Dass der Digitalisierung die Zukunft gehört, ist schon lange nicht mehr zu leugnen. Die Entwicklungen des Jahres 2020 haben noch einmal in besonderem Maße deutlich gemacht, wie wichtig die Möglichkeiten des virtuellen Raumes sind. Die Generationen Y und Z sind als Digital Natives gut gerüstet für die Herausforderungen eines immer virtuelleren Alltags. Nun ziehen auch die Bildungseinrichtungen nach. So bot die Universität Osnabrück zum Beispiel im vergangenen November einen digitalen Hochschulinformationstag an und auch die Erstsemesterbegrüßung fand aufgrund der aktuellen Situation digital statt. Während im ersten Teil des Wintersemesters zwischenzeitlich auch hybride Lehrveranstaltungen mit Präsenzanteilen stattfanden, finden seit dem 4. Januar bis zum Ende des Wintersemesters auch diese nicht mehr statt und wurden in der Zwischenzeit in rein digitale Angebote überführt.
Darüber hinaus entwickeln immer mehr Unis Ausbildungs- und Studiengänge, die besonders auf einen digitalen Arbeitsmarkt und seine Akteure zugeschnitten sind. Wer im Landkreis Osnabrück ein Digital Native ist und darauf aufbauen will, kann beispielsweise an der Uni in Hildesheim studieren. Denn hier ist im Wintersemester 2020/2021 ein neuer Studiengang gestartet, der seinen Fokus auf die Digitalisierung der Lebens- und Arbeitswelten legt.
Das Studium im Wandel
Mit dem Studiengang „Digitale Sozialwissenschaften“ hat die Universität Hildesheim neue Maßstäbe gesetzt. Der Bachelor-Studiengang soll die immer virtuelleren Lebens- und Arbeitsbereiche in den Fokus nehmen und vor allem die Generation Y und Z mit ihren Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt unterbringen. „Wir bilden Fachleute aus, die den digitalen Wandel umfassend, mit einem ganzheitlichen Blick, in seinen technischen als auch gesellschaftlichen Folgen verstehen“, sagt Politikwissenschaftler Wolf Schünemann, Professor am Institut für Sozialwissenschaften im Gespräch mit dem NDR.
Wie die Universität Hildesheim erläutert, ist das Konzept dieses interdisziplinären Studiums bislang das einzige seiner Art in ganz Deutschland. Es verbindet zentrale Aspekte aus den Bereichen Politikwissenschaft, Soziologie, Informations- und Sprachwissenschaft und stellt damit wichtige Weichen, um Absolventen besser auf die Anforderungen eines digitalen Arbeitsmarktes vorzubereiten.
Zentrale Themen des neuen Studienganges
Der Bachelorstudiengang „Digitale Sozialwissenschaften“ beschäftigt sich mit einer großen Bandbreite an neuen Aspekten. Neben einem ganzheitlichen Ansatz werden sich Studierende im Laufe des Studienganges auf themenübergreifende Teilbereiche und einzelne Phänomene im Zusammenhang mit der fortschreitenden Digitalisierung spezialisieren können.
Die Digitalisierung hat in vielen Lebensbereichen neue Möglichkeiten eröffnet. So hat zum Beispiel der E-Commerce neue Märkte erschlossen und eine globale Wirtschaft vorangetrieben. Damit eng verknüpft sind zentrale Themen wie Datensicherheit im Netz und sicherer Zahlungsverkehr. Zum E-Commerce im weitesten Sinne gehören auch die neuen Möglichkeiten im Entertainmentbereich. Streamingdienste und digitales Fernsehen lösen analoge Konzepte vor allem bei der jüngeren Generation ab und machen es möglich, Unterhaltung und Information nach individuellen Vorlieben zu gestalten. Online-Spiele und Wettanbieter mit Cashout Funktion revolutionieren die virtuelle Freizeitgestaltung und bieten eine nahezu unbegrenzte Auswahl an Unterhaltungsmöglichkeiten direkt vor dem heimischen Bildschirm oder über mobile Endgeräte.
Eine ebenso zentrale Errungenschaft der Digitalisierung sind die Möglichkeiten der virtuellen Kommunikation und der Informationskompetenz. Soziale Netzwerke, Chatprogramme mit Videofunktion, Messengerdienste und Plattformen für den globalen Austausch haben Werkzeuge der sozialen Vernetzung geschaffen, die die ganze Welt miteinander verbinden. Vor allem die Ereignisse, die das Jahr 2020 geprägt haben, haben gezeigt, wie wichtig die Möglichkeiten eines virtuellen Lebens- und Arbeitsalltages sind.
Doch die zahlreichen Revolutionen werfen auch Schatten. Sie eröffnen nicht nur Möglichkeiten der Entwicklung und des Fortschritts, sondern eben auch sozialen Phänomenen auf der Basis künstlicher Intelligenz den Weg, die negative Auswirkungen auf eine digitalisierte Gesellschaft haben. Betrugsmaschen im Internet, Phishing und der Diebstahl sensibler persönlicher Daten, insbesondere im Zahlungsverkehr, prägen den neuen Alltag. Darüber hinaus haben sich soziale Phänomene ausgeprägt, die neue Lösungsansätze fordern. Zentrale Themen des neuen Studienganges sind deshalb auch Aspekte wie Cyber-Mobbing, Social Bots, Hate-Posts, Desinformation und Hilfsmittel für Betrug und politische Manipulation im sozialen Bereich wie Fake-News und Fake-Profile.
Der neue Bachelorstudiengang bietet einen interdisziplinären und ganzheitlichen Ansatz, um die neu entstandenen Phänomene der Digitalisierung verstehen, nutzen und in geordnete Bahnen lenken zu können.
So ist der neue Bachelorstudiengang aufgebaut
Das Studium der „Digitalen Sozialwissenschaften“ umfasst sechs Semester, wie jeder klassische Bachelorstudiengang. Ein Einstieg ist jeweils zum Wintersemester möglich.
Im Rahmen des Studiums sind Leistungspunkte (LP) in den folgenden Studienfächern zu erwerben:
- Informationswissenschaft (47 bis 53 LP)
- Sprachtechnologie (9 bis 13 LP)
- Politikwissenschaft (29 LP)
- Soziologie (29 LP)
Ein Musterstundenplan ist auf der Internetseite der Universität Hildesheim einzusehen.
Die Aspekte aus dem Bereich der Sprachwissenschaften sollen in einem Auslandssemester vertieft werden. Während des Auslandsaufenthaltes sollen sowohl neue inhaltliche Themen als auch fremdsprachliche Kompetenzen in den einzelnen Fachbereichen erarbeitet werden. Das Auslandssemester unterstützt den Bereich Sprachtechnologie und sollte idealerweise an einer der rund 40 internationalen Partnerhochschulen der Universität Hildesheim absolviert werden.
Die Ziele und Kompetenzen, die im Rahmen des Studiums erworben werden sollen, definiert die Universität Hildesheim wie folgt:
- Entwicklung der Fähigkeit, aktuelle gesellschaftliche Phänomene (wie Ungleichheit, Partizipation, Regulierung) in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen zu analysieren. Dies erfordert einen sicheren Umgang mit sozialwissenschaftlichen Theorien, Forschungsbefunden und Forschungsmethoden.
- Entwicklung grundlegender und vertiefender Kenntnisse von Strukturen und Prozessen digitalisierter Politikvermittlung sowie der Governance der Digitalisierung
- Erwerb grundlegender Kenntnisse des Informationsmanagements, der Informationswissenschaft und der Sprachtechnologie
- Aneignung fundierten technologischen Wissens mit sozialwissenschaftlich geprägten Kompetenzen und Analysefähigkeiten, die einen kritischen Umgang mit Daten ermöglichen
(Quelle: https://www.uni-hildesheim.de/diso/)
Als Zugangsvoraussetzung für den Bachelorstudiengang ist das Abitur oder ein gleichwertiger anerkannter Schulabschluss erforderlich. Darüber hinaus ist der Studiengang zulassungsfrei. Die Bewerbung um einen Studienplatz für das nächste Wintersemester ist jeweils im Juni über das Online-Bewerbungsportal der Universität möglich.
Berufliche Perspektiven für digitale Sozialwissenschaftler*innen
Die beruflichen Perspektiven für Absolventen des Studienganges können sich sehen lassen. Die Universität Hildesheim sieht den neuen Bachelor in vielfältigen Branchen und Einsatzgebieten mit unterschiedlichem Schwerpunkt:
- Journalismus und Medien (z.B. Datenjournalismus)
- Öffentliche Verwaltung (z.B. elektronische Verwaltung)
- Parteien, Parlamente (z.B. Newsrooms, digitaler Wahlkampf)
- Stiftungen, Gewerkschaften, Verbände (z.B. allgemeine u. spezifische Herausforderungen des digitalen Wandels)
- Internationale Institutionen, Organisationen (z.B. digitale Diplomatie)
- Erwachsenenbildung (z.B. digitale Bildung, Medienkompetenz)
- Universität, Forschungseinrichtungen (z.B. Data Science)
- Unternehmensberatung, Wirtschaft (z.B. Online-Marketing, Akzeptanz und Einführung innovativer digitaler Lösungen)
- Internationales Projektmanagement
Auch eine akademische Weiterführung des Studienganges ist an der Universität Hildesheim möglich. An den B. A. in „Digitalen Sozialwissenschaften“ kann der Masterstudiengang Internationales Informationsmanagement – Informationswissenschaft angeschlossen werden.
Fazit
Nachdem das Wintersemester 2020/2021 inzwischen fast abgeschlossen wird, zeichnet sich bereits ab, dass die Einführung des neuen Studiengangs ein voller Erfolg war. Besonders die Interdisziplinarität kommt bei den Studierenden gut an, weil diese es ermöglicht, die verschiedensten Themengebiete aus digitaler Perspektive zu betrachten.