Archivoto: eine der kleineren Veranstaltungen vor dem Rathaus, das Dîner en blanc im Jahr 2017 (Foto: Pohlmann)
Wird sich Corona dieses Jahr rechtzeitig zurückziehen um endlich wieder eine Maiwoche zu ermöglichen? Und dann? Bierfest, Weinfest, Winzerfest und Streetfood? Alles möglich, aber nur, wenn Verwaltung und Politik jetzt die richtige Entscheidung treffen.
Die Osnabrückerinnen und Osnabrücker haben zwei lange Jahre hinter sich, in denen Corona, Inzidenzen und immer wieder neue Verbote die Feierlaune trübten und gemeinsames Beisammensein unmöglich machten.
Bürokratie verhindert seit 2011 regelmäßige Veranstaltungen auf dem Markt
Der auch für das Management städtischer Veranstaltungsflächen zuständige Ausschuss für Feuerwehr und Ordnung wird in seiner Sitzung am Mittwochabend (2. Februar 2022) darüber beraten, ob eine seit zehn Jahren geltende Bestimmung, die schon manch eine geplante Veranstaltung verhinderte, zumindest in diesem Jahr ausgesetzt wird.
Wohl in einem Anflug von Miesepetrigkeit hatte der Ausschuss im September 2011 entschieden, dass jährlich nur maximal 10 wiederkehrende größere Veranstaltungen auf dem Marktplatz stattfinden dürfen und zwischen dem Ende einer größeren Veranstaltung und dem Beginn einer Folgeveranstaltung mindestens 10 Tage nutzungsfrei sein müssen, also beamtentechnisch verordnete tote Hose vor dem Rathaus. Nur für kleinere Veranstaltungen gab es bislang Ausnahmen.
Verwaltung bastelte sich Begründung für bisheriges Nutzungsverbot
Ziel der Bürokraten war es, mit „gesteuerten Freiräumen“ sollten „Möglichkeiten geschaffen werden, den Marktplatz in seinem reinen historischen Erscheinungsbild und Wert für die Bürgerinnen und Bürger und Touristinnen und Touristen offen zu halten“. In der Begründung hieß es weiter, dass „der Eindruck einer Dauerbelegung“ vermieden werden sollte.
Corona zwingt aber nun auch die Lokalpolitik und die Verwaltung umzudenken. Die Verwaltung erkennt in der Beschlussvorlage, dass ein „Großteil von Veranstaltungen“ seit dem Beginn der Pandemie entweder gar nicht oder nur sehr stark eingeschränkt stattfinden konnte, die Kultur- und Veranstaltungsbranche sich in einer äußerst schwierigen wirtschaftlichen Situation befindet und – sofern die Pandemie dies zulässt –, einen erheblichen Nachholbedarf hat.
Bereits zahlreiche Anfragen für zweite Jahreshälfte
Mit Verweis auf die Infektionslage lässt sich die Verwaltung noch ein Hintertürchen offen und schätzt die Lage in der ersten Jahreshälfte „noch als wenig planbar“ ein. Ohnehin würden sich die vorliegenden Anfragen fast aller Veranstalter auf die zweite Jahreshälfte 2022 beziehen und es zeichnet sich bereits ab, dass die Nachfrage für die Sommermonate sehr hoch ist und stetig steigt.
Kleinere, Veranstaltungen sind auch bereits für die Monate März und April angefragt.
Finale Entscheidung erfolgt in geheimer Sitzung
Stimmen die Ausschussmitglieder der Beschlussvorlage vor, könnte z.B. die Nutzung einer Bühne für mehrere Veranstaltungen geprüft werden. Auch die gemeinsame Nutzung von Technik und Versorgungsständen käme in Betracht. Durch diese Option würden sich Auf- und Abbauzeiten, sowie Lärmbelästigung deutlich reduzieren lassen. Weitere Maßnahmen werden bereits diskutiert und auf Umsetzbarkeit geprüft.
Das letzte Wort, so der Fahrplan zu diesem Thema, wird der Verwaltungsausschuss haben, der allerdings geheim tagt und von dem die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist.
Kommentar des Redakteurs
Gut, dass es Corona gibt, möchte man schon fast ausrufen. Was für eine überaus seltsame Entscheidung wurde da vor zehn Jahren gefällt, die den Osnabrücker Marktplatz, das Herz der Altstadt, zu einem lebensunlustigen Ort nach dem Geschmack der radikalislamistischen Taliban degradierte – mit wenigen Ausnahmen, wie Maiwoche, Bier-, Weinfest und Weihnachtsmarkt.
Ein Marktplatz ist historisch das Herz der Stadt, hier wurde im Mittelalter fast jeden Tag irgendein Markt abgehalten. Montags die Milchbauern, Mittwoch die Töpfer und am Freitag die Fischer… so ähnlich wird es sich im Dreieck zwischen Marienkirche, Rathaus und historischem Ensemble bis weit über das Mittelalter abgespielt haben.
Klar, Lärmschutz und der Schutz der Anwohner ist auch wichtig. Aber Bitteschön, wer wohnt denn direkt am Markt? Welche Anwohner gilt es zu schützen? Wer in das Herz der Stadt zieht (aber allzu viele Wohnungen gibt es da eigentlich gar nicht), kann nicht die gleiche Ruhe und Langeweile wie in Hellern oder Voxtrup erwarten – und will es vermutlich auch nicht. Oder will man im Rathaus einfach seine Ruhe für den Beamtenschlaf?
Es ist „der historische Markt“ der Stadt Osnabrück! Hier entscheidet sich auch, ob Osnabrück den Herausforderungen des Onlinehandels trotzen kann. Hierhin gehören die „Anker“und „Magnete“, die Menschen in unsere Stadt locken. Warum soll ein Circus eigentlich auf dem trostlosen Platz an der Halle Gartlage gastieren, wenn es vor dem Rathaus oder neben dem Dom doch viel attraktivere Leerflächen gibt? Gleiches gilt für den Jahrmarkt und manch einen anderen Markt.
Corona kann jetzt der Anlass sein, aber diese lustfeindliche Verboteritis gehört dauerhaft auf den Prüfstand.
Wer ein gutes Konzept hat um mit einer Veranstaltung Menschen in die Stadt zu locken, ist hoch willkommen. Sollen sich die Bürokraten doch lieber um Hundekot und Falschparker kümmern!
Lebendige Veranstaltungen gehören in das Herz der Stadt – nach Möglichkeit jedes Wochenende und gerne auch darüber hinaus. Damit Osnabrück attraktiv bleibt!