2.000 Teilnehmer, so die Zahl die von Stadtverwaltung und Polizei offiziell angenommen wird, versammelten sich am vergangenen Samstag im Schlossgarten um gegen Rassismus zu demonstrieren. Schaut man sich die Bilder von der friedlichen Kundgebung an, dann fällt auf: Abstandsregeln wurden nicht eingehalten und der Mundschutz hing oft auch nur schmückend unter dem Kinn einiger Teilnehmer. Die Gefahren der Corona-Pandemie waren für einen Nachmittag vergessen.
„Der Anmelder hat mit einer Teilnehmerzahl von 500 bis 1.000 Personen gerechnet“, so der städtische Pressesprecher Dr. Sven Jürgensen am Montag auf Nachfrage unserer Redaktion. Gefolgt waren dem Demonstrationsaufruf von zwei Privatpersonen, die als Anmelder fungierten, dann nach offizieller Zählung aber 2.000 Menschen.
Vorgaben waren eindeutig: Mundschutz und 2 Meter Abstand
„Die Versammlungsteilnehmer mussten einen Mund-und Nasenschutz tragen und untereinander einen Abstand von 2,0 m einhalten“, erläutert Stadtsprecher Jürgensen die Auflagen, die im Vorfeld zwischen Stadtverwaltung und den Anmelden vereinbart worden waren. Weiterhin sollte zu unbeteiligten Dritten ein Mindestabstand von 3,0 m eingehalten werden.
Darüber hinaus wurde aufgrund der Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen vor Corona die Anzahl der Ordner erhöht. Bei der angemeldeten Teilnehmerzahl von 1.000 Personen waren 67 gekennzeichnet Ordner erforderlich, auch das wurde den Veranstaltern zur Auflage gemacht.
Dass die Vorgaben auch tatsächlich einzuhalten waren begründet die Stadt mit der theoretisch zur Verfügung stehenden Fläche: „Im Schlossgarten steht mit der Hauptrasenfläche eine Fläche von 7.000 qm zur Verfügung. Das wären bei der angemeldeten Teilnehmerzahl von 1.000 Personen eine Fläche von 7 qm pro Person gewesen. Ausweichflächen für mehr Personen sind im Schlossgarten vorhanden“.
Für die Verwaltung hört die Verantwortung mit Beginn der Veranstaltung auf
Für die Stadtverwaltung hört die Verantwortung allerdings bei den im Vorfeld gemachten Auflagen auf; nachdem am Samstag immer mehr Menschen in den Schlossgarten strömten und die Auflagen langsam aber sicher zu Makulatur wurden, hat die Polizei die Aufgabe die städtischen Auflagen durchzusetzen: „Nach § 24 des Niedersächsischen Versammlungsgesetz [ist dann] die Polizei die zuständige Versammlungsbehörde“, so Jürgensen, der in seiner schriftlichen Antwort auf unsere Anfrage noch betont, dass die Veranstaltung „friedlich und störungsfrei“ verlief.
Mitglieder eines Haushalts standen zusammen und Masken wurden nur zum Essen abgenommen?
Für die Polizeiinspektion Osnabrück erklärt Pressesprecher Frank Oevermann: „Nach unseren Feststellungen wurden die beschränkenden Verfügungen zum Schutz vor Neuinfektionen eingehalten. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass der Abstand zwischen Personen temporär nicht eingehalten oder die Maske von einigen Personen zwischenzeitlich auch mal abgenommen wurde. So z.B., wenn Masken abgenommen wurden, weil Versammlungsteilnehmer etwas gegessen oder getrunken haben. Zudem ist es durchaus möglich, dass Angehörige von Familien oder Personen aus einem Haushalt zusammenstanden und den ansonsten vorgeschriebenen Mindestabstand unterschritten.“
Dass am Ende doppelt so viele Teilnehmer wie angekündigt und somit auch nicht ausreichend Ordner vorhanden waren ist für die Polizei auch kein Problem. „Dass es nun deutlich mehr Teilnehmer wurden, war aufgrund des im Schlossgarten zur Verfügung stehenden Platzangebotes kein Problem. Zudem verlief die Versammlung absolut friedlich und geordnet, so dass die Anzahl der Ordner aus Sicht der Polizei ausreichend war“, erläutert Pressesprecher Oevermann.
Bußgelder wurden nach Angabe der Polizei keine verhängt und eine vorzeitige Auflösung sei nicht erfolgt, da hierfür die Voraussetzungen gemäß §8 des Niedersächsischen Versammlungsgesetzes nicht vorgelegen hätten.
Stadt will weiter im Einzelfall Demonstrationen prüfen
Auch in Zukunft und bei weiterhin geltenden Corona-Schutzmaßnahmen könnten vergleichbare Demonstrationen erlaubt werden, dazu der städtische Pressesprecher: „Ob weitere derartige bzw. potentielle Groß-Demos stattfinden, hängt von den eingereichten Anmeldungen ab. Letztendlich wird jede Versammlungsanmeldung im Einzelfall auf die Einhaltung der aktuell geltenden Auflagen zum Schutz vor Neuinfektionen vor dem Corona-Virus überprüft.“
Kommentar des Redakteurs
Es gibt gute Gründe keinen Mundschutz zu tragen, Asthma ist einer davon und Essen und Trinken geht auch nur „ohne“. Aber waren da wirklich so viele Asthmatiker im Schlossgarten?
Und wo wurde da getrunken und gegessen?
Noch ein wenig schwieriger ist es zu begründen, warum man sich öffentlich dazu hinreissen lässt den in Corona-Zeiten sorgsam eingeübten Abstand nicht einzuhalten?
War es wirklich die Annahme der für die Durchsetzung der mit der Stadt vereinbarten Regeln betrauten Polizeiführung, dass ein Großteil der 2.000 Demonstranten gemeinsam in einem Haushalt lebt oder gerade für die Nahrungsaufnahme den Mundschutz lüftet? Wer will uns hier für dumm verkaufen?
Bei der Demo am Samstag waren auch Vertreter von Organisationen zu sehen, die in den vergangenen Wochen manch eine Demonstration vermeintlicher (und vermutlich auch tatsächlicher) Aluhutträger kritisch und teils auch trillerpfeifend begleitet haben, weil die sich durch die Coronamaßnahmen in ihren Grundrechten beschnitten fühlten (oder so ein ehrenwertes Motiv behaupteten um eine ganz andere Agenda zu verfolgen, die mit dem Grundgesetz nur schwer in Übereinstimmung zu bringen ist).
Statt windelweiche Vorgaben zu akzeptieren, die dann ja doch nicht durchgesetzt wurden, mussten diese Demonstranten sich teils hinter Flatterband und in genau ausgemessenen Kreidekreisen positionieren um ihr Grundrecht auf Meinungs- und Demonstrationsfreiheit ausüben zu können.
Nun mag sich manch ein Demonstrant am Wochenende moralisch überlegen fühlen, aber unser Rechtssystem kennt keine Boni für „Bessermenschen“.
Und auch das Corona-Virus wird sich nicht sagen „hier wird für eine gute Sache demonstriert, ich mach mal Pause…“.
Ich will AfD-Vertreter, Reichsbürger, Impfgegner oder einfach nur besorgte Mitbürger nicht alle unter einen gemeinsamen (Alu-)Hut zwängen, denn bei den Lockdown-Demos und Corona-Spaziergängen der vergangenen Wochen habe ich ganz unterschiedliche Motive wahrgenommen, viele waren mir persönlich sehr fremd, andere konnte ich als außenstehender Beobachter zumindest nachvollziehen.
Und man kann es den Teilnehmern dieser in den vergangenen Wochen hochgradig reglementierten Demonstrationen nicht verdenken, wenn die sich nach den Bildern des vergangenen Samstags jetzt gemeinsam über doppelte Standards aufregen und womöglich weiter radikalisieren.
Demonstrationsteilnehmer ohne Mundschutz wurden auf unseren Fotos bewusst verpixelt