen Organisationen im Mai 1945 oder November 1989 scheiterten, suchen sich immer zuerst auch Journalisten als Feindbilder und bauen darauf ihre Verschwörungstheorien auf.
Vorsicht ist geboten: Hier scheint ein Rattenfänger vom versumpften Dümmersee sein Unwesen im besonders impffreudigen Osnabrück treiben zu wollen!
Mit legitimer Kritik an den Corona-Maßnahmen oder zumindest nachvollziehbaren Ängsten vor der Impfung hat ein derartiger Aufruf gegen die Presse und einem Aufmarsch vor einer Redaktion nichts mehr zu tun. Das sollte jeder vor Augen haben, der vielleicht meint, dass am kommenden Samstag gegen Corona-Maßnahmen demonstriert werden soll.
Titelfoto: Demonstration von Kritikern der Coronamaßnahmen am 2. Januar 2022