Ansgar Pohlmann (Stiftung Stahlwerk Georgsmarienhütte) Andreas Mennewisch (Ärztlicher Leiter Rettungsdienst Landkreis Osnabrück) Robert Fortmann (Mobiler Retter) Volker Trunt (Vorstand Rettungsleitstelle) und Julia Heyer (Projektleitung) (v.l.n.r.) zeigen die “Mobile Retter” Corona-Masken. / Foto: Henning Müller-Detert, Landkreis Osnabrück
Bei einem Herzinfarkt zählt jede Sekunde. Damit im Notfall möglichst schnell erste Hilfe geleistet werden kann, gibt es seit 2017 die „Mobilen Retter“ in der Region Osnabrück. Die ehrenamtlichen Ersthelfer konnten schon zahlreiche Leben retten.
Bei der Behandlung eines Herz-Kreislauf-Stillstandes ist Zeit ein entscheidender Faktor. Bereits nach drei bis fünf Minuten ohne Herzschlag führt der Sauerstoffmangel zu irreparablen Gehirnschäden, kurz darauf kann es zum Tod des Patienten kommen. Der Rettungswagen trifft in Deutschland im Schnitt acht Minuten nach dem Notruf ein, wenn vor Ort keine Erste Hilfe geleistet wird, ist es oft schon zu spät. In der Bundesrepublik erleiden jedes Jahr mehr als 50.000 Menschen einen plötzlichen Herzstillstand, nur 10 Prozent der Betroffenen überleben. Im internationalen Vergleich ist das ein auffallend niedriger Wert, in den USA liegt die Überlebensrate bei etwa 30 Prozent. In Deutschland sind die meisten Menschen nur unzureichend in Erster Hilfe geschult, Wiederbelebungsmaßnahmen werden zu spät oder gar nicht angewandt. Der „Deutsche Rat für Wiederbelebung“ schätzt, dass jeden Jahr 10.000 Leben in Deutschland gerettet werden könnten, wenn unmittelbar mit einer Herzdruckmassage begonnen würde. Die „Mobilen Retter“ tragen seit 2017 zur Lösung des Problems in der Region Osnabrück bei.
Freiwillige Helfer retten Leben
Die Mobilen Retter sind ehrenamtliche Helfer die Beruflich im Medizin- und Blaulichtbereich aktiv sind. Die Retter sind umfassend in Erster Hilfe und Wiederbelebung geschult, sie können im Notfall per App alarmiert und zum Patienten gelotst werden. Ähnlich wie Feuerwehrleute sind die Mobilen Retter permanent während ihrer Arbeits- und Freizeit verfügbar und meist schneller beim Patienten als der Rettungswagen. Im Schnitt sind sie in der Region Osnabrück nach nur vier Minuten am Ort des Notfalls. Hier können sie mit Erster Hilfe beginnen und den Patienten bis zum Eintreffen der Sanitäter am Leben halten. In Stadt und Landkreis Osnabrück kommt es zu etwa 2 Reanimationen pro Tag. In ca. 75 Prozent der Fälle ist ein Mobiler Retter vor Ort, seit 2017 haben sie in etwa 700 Einsätzen Patienten wiederbelebt und damit zahlreiche Leben gerettet. Die Wahrscheinlichkeit einen Herz-Kreislauf-Stillstand zu überleben, hat sich in der Region von 10% auf 15 bis 20% erhöht. In Stadt- und Landkreis Osnabrück gibt es etwa 1.200 aktive Helfer, 95% arbeiten ehrenamtlich. Die Mobilen Retter werden unter anderem bei der Freiwilligen Feuerwehr, den Maltesern und in medizinischen Einrichtungen rekrutiert. Obwohl noch immer neue Helfer gesucht werden, dürfen nur Menschen, die im Medizin- und Blaulichtbereich arbeiten, mitmachen.
Robert Fortmann rettete mehrere Menschenleben
Der 39-jährige Robert Fortmann ist selbstständiger Unternehmer und stellvertretender Gemeindebrandmeister in Bohmte, seit zwei Jahren ist er außerdem Mobiler Retter. Er fand durch sein Engagment bei der Feuerwehr zum Projekt: „Wir waren mit dem Feuerwehrauto unterwegs und bekamen einen Notruf wegen eines Herz-Kreislauf-Stillstandes. Da wir in der Nähe waren, fuhren wir sofort zum Patienten und konnten mit Erster Hilfe beginnen. Damals waren die Mobilen Retter noch neu und die Dichte der Helfer war gering, sodass ein Mobiler Retter erst deutlich nach uns eintraf. Der Fall zeigte mir, dass mehr Retter benötigt werden und als unsere Feuerwehr kontaktiert wurde, habe ich mich gemeinsam mit vielen Kameraden freiwillig gemeldet.“ Robert Fortmann war seitdem bei sechs Notfällen im Einsatz und geht davon aus, dass sein Handeln in mindestens zwei Fällen zur Rettung eines Patienten beitrug. Der Feuerwehrmann erzählt von einem exemplarischen Fall: „Ich arbeitete an einem Samstagnachmittag in meinem Garten, als auf meinem Handy plötzlich der Alarm losging. Ich kannte den Betroffenen vom Sehen, wusste sofort wo ich hin muss und konnte sehr schnell beim Patienten sein. Die Frau des Betroffenen öffnete die Tür, konnte aufgrund einer Schulter-OP aber nicht selbst helfen. Ich begann sofort mit der Herzdruckmassage und nach fünf bis zehn Minuten traf der Rettungswagen ein. Die Sanitäter haben mich gebeten, noch zwei bis drei Minuten weiterzumachen, sodass sie ungestört ihre Ausrüstung bereitmachen konnten. Glücklicherweise überlebte der Patient und erlitt keine bleibenden Schäden. Ich glaube dieses Beispiel zeigt gut, wie Mobile Retter ein Gewinn für die Gesamtsituation sein können.”
Schwierige Erlebnisse
Leider geht nicht jeder Notfall glimpflich aus und auch die Mobilen Retter kommen oft zu spät. Durch die räumliche Nähe von Rettern und Patienten besteht außerdem eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Ersthelfer die Betroffenen persönlich kennen. Der Rettungsdienst bemüht sich daher um eine Nachbetreuung und kontaktiert die Retter nach jedem erfolgten Einsatz. Robert Fortmann erlebte dreimal, dass er für Notfälle nichts mehr tun konnte: „Sobald der Alarm ertönt, setzt bei mir ein Automatismus ein. Ich bin sehr fokussiert und verliere das Zeitgefühl. Da ich seit 23 Jahren bei der Feuerwehr bin, bin ich an Notfälle gewohnt. Natürlich bleiben die Erlebnisse ein paar Tage im Kopf, aber dauerhaft belastend waren sie bisher nicht. Der Umgang mit den Angehörigen ist meist schwieriger als der mit den Patienten. Die Leute sind verzweifelt und haben im schlimmsten Fall gerade einen geliebten Menschen verloren.“ Aufgrund der großen Belastung dürfen nur Freiwillige aus dem Medizin- und Blaulichtsektor Mobile Retter werden. Es müssen belastbare und gefestigte Personen sein, die im Umgang mit Notfällen erfahren sind.
Corona sorgte für Schwierigkeiten
Die Corona-Pandemie hat die Arbeit der Mobilen Retter in den letzen Monaten auf den Kopf gestellt. Zunächst wurden sie für mehrere Wochen gar nicht eingesetzt, das wurde inzwischen geändert. Wegen der hohen Infektionsgefahr verzichten die Retter allerdings nach wie vor auf die Mund-zu-Mund-Beatmung. Für Dr. Andreas Mennewisch, ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes im Landkreis Osnabrück, ist das allerdings kein großes Problem: „Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die Herzdruckmassage viel wichtiger ist. Der Wert der Atemspende war schon vor der Pandemie umstritten, jetzt raten wir wegen der Infektionsgefahr grundsätzlich davon ab. Auch bei der Herzdruckmassage ist ein Austreten von Atemluft möglich, deswegen ist es ratsam, zum Beispiel ein Taschentuch über das Gesicht des Patienten zu legen.“
Weitere Retter gesucht
Die fast 1.200 Mobilen Retter in der Region tragen dazu bei, die Überlebenschancen im Fall eines Herz-Kreislauf-Stillstandes zu erhöhen. Die “Stiftung Stahlwerk Georgsmarienhütte” hat bisher 50.000 Euro in die Ausbildung der Retter investiert und sorgt so wesentlich für das Gelingen des Projektes. Auch wenn die Mobilen Retter bisher sehr erfolgreich sind und sich in ganz Deutschland durchsetzen, werden nach wie vor Freiwillige gesucht.