Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, fordert eine Senkung der Leitzinsen durch die Europäische Zentralbank (EZB). Er warnt vor der Auswirkung von Inflation und Deflation und betont die Rolle der psychologischen Faktoren in der derzeitigen Wirtschaftskrise.
Forderung nach Zinssenkungen
Bei der kommenden Sitzung der EZB hält Marcel Fratzscher es für angemessen die Leitzinsen zu senken. Er erklärt: “Wir dürfen nicht vergessen: Geldpolitik wirkt mit einer großen Verzögerung. Wenn die EZB heute die Zinsen senken würde, dann würde es vermutlich eineinhalb bis zwei Jahre dauern, bis sich der volle Effekt dieses Schrittes auf die wirtschaftlichen Aktivitäten und die Preise zeigt.”
Fratzscher warnt vor einer Wiederholung vergangener Fehler: “Die Frankfurter Währungshüter sollten nicht wieder den Fehler machen wie vor zwei Jahren, wo sie nach Corona und dem Beginn des Krieges in der Ukraine zu lange gewartet haben, bei den Zinsen zu reagieren. Das müssen sie nun vermeiden. Der zentrale Begriff lautet Symmetrie.”
Gefahren von Inflation und Deflation
Fratzscher mahnt an, dass sowohl Inflation als auch Deflation Risiken mit sich bringen: “Die Inflation ist nie gebändigt. Dasselbe gilt allerdings auch für die Gefahr einer Deflation. Die Teuerung ist schädlich, aber auch fallende Preise bringen mindestens ebenso große Risiken mit sich, wenn nicht sogar mehr.” Er betont, dass die Zentralbank Deflation schlechter bekämpfen kann als Inflation. Daher fordert er: “Die Wahrscheinlichkeit, dass die Teuerung in den nächsten drei bis fünf Jahren zu gering sein wird, ist mindestens ebenso groß, wenn nicht größer, als die, dass sie zu hoch sein wird. Daher muss die EZB das eine wie das andere Risiko bedenken und sollte daher jetzt die Leitzinsen senken.”
Die Rolle der Psychologie in der Wirtschaftskrise
Darüber hinaus unterstreicht Fratzscher die Bedeutung der Psychologie in Wirtschaftskrisen: “Die Wirtschaft ist zu 80 Prozent Psychologie.” Um die Konjunktur anzukurbeln, ist es daher seiner Meinung nach entscheidend, den verbreiteten Pessimismus zu überwinden. Fratzscher merkt an, dass es derzeit selten eine schlechtere Stimmung in der Wirtschaft und bei den Bürgern gegeben hat. “Eine solche mentale Depression ist Gift für die Wirtschaft, ohne Vertrauen und Stabilität als Grundlage kann es keine wirtschaftliche Erholung geben,” so der Ökonom. Er warnt, dass solange es an Vertrauen und Stabilität fehle, die deutsche Wirtschaft weiterhin schwächeln werde.
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